Draconis Pro 1.72: Stück für Stück zur Internet-Referenz?

Neben STinG und I-Connect hat sich in den letzten Monaten das Internet-Paket Draconis einen guten Namen erarbeiten können. Joachim Fornallaz testete die aktuelle Version.

Die Oberfläche von Adamas ist nun weitgehend konfigurierbar.

Die neue Version des Internet-Komplettpakets Draconis ist schon seit April dieses Jahres erhältlich, wir haben aber auf die fehlerbereinigte Version 1.7.2 gewartet, um einen repräsentativen Testbericht zu veröffentlichen.

Installation

Wie gewohnt wird die Installation der Software von einem hauseigenen Installer erledigt. Nachdem man die Sprache angegeben (Englisch oder Deutsch), seinen Namen und die Seriennummer eingetippt hat, kann man die Art der Installation wählen. Eine große Erleichterung ist, dass der am Anfang gewählte Pfad als Vorlage für die Installationspfade aller folgender Komponenten dient. Will man z.B. statt in C:\Draconis\ die Software in D:\Internet\Draconis\ installieren, so muss der Pfad nicht mehr für jedes einzelne Draconis-Programm neu eingegeben werden. Wünschenswert wäre aber, dass man die Pfade über die Datei-Auswahl oder besser mit Drag & Drop übergeben könnte.

Hat man alle Einstellungen vorgenommen, so kann die eigentliche Installation beginnen. Die Netztreiber und andere Erweiterungen werden auf Wunsch automatisch in den AUTO-Ordner kopiert. Installiert man die neue Version über eine ältere, so werden die bestehenden Einstellungen (Provider, eMail-Daten, usw.) erfreulicherweise beibehalten.

Allgemeines

Ähnlich wie mit IConnect werden die diversen Internet-Einstellungen zentral vorgenommen, die verschiedenen Clients greifen dann auf diese Informationen zu. Im Wurzelverzeichnis des Startlaufwerks liegt die Datei Draconis. inf, in der alle Pfade zu den verschiedenen Komponenten von Draconis gesichert sind. Dies ist nötig, damit z.B. Adamas bei mailto:-Links direkt den Mailer Marathon starten kann und damit die verschiedenen Programme die intern verwendeten Icons finden. Schöner wäre, wenn diese Datei auch im SHOME-Verzeichnis plaziert werden könnte, oder dass die Programme nach dem Vorbild vom ASH Emailer optional auch über jinnee gestartet werden könnten.

Einwahl

Nachdem alle Provider-Daten korrekt eingegeben sind, darf es losgehen: entweder über das Draconis-Accessory (für Single-TOS-Benutzer) oder über das Programm Draconis.prg. Bei wenigen Providern scheint es bei der Verbindungsüberprüfung noch Probleme zu geben (man bringt dann keine PPP-Verbindung zustande), doch das passiert nur in sehr seltenen Fällen. Dieses Problem dürfte aber bald der Vergangenheit angehören. Ist die Verbindung zustande gekommen, so erscheint unter Multitasking-Systemen am unteren Bildschirmrand ein Mini-Fenster mit der Verbindungszeit.

Alternativ zum eigenen Socket-Stack können Draconis-Programme auch über MiNTNet oder bald auch über IConnect ins Internet gelangen. Für MiNT gibt es das frei erhältliche Draconis-to-MiNT-Gateway, unter IConnect wird sich die nächste Version von iFusion um die „Konvertierung" kümmern. Erste Tests mit iFusion verliefen ziemlich zufriedenstellend.

The Light of Adamas

Das wohl wichtigste Programm der Draconis-Reihe ist ohne Zweifel der Web-Browser Adamas. Nach dem wahrscheinlich allerletzten Update von CAB ist Adamas momentan der einzige Browser für den Atari, der aktiv weiterentwickelt wird (wenn wir mal vom WenSuite absehen). Umso wichtiger ist es jetzt also, dass Adamas im Vergleich zu CAB keine großen Nachteile mehr aufweist.

HTML-Rendering

Seit der Version 1.6 hat sich hier vieles geändert. Die Formatierung von Tabellen sowie die Positionierung von Bildern wurde entscheidend verbessert. Das bedeutet, dass die meisten Webseiten, die mit Adamas 1.6 seltsam ausschauten, nun korrekt dargestellt werden. Zudem werden Tabellen schneller als mit CAB formatiert. Die Zeiten, in denen Adamas den Systemfont verwendete, falls eine bestimmte Schriftart nicht gefunden wurde, sind nun vorbei: Es werden nun immer die vom Benutzer eingestellten Zeichensätze verwendet, außer die im HTML-Dokument definierten Zeichensätze sind tatsächlich im System installiert. Auch wurde der Einstellungsdialog für Zeichensätze stark überarbeitet: Wie in CAB kann man nun für Überschriften einen separaten Font einstellen, die einzelnen Schriftgrössen können nun einzeln angegeben werden und für die eigentliche Auswahl wird nun optional der WDialog-/MagiC-Dialog verwendet. Es wurden zahlreiche Fehler behoben, sodass es inzwischen nicht mehr vorkommt, dass einzelne Bilder nicht angezeigt werden oder Text über den Zellenrand von Tabellen herausragt.

