Nicht billig, sondern preiswert

Was nichts kostet, taugt nichts, was fast nichts kostet, taugt nicht viel. Eine ebenso weit verbreitete wie falsche Einstellung, denn zumindest im Softwarebereich beweisen viele Programmierer, wie man sehr wohl gute Programme zu einem ausgezeichneten Preis-/Leistungsverhältnis vermarkten kann. Daß dabei natürlich auch die gängigen Vertriebskanäle auf der Strecke bleiben müssen, ist fast klar, aber nicht unbedingt notig. Sie wollen Beweise? Wir geben Sie Ihnen in unserem Spezial »Shareware«.

Das darf man doch weiterkopieren, das kostet doch nichts, taugt das denn überhaupt etwas? Immer wieder bemerkt man bei Anwendern Ratlosigkeit, wenn das Thema Shareware zur Sprache kommt. Klären wir deshalb zunächst den Sachverhalt.

Shareware bezeichnet eine Art der Software-Verbreitung, die aus den USA zu uns gekommen ist. Ein Programmierer verbreitet seine Software über alle möglichen Wege, abgesehen vom kommerziellen Vertrieb. Er gestattet die kostenlose Weitergabe, damit möglichst viele Anwender sein Programm erhalten und es ausgiebig erproben können. Dabei gibt es normalerweise keinerlei Einschränkungen im Funktionsumfang. Gefällt dem Anwender das Programm und nutzt er es regelmäßig, dann besteht seinerseits die Verpflichtung, für dieses Programm eine Shareware-Gebühr an den Autor zu entrichten. Für diesen Betrag, meist zwischen 50 und 100 Mark, bekommt man in der Regel noch ein gedrucktes Flandbuch und eine aktuelle Version. Vor allem aber wird man als Anwender registriert und hat damit das Recht auf regelmäßige Updates und eine Hotline für Probleme. Shareware liefert also vollwertige Software, und es besteht bei regelmäßiger Nutzung auch eine Zahlungsverpflichtung. Im Gegensatz zu Public Domain, Freeware, Crippleware oder Demos, die zwar auch alle frei kopiert werden dürfen, für die die Autoren aber ausdrücklich nur eine freiwillige Gebühr als Anerkennung ihrer Arbeit erbitten. Dieser Unterschied macht sich durchaus auch in der Qualität bemerkbar, denn die Funktionalität der Shareware-Programme steht kommerziellen Produkten nur selten nach.

Zahlreiche Beispiele guter Shareware finden Sie auf den nächsten Seiten. Ich möchte aber schon hier einige Beispiele nennen, die diese Behauptung beweisen. Nehmen wir den Bereich Textverarbeitung/ Satz. Das auf allen Computerplattformen präsente, allseits anerkannte Satzsystem »TeX« ist Shareware. Dieses umfangreiche Produkt, das mittlerweile mehr als zwölf Disketten umfaßt, ist mit seiner Sammlung von Programmen für praktisch alle Satzaufgaben sehr gut geeignet. Eine Reihe kommerzieller Produkte bietet mittlerweile sogar eine direkte Schnittstelle zu TeX, weil die Kompatibilität mit diesem System für viele Anwender ein entscheidender Kaufgrund geworden ist. Ein weiteres Beispiel ist der bekannte »Gnu-C-Compiler«, der schon für die Entwicklung einer Reihe kommerzieller Produkte genutzt wurde. Und Namen wie »Rufus« oder »Gemini« reißen DFU-Fans und Freunde eines alternativen Desktops zu wahren Begeisterungsstürmen hin.

Das Shareware-Prinzip baut natürlich auf die Ehrlichkeit der Anwender, denn niemand kann kontrollieren, ob die Software regelmäßig zum Einsatz kommt. Die Shareware-Autoren appellieren an die Fairneß der Anwender und in den meisten Fällen funktioniert dieses Prinzip auch, denn den Anwendern ist klar, daß sie nur dann in den Genuß neuer Shareware kommen, wenn sich die Angelegenheit für die Programmierer lohnt. Leider schrecken noch viele Anwender grundsätzlich davor zurück, sich mit Shareware zu befassen, denn sie trauen dem günstigen Angebot noch nicht so recht. Wir werden in der OS deshalb auch über diesen Schwerpunkt hinaus ab sofort regelmäßig über gute Shareware berichten, um Ihnen als Anwendern eine günstige Alternative aufzuzeigen.

Nun stellt sich natürlich noch die Frage, wie man denn überhaupt an Shareware herankommt. Der in Deutschland am weitesten verbreitete Weg ist die Verteilung über Mailboxen. Wer ein Modem hat oder zumindest einen Bekannten, der ein Modem besitzt, der sollte sich einmal in den einschlägigen Mailboxen umschauen. Zumeist ist die Shareware direkt gekennzeichnet, so daß man sich nicht massenweise Software aus einer Box holen muß, um dann vielleicht ein oder zwei Shareware-Produkte dabei zu haben.

Haben Sie keinen Zugang zu einer Mailbox, dann versuchen Sie, einen Computerclub in Ihrer Nähe ausfindig zu machen. Dort gibt es mit Sicherheit eine Möglichkeit, Shareware zu erhalten. Auch gute Computerhändler helfen weiter, wenn es um konkrete Produkte geht. Vor allem aber geben Sie selbst Shareware, die Sie bekommen haben, an Ihre Bekannten weiter, denn so verteilt sich ein Programm schneller als man glauben mag. Doch prüfen Sie Disketten, die Sie bekommen und solche, die Sie weitergeben, immer auf Virenbefall, denn nichts ist ärgerlicher, als wenn man in der Unterstützung einer guten Absicht seinen Mit-Anwendern Virenprobleme einhandelt.

Die beste Möglichkeit ist ein Versandhandel, der sich intensiv um Shareware bemüht. Unter dem Titel »konTRAST« haben sich beispielsweise einige Händler zusammengeschlossen, die unter anderem sehr intensiv die Shareware-Szene unterstützen. Hier bekommen Sie die Produkte immer auf dem aktuellen Versionsstand und vor allem gleich mit gedruckten Anleitungen. Bei Problemen sind die konTRAST-Leute auch in der Lage, beratend zu helfen. Ich persönlich finde diese Form der Unterstützung sehr gut und hoffe, daß mit steigendem Interesse an Shareware auch andere Anbieter sich um diesen Bereich kümmern. (wk)


Wolfgang Klemme
Aus: TOS 01 / 1993, Seite 96

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