Phantasie, Wizard's Crown (ST)

SSI ist zweifellos das produktivste Software-Haus, was Simulations- und Rollenspiele angeht. Die "Phantasie"-Serie wurde jetzt für die Ataris umgesetzt. Die Hintergrundgeschichte ist nicht gerade originell. Nikademus, seines Zeichens Bilderbuchschurke, hat es sich in den Kopf gesetzt, ein friedliches Land mit seiner Armee zu versklaven. Wird es der Spieler schaffen, mit Hilfe eines kleinen Haufens wackerer Kämpfer der Geschichte doch noch ein Happy-End zu geben?

Bis zu sechs Charaktere kann der Abenteurer in seine Mannschaft aufnehmen. 15 Rassen, von Mensch bis Troll, und sechs Berufe stehen in der AbenteurerGilde zur Auswahl. Die Grundeigenschaften der Spielfiguren orientieren sich am "Dungeons & Dragons"-Standard. Außerdem können noch einzelne Fertigkeiten wie Schwimmen, das Auffinden von Fallen oder das Aufspüren von Gegnern trainiert werden. Nicht nur Priester und Zauberer dürfen, abhängig von Intelligenz und Erfahrungspunkten, den einen oder anderen der 54 Zaubersprüche erlernen.

Gestartet wird in der Hauptstadt des Landes, wo man neben dem Anheuern von Mitstreitern auch die Möglichkeit hat, Geld auf der Bank zu deponieren (zinslos, aber sicher vor Nikademus'Heerscharen), neue Ausrüstungsgegenstände zu erwerben, im Gasthaus seine Wunden zu heilen oder einen Weisen nach dem bisher erreichten Punktestand zu befragen. Nach Verlassen der sicheren Stadt steht die Gruppe auf einer leeren Landkarte, die sich erst beim Durchstreifen mit Wäldern, Straßen usw. füllt. Bald trifft man auf andere Einwohner der Phantasiewelt. Der weniger aggressive Spieler versucht, sich gütlich zu einigen. Nach freundlichem Grüßen, Geldgeschenken oder notfalls einer drohenden Gebärde der Abenteurer entfernen sich viele Gegner. Versagen aber diese Mittel, kommt es zum Kampf.

Bis zu drei Reihen von Monstern verschiedener Art stehen der Gruppe gegenüber. Nun erhält jeder Kämpfer seine Anweisungen, ob er mehr in die Offensive oder Defensive gehen oder gar einen Zauber gegen die Feinde schleudern soll. Gegner in den hinteren Kampfreihen sind schwer zu treffen. Ein Zauberer in dieser Position stellt den Spieler vor erhebliche Probleme. War der Gruppe das Kriegsglück nicht hold, findet sie sich im Jenseits wieder. Hier entscheidet ein Dämon über die Zukunft jeder einzelnen Figur, ob ihr ein neues Leben gewährt wird oder ob sie für den Spieler verloren ist. Nach erfolgreichen Kämpfen werden in der Stadt Erfahrungspunkte und Beute verteilt.

Mutige Spieler wagen sich in die auf dem Kontinent weit verstreuten Dungeons. Im Gegensatz zu anderen Rollenspielen werden die Verliese nicht im 3D-Look dargestellt, sondern vom Computer als Karte während der Erkundung mitgezeichnet. Sternchen auf dieser Karte markieren besondere Ereignisse. Hier werden dem Spieler Rätsel gestellt, die ganze Gruppe wegteleportiert, oder der Computer gibt eine längere Textpassage aus. Bestimmte magische Gegenstände müssen eingesammelt werden, um das Endspiel, die Auseinandersetzung mit Nikademus, zu erreichen. Dieser erweist sich aber als Stehaufmännchen und stellt sich bestimmt im nächsten Teil den Abenteurern wieder in den Weg.

"Phantasie III" bietet im Vergleich zu I und II einige neue Features. Zum einen wurde die Grafik verbessert, zum anderen das Kampfsystem detaillierter gestaltet. Den Charakteren stehen neue Waffen zur Verfügung. Auch die Aufstellung während einer Auseinandersetzung kann variiert werden. Die Abenteurer können Arm oder Bein in der Schlacht verlieren, sich später aber durch Zauberkraft wie Eidechsen regenerieren. Ein behinderter Kämpfer unterliegt im Kampf verschiedenen Einschränkungen, die der Spieler erst beherrschen muß.

