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Spectrum-Soundsystem: Vom Piepmatz zum Mini-Orchester

Test

Bisher mußten Spectrum-Freunde, sobald es um Musik ging, klein beigeben. Diese Zeiten sind nun vorbei. Ein 3 Kanal-Soundzusatz verleiht dem Spectrum drei krĂ€ftige Stimmen.

Ganz ohne zusĂ€tzliche Hardware ist dieses KunststĂŒck natĂŒrlich nicht möglich. Der Spectrum verfĂŒgt ja selbst nur ĂŒber einen einfachen »Beeper«. Das ist ein eingebauter Lautsprecher, dem man per Software Töne und Melodien entlocken kann. Beim bestem Willen, als wohltönende Musik kann man diese Ergebnisse nicht bezeichnen. Der Sound lĂ€ĂŸt sich nicht beeinflussen. Zwei Töne gleichzeitig, oder gar ein dreistimmiger Akkord ĂŒberlasten den Beeper völlig: Nur einstimmige Melodien sind programmierbar. Das befriedigt höchstens Schmalspur-Musiker. Will man aber mit seinem Spectrum musikalisch höher hinaus, muß man andere Wege gehen. Was liegt nĂ€her, als einen externen Klang-Erzeuger zu benutzen — gesteuert vom Computer?

Lautsprecher und Klangmodul — die Hardware des Sound-Systems

Die DK’tronics-Klangeinheit ist mit einem programmierbaren Sound-Chip ausgerĂŒstet: Dem integrierten Baustein AY-3-8912, einem Synthesizer im Mini-Format. Der Chip ist in ein kleines GehĂ€use eingebaut, das wie eine Speichererweiterung aussieht. Es wird auch genau wie eine solche Erweiterung auf den Expansion-Port gesteckt. An die Klangeinheit lĂ€ĂŸt sich, huckepack, ein weiteres Interface anschließen. Zum Beispiel das Centronics-Drucker-Interface oder Joysticks etc. Neben dem Sound-Chip ist in dem GehĂ€use noch ein VerstĂ€rker eingebaut.

Ein externer Lautsprecher sorgt fĂŒr guten Ton

Im Preis enthalten ist weiterhin ein Lautsprecher mit GehĂ€use. Der Klang ist zwar nicht Hifi, doch auf jeden Fall genĂŒgt die QualitĂ€t. Paßt man beim Programmieren der KlĂ€nge nicht auf, werden durch die hohe LautstĂ€rke bald die Nachbarn an die Wand klopfen.

Im Bereich von acht Oktaven kann der eingebaute Sound-Chip drei verschiedene Töne gleichzeitig erzeugen. FĂŒr GerĂ€usche aller Art lassen sich die Ton-Generatoren auch als Rausch-Generatoren schalten. Damit hat man das RĂŒstzeug fĂŒr Töne und Harmonien, Wind und Orkan, Hubschrauber, Jet und Donner.

Rauschen wird aber erst dann zu Wind, wenn es an- und abschwillt, erst dann zum Jet, wenn man glaubt, ihn vorbeidonnern zu hören. Ein Klavierton klingt kurz, wenn man ihn dĂ€mpft, lang, wenn das Nachklang-Pedal gedrĂŒckt wird. Und — mit einem Tremolo versehen, klingt eine Melodie gleich viel besser. Leben muß in die KlĂ€nge! Diese Arbeit erledigt im AY-3-8912 ein sogenannter HĂŒllkurven-Generator. Er versieht die Töne und KlĂ€nge mit programmierbaren LautstĂ€rke-VerlĂ€ufen.

Der Sound-Chip lĂ€ĂŸt sich programmieren

Was der Sound-Chip tun soll, teilt man ihm in Basic mit. Der Chip besitzt 14 Klangregister. Jedes ist fĂŒr eine bestimmte Aufgabe im Klangerzeuger zustĂ€ndig. Mit DATA-Eingaben lassen sich die Register auf bestimmte Werte setzen. Mit ihnen kann man die drei Tongeneratoren fein und grob stimmen, von Ton auf Rauschen umschalten, die Stimmen ein- oder ausschalten, die diversen HĂŒllkurven auswĂ€hlen und die Geschwindigkeit der HĂŒllkurven-Modulation einstellen.