Bedienung

Auch in diesem Punkt wurde Adamas gründlich überarbeitet. Neben der Unterstützung der PageUp-, PageDown-, Home- und End-Tasten für diverse Emulatoren, Hades- und Milan-Rechner hat der Programmautor auch Echtzeitscrolling eingebaut. Über das Kontext-Popupmenü lassen sich nun Seiten direkt in die Hotlist aufnehmen und neuladen, es können Bilder neu geladen und Hintergrundbilder abgespeichert werden.

Apropos Popup: Die Farbauswahl für die diversen Zeichensatzfarben wird nun neu von einem Popup gehandhabt, das nun maximal 256 Farben zur Auswahl bereitstellt. Etwas schade ist aber, dass beim Klick auf ftp-Links das passende Programm nicht automatisch aufgerufen wird. Doch dieses Manko soll im nächsten größeren Update endlich beseitigt sein.

Oberfläche

Eine der wichtigsten Neuerungen ist die Unterstützung von diversen Erscheinungsbildern für die Icon-Leiste. Neben den mitgelieferten Sets lassen sich auf der Support-Homepage über 20 verschiedene Skins herunterladen. Mit dem mitgeliefertem Tool Dicon.prg kann sogar jeder Anwender neue Oberflächen für Adamas oder Marathon Mail erstellen. Die Dialoge nutzen aber immer noch selbstgestrickte Objekte, die subjektiv betrachtet nicht sehr modern wirken.

Beim Laden von Bildern oder HTML-Dokumenten zeigt jetzt ein Fortschrittsbalken den Status des Seitenaufbaus an, die Prozentangabe hat ausgedient. Praktisch wäre, wenn an der selben Stelle URLs dargestellt würden , an der sich der Mauszeiger über ein Link befindet. Adamas zeigt die Adressen von Links nur über BubbleGEM oder ein eigenes Sprechblasen-System an.

Draconis wird mit einem eigenen Installations-Tool installiert.
Adamas verwendet nun auch, wenn ein Font nicht gefunden wird, einen voreingestellten Zeichensatz.
Adamas ist der zur Zeit einzige Web-Browser für den Atari, der Javascript unterstützt.
Auch der Leistungsumfang von des eMail-Clients Marathon wurde vergrößert.
Das Aussehen der Popup-Menüs ist nun dem heutigen Atari-Standard angepasst.

Javascript (JS)

Eine oft gestellte und wichtige Frage ist, wie gut und zuverlässig Javascript in Adamas implementiert ist. Allgemein lässt sieh sagen, dass der Javascript-Standard 1.1 in weiten Teilen unterstützt wird, was für einfache Javascript-Anwendungen ausreicht. Wichtig für das Surfen im Web sind sogenannte Javascript-Links, wie z.B. Fenster, die nur mittels JS-Funktionen geöffnet werden können. In dieser Hinsicht treten mit Adamas keine Probleme auf. Auch die beliebten Rollover-Effekte und andere kleineren Programme laufen. Als Test haben wir die Javascript-1.1 -Testseite von iCab für den Macintosh in Adamas eingeladen. Leider konnte Adamas die Seite nicht vollständig abarbeiten. Die Abschnitte Zeichenketten und Systeminformationen wurden nicht verarbeitet. Bei einigen Seiten im Internet, die Javascript nutzen, stürzte Adamas sogar ab. Schade ist auch, dass externe JS-Dateien nicht geladen werden, doch dieses Vorgehen wird - wie wir erfahren konnten - in der nächsten Version funktionieren. Treten Fehler in einem Javascript-Programm auf, so können auf Wunsch Fehlermeldungen angezeigt werden, leider als modale, d.h. systemblockierende, Dialoge. Hat Adamas mehrere Fehler im JS-Code entdeckt, so erscheinen mehrere Fehlermeldungen hintereinander. Hier wäre eine elegantere Lösung wie einen Fehler-Report im Fenster von Vorteil. Allgemein sollten modale Dialoge im Zeitalter von Multitasking-Systemen nur für sehr wichtige Meldungen benutzt werden.

Systemintegration

Neu in dieser Version wurde das DHST-Protokoll eingebaut. So können über den Start-Button Start-Me-Up die letzten geöffneten lokalen Dateien abgerufen werden. Ansonsten fehlen aber immer noch wichtige Technologien wie OLGA, OLGA-ID4, GEM-Script oder Drag & Drop. In dieser Hinsicht hat CAB immer noch die Nase vorn.

