Der Atari ST spricht erheblich mehr Sprachen als nur C, Pascal und Basic. In einer neuen Serie stellen wir ihnen die etwas ungewöhnlicheren Sprachen vor.
Beinahe jede Programmiersprache wurde im laufe der Zeit auf den Atari ST portiert. Ähnlich wie auf anderen Systemen hat sich nur ein geringer Teil dieser Sprachen durchgesetzt. Die anderen werden für spezielle Problemlösungen in der Wirtschaft benutzt oder tauchen im Studium wieder auf.
Caml Light hat nichts mit der Zigarettenmarke oder gar Jeff Minter zu tun. Die Entwicklung der Sprache begann 1984 durch die INRIA (franz. Institut für Computer-Wissenschaften).
Logischerweise gibt es neben der „Light“ auch eine „normale“ Caml-Version, die auch Objective Caml genannt wird. Letztere ist jedoch nicht für den Atari erhältlich. Light- und Objective-Version unterscheiden sich hauptsächlich durch einen besseren Compiler und eine stärkere Objekt-Orientierung. Der Caml Light-Compiler erzeugt Bytecode, sofern nicht sehr systemnah programmiert wurde, sind die Programme leicht portierbar.
Caml Light ST kann auf zwei Arten benutzt werden: als GEM- und TTP-Programm. Letzteres entspricht genau den Unix-Caml Light, während in der GEM-Version noch eine kleine Shell inkl. Editor herumgebastelt wurde.
Nach dem Programmstart erscheinen zwei Fenster: das Eingabe- und Ausgabe-Fenster. Da Christian Carrez, der Autor von Caml Light ST, die GEM-Version als Beta-Version bezeichnet, kann es bei der Blockmarkierung im Eingabefenster schon einmal zu Redraw-Fehlern kommen. Abgesehen davon ist die GEM-Einbindung sauber gelöst, entspricht aber vom Komfort eher den ST-Programmen der achtziger Jahre: Dialoge liegen nicht in Fenstern und sind auch nicht tastaturbedienbar.
Neben dem Programm liegen auch einige Beispiele bei, darunter ein Eliza-Programm in französischer Sprache.
Caml Light wird hauptsächlich an Universitäten eingesetzt. Ein Bedarf an Caml-Programmierern in der Wirtschaft ist mir nicht bekannt. Da die Sprache ihren Ursprung in Frankreich hat, wird man sie an französischen Universitäten häufiger antreffen. Caml Light wird aufgrund seiner Einschränkungen gegenüber Caml als Lehrsprache verwendet - "richtige" Anwendungen werden eher mit Caml programmiert. Mit Caml wurden einige große Anwendungen programmiert, die jedoch außerhalb des Universitäts-Umfelds nahezu unbekannt sind, z.B. der Web-Browser MMM.
Caml Light liegt von der Erlernbarkeit in etwa gleich auf mit Pascal. Die Sprache ist also auch für Einsteiger geeignet.
Die Atari-Version von Caml Light ist nicht grafikfähig. Echte GEM-Anwendungen lassen sich nicht programmieren, womit Caml Light keine Konkurrenz zu den beliebteren Atari-Programmiersprachen darstellt. Seit 1993 findet keine Weiterentwicklung der Atari-Version mehr statt. Die Quelltexte zum Unix-Caml sind jedoch frei verfügbar.
(aus dem Eliza-Programm)
while !i < string_length mot do try let (longueur, traduction) = cherche_traduction simplifications in blit_string traduction 0 nouveau_mot !j (string_length traduction); i := !i + longueur;
Caml Light ST ist nicht unbedingt eine Programiersprache, die der Atari zum Überleben braucht - es ist aber erfreulich, das es sie gibt. Wer Caml Light lernen möchte, kann sicherlich mit der ST-Version die ersten Schritte wagen. Wenn es jedoch komplexere Programme mit Grafik werden sollen, gibt es leider keine Alternative zu der PC/Mac/Unix-Version.
Da Caml Light ST selbst im Internet schwer zu finden ist, liegt das Programm zum Download über die Up-to-Date-Liste aus.
Nächstes Mal geht es um Pilot, die wohl am leichtesten zu erlernende Programmiersprache überhaupt.
Einführung: www.atariuptodate.de
Caml Light Einführung: http://pauillac.inria.fr/caml/man-caml/node3.html