Den "Phantasie"-Programmen liegt wie gewohnt eine ausführliche Anleitung bei. Die ST-Version fragt als Kopierschutz Informationen aus der Anleitung ab. Das Programm wird vollständig mit der Maus gesteuert, was einen flotten Spielablauf gewährleistet. Auch die kleinen Ataris können zwischen Tastatur und Joystick wählen. Das Programm benötigt hier vier Diskettenseiten, unterstützt aber den Einsatz von mehreren Laufwerken und kann zu Backup-Zwecken kopiert werden. Geeignet ist die "Phantasie"-Reihe besonders für Einsteiger in das Rollenspielgenre.

Komplexer gestaltet, wurde "Wizard's Crown" wie "Phantasie" in den Staaten mit Preisen ausgezeichnet. Mitglied des Autorenteams ist Paul Murray, der für SSI schon "The Cosmic Balance" und "Imperium Galacticum" schuf. Hier die Vorgeschichte: Seit Jahrhunderten war es üblich, daß ein Vorsitzender der Magiergilde nach Ablauf seiner Amtszeit die ihm große Zauberkraft verleihende Krone seinem Nachfolger überreichte. Doch der letzte Chefmagier weigerte sich, dieser Sitte nachzukommen. Ein Bürgerkrieg brach aus. Der abtrünnige Zauberer verbarrikadierte sich in einer stark befestigten Burg, zu deren Schutz er allerlei Monster heraufbeschwor. Damit der Frieden wiederhergestellt werden kann, erhält eine Gruppe von acht Abenteurern den Auftrag, die Krone bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzubringen.

Hier betritt der Rollenspieler die Szenerie. Ein fertiges Abenteurerteam befindet sich auf Diskette, so daß man gleich ins Geschehen einsteigen kann. Wer seine eigenen Figuren erstellen will, muß sich viel Zeit nehmen. Ein Charakter kann mehrere Berufe gleichzeitig annehmen. Ein Krieger, der Hobbyzauberer ist, liegt im Bereich des Möglichen. Mehr noch als bei "Phantasie" besteht die Option, einzelne Fertigkeiten zu trainieren. Der Kampf mit jeder Waffe kann geübt, ein Erste-Hilfe-Kurs absolviert und an einer Jagdausbildung teilgenommen werden. Ca. 30 Fertigkeiten stehen zur Auswahl. Das zu erforschende Gelände beschränkt sich auf die Burg und die nähere Umgebung.

Wird die Gruppe von Monstern überrascht, kann der Spieler wie bei "Roadwar 2000" zwischen einem schnellen Kampf, dessen Ergebnis vom Computer ausgewürfelt wird, oder einer detaillierten Schlacht, bei der er selbst Regie führt, wählen. Diese Kämpfe sind ein Spiel im Spiel und dauern bis zu einer halben Stunde. Jeder Charakter muß dabei auf dem Schlachtfeld positioniert werden und wird einzeln gezogen. Die Figuren dürfen sich totstellen, verstecken oder den Gegnern den üblichen Schlagabtausch liefern.

Auch in der Burg kann das Team aufgesplittert werden und Aufgaben versehen. Viele kleine Details im Spielablauf machen "Wizard's Crown" realitätsnäher als andere Spiele dieses Genres. Grafik und Aufmachung sind SSI-Standard. Aufgrund der vielen Features ist "Wizard's Crown" schwer zu meistern und nicht für Anfänger geeignet. Rollenspiel-Freaks werden aber viel Spaß daran haben. Eine Fortsetzung wurde soeben in den Staaten veröffentlicht. In "Eternal Dagger" macht sich die Gruppe auf eine Reise durch das FantasyLand von "Wizard's Crown". Neue Regeln erweitern das Rollenspielsystem.

System: Atari 8 Bit
Hersteller: SSI
Bezugsquelle: Diabolo


Frank Emmert
Aus: Atari-Magazin 04 / 1988, Seite

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