Fazit zu Adama

Es ist nicht zu leugnen, dass Adamas gewaltige Fortschritte gemacht hat, doch die teilweise veraltete Programmoberfläche und Bedienung trüben ein wenig das Bild. Zudem ist das JavaScript-Modul noch nicht zufriedenstellend implementiert.

Marathon Mail

Auch der eMail-Client hat zahlreiche Neuerungen erfahren. Zwar gab es keine größeren Änderungen, dafür aber zahlreiche kleinere und sehr nützliche Verbesserungen. Diverse Neuerungen, die bei Adamas eingebaut wurden, sind auch in Marathon wiederzufinden, wie zum Beispiel die Unterstützung von PageUp-und PageDown-Tasten, die Möglichkeit verschiedene Icon-Sets zu benutzen oder den Gebrauch von BubbleGEM für die Sprechblasenhilfe.

Die Texteditierfunktionen wurden gründlich überarbeitet, sodass die von anderen Texteditoren gewohnten Tastaturkürzel und Mausaktionen, wie z.B. Wortselektion per Doppelklick oder wort-weises Springen mit dem Control-Pfeil, nun auch in Marathon funktionieren.

Bis und mit Version 1.6 trat bei Marathon ein Millenium-Bug auf: Als Maildatum wurde statt dem Jahr 2000 das Jahr 2010 geschrieben. Zwar verursachte dieses Problem keine Abstürze, doch bei Empfängern von Mails, die mit Marathon verschickt wurden, waren die Nachrichten ggf. falsch sortiert, was schon ziemlich mühsam war. Der Fehler, der übrigens in der Pure-C-Standard-Library seinen Ursprung hat, wurde behoben bzw. umgangen.

Die Mailadressen können neu bequem aus dem Adressbuch per Drag Sc Drop in das Mail-Fenster oder in den Forward-Dialog eingefügt werden, zudem können Mails nun endlich an ganze Gruppen von Empfängern verschickt werden.

Fazit zu Marathon

Bei Marathon handelt es sich um ein sehr gut funktionsfähiges Mailprogramm, dass interessante Funktionen wie z.B. Empfangs- und Lese-Bestätigungen unterstützt, doch wer dieses Programm oft benutzt, wird diverse Funktionen von anderen eMail-Applikationen - wie dem ASH Emailer - vermissen. Filter-Funktionen, um z.B. Mails automatisch einordnen oder löschen zu können, fehlen in Marathon gänzlich. Zudem konnten wir auch keine Suchoder Aufräum-Funktion ausfindig machen.

FTP und Co.

Außer dem FTP-Client, der jetzt endlich lange Dateinamen unterstützt, haben die anderen Tools keine großen Neuerungen erfahren. Dafür haben wir im bin-Ordner ein neues Programm namens Draconis Info entdeckt. Dieses sehr nützliche Tool zeigt die (momentane) eigene IP- sowie die DNS-Adressen an. Ebenfalls interessant ist die Anzeige der Log-Datei, in der alle Einwahlzeiten und die Länge der einzelnen Internet-Sitzungen protokolliert sind.

Allgemeines Fazit

Das Draconis-Paket hinterlässt einen gemischten Eindruck: Einerseits überzeugen die Qualität der HTML-Anzeige von Adamas, die Anzahl der Programme und Tools, die im Paket inbegriffen sind, die Lauffähigkeit auf „kleinen“ STs, das gute Handbuch sowie die einfache Konfiguration von Internetverbindungen; andererseits stört die ein wenig altmodische Oberfläche und Bedienung aller Programme den modernen Atari-User, der an Programme wie Texel, ASH Emailer oder Papyrus gewöhnt ist. Auch fehlen ein ST-Guide-Hypertext oder besser eine Hilfe im HTML-Format, eine konsequente BubbleGEM-Unterstützung und die (optionale) Nutzung von neueren Systemfunktionen von MagiC bzw. N.AES. Wie wir aber erfahren konnten sind in dieser Hinsicht diverse Verbesserungen geplant, wie z.B. die Nutzung der erweiterten MagiC-/N.AES-2-Objekte und die Unterstützung des OLGA-Protokolls. Wir dürfen also gespannt sein, was in Zukunft aus der Draconis-Küche serviert wird, doch auch das Update auf Version 1.7 können wir allen Benutzer von Draconis nur empfehlen. A

M.u.C.S. Hannover, Gustav-Adolf-Str. 11, D-30167 Hannover, www.atari-soft.de, www.draconis-pro.de


Joachim Fornallaz
Aus: ST-Computer 08 / 2000, Seite 42

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