In der Bedienungsanleitung sind tabellarisch die einzelnen Register und möglichen Daten-Werte aufgefĂŒhrt. Leider ist die Anleitung in englischer Sprache und nicht sehr ausfĂŒhrlich. Eine bessere Ausarbeitung und Übersetzung wĂ€re willkommen. Drei kurze Software-Beispiele helfen zumindest auf die ersten SprĂŒnge und zeigen, wie man einen Ton, einen Akkord oder verschiedene Klangeffekte programmiert.

Fertige Demo-Software spart Zeit

Wer keine Zeit hat, eigene Programme zu entwickeln, arbeitet am besten mit der fertigen Demo-Software. Nach kurzer Einarbeitung komponiert man mit ihr spielend bis zu dreistimmige Songs. Voraussetzung ist natĂŒrlich etwas Musiktheorie. Noch besser, man spielt bereits ein »normales« Instrument und hat Übung im Umgang mit den Noten. Aber auch Computer-Freaks ohne musikalische Vorbildung werden ihre Freude an dieser Software haben. Vor allem, wer sich spĂ€ter einmal dem Spiel mit den schwarzen und weißen Tasten eines Klaviers widmen will. Hier lassen sich die ersten Trocken-Übungen absolvieren. Zur Toneingabe ist auf dem Bildschirm eine Klaviatur stilisiert. Mit den SHIFT-Tasten lĂ€ĂŸt sich nun ein Pfeil-Cursor unter die Taste dirigieren, deren Ton man programmieren will. Gleichzeitig erscheint in einer Melodie-Zeile der entsprechende Ton in Klartext, also »C«, »D«, »E«, »F«... Halbtöne werden als »C« beziehungsweise »D« etc. geschrieben, Pausen als liegender Querstrich

So »spielt« man nacheinander die drei Stimmen der Komposition ein. Jeden Ton kann man sich beliebig lange ĂŒberlegen. Die Eingabe der einzelnen aufeinanderfolgenden Töne muß nicht in bestimmtem Takt oder Tempo erfolgen. Man tippt Ton fĂŒr Ton hintereinander ein. Beim Abspielen wird dann die Melodie in regelmĂ€ĂŸigem Takt ausgegeben. Hat man eine Stimme eingetippt und programmiert man anschließend eine zweite, hört man die erste leider nicht mehr mit. Man muß sich also vorstellen, wie die eingegebenen Töne zueinander passen. Hören kann man den Zusammenklang erst beim spĂ€teren Abspielen der dreistimmigen Komposition,

Experimentieren ist nötig

Auch die Klangregister lassen sich mit der Demo-Software recht bequem einstellen. Man hat am Bildschirm genau wie bei einem richtigen Synthesizer ein Einstellfeld vor sich. Mit den Cursor-Tasten oder dem Joystick fÀhrt man dann einen Cursor zu den einzelnen »Schaltern« und »Drehknöpfen«. Die eingestellten Werte werden immer numerisch am Bildschirm angezeigt. Ebenfalls mit den Cursor-Tasten erhöht oder erniedrigt man diesen Wert.

Nicht immer lĂ€ĂŸt sich dabei theoretisch voraussagen, wie sich eine bestimmte Parameter-Änderung auf den Klang auswirken wird. Man muß hier viel experimentieren. Leider sind in der Bedienungsanleitung keine Sound-Beispiele aufgefĂŒhrt, so daß man in diesem Punkt völlig auf sich gestellt ist.

Die 3-Channel-Sound-Unit ĂŒberrascht durch ihren niedrigen Preis von zirka 128 Mark. Mit dem mitgelieferten Lautsprecher lassen sich die KlĂ€nge und Kompositionen in ausreichender QualitĂ€t und LautstĂ€rke wiedergeben. Verglichen mit dem SID-Chip des Commodore 64, rangiert der AY-3-Chip zwar nur an zweiter Stelle. Er bietet weniger Klangvielfalt. DafĂŒr ist er aber leichter zu programmieren. So lassen sich eigene Programme endlich mit passenden KlĂ€ngen unterlegen. Die Bedienungsanleitung des Systems dĂŒrfte allerdings insgesamt ausfĂŒhrlicher sein. Die Klangeinheit ist ein Lichtblick fĂŒr alle Spectrum-Besitzer, die ihrem Computer mehr als Piepser entlocken wollen.

(Aicher/mk)