← ST-Computer 01 / 2000

Sprachgenie Atari ST - Caml Light

Grundlagen

Der Atari ST spricht erheblich mehr Sprachen als nur C, Pascal und Basic. In einer neuen Serie stellen wir ihnen die etwas ungewöhnlicheren Sprachen vor.

Beinahe jede Programmiersprache wurde im laufe der Zeit auf den Atari ST portiert. Ähnlich wie auf anderen Systemen hat sich nur ein geringer Teil dieser Sprachen durchgesetzt. Die anderen werden fĂŒr spezielle Problemlösungen in der Wirtschaft benutzt oder tauchen im Studium wieder auf.

Caml Light

Caml Light hat nichts mit der Zigarettenmarke oder gar Jeff Minter zu tun. Die Entwicklung der Sprache begann 1984 durch die INRIA (franz. Institut fĂŒr Computer-Wissenschaften).

Logischerweise gibt es neben der „Light“ auch eine „normale“ Caml-Version, die auch Objective Caml genannt wird. Letztere ist jedoch nicht fĂŒr den Atari erhĂ€ltlich. Light- und Objective-Version unterscheiden sich hauptsĂ€chlich durch einen besseren Compiler und eine stĂ€rkere Objekt-Orientierung. Der Caml Light-Compiler erzeugt Bytecode, sofern nicht sehr systemnah programmiert wurde, sind die Programme leicht portierbar.

Die ST-Version

Caml Light ST kann auf zwei Arten benutzt werden: als GEM- und TTP-Programm. Letzteres entspricht genau den Unix-Caml Light, wÀhrend in der GEM-Version noch eine kleine Shell inkl. Editor herumgebastelt wurde.

Nach dem Programmstart erscheinen zwei Fenster: das Eingabe- und Ausgabe-Fenster. Da Christian Carrez, der Autor von Caml Light ST, die GEM-Version als Beta-Version bezeichnet, kann es bei der Blockmarkierung im Eingabefenster schon einmal zu Redraw-Fehlern kommen. Abgesehen davon ist die GEM-Einbindung sauber gelöst, entspricht aber vom Komfort eher den ST-Programmen der achtziger Jahre: Dialoge liegen nicht in Fenstern und sind auch nicht tastaturbedienbar.

Neben dem Programm liegen auch einige Beispiele bei, darunter ein Eliza-Programm in französischer Sprache.

Einsatzgebiete

Caml Light wird hauptsĂ€chlich an UniversitĂ€ten eingesetzt. Ein Bedarf an Caml-Programmierern in der Wirtschaft ist mir nicht bekannt. Da die Sprache ihren Ursprung in Frankreich hat, wird man sie an französischen UniversitĂ€ten hĂ€ufiger antreffen. Caml Light wird aufgrund seiner EinschrĂ€nkungen gegenĂŒber Caml als Lehrsprache verwendet - "richtige" Anwendungen werden eher mit Caml programmiert. Mit Caml wurden einige große Anwendungen programmiert, die jedoch außerhalb des UniversitĂ€ts-Umfelds nahezu unbekannt sind, z.B. der Web-Browser MMM.

Schwierigkeit

Caml Light liegt von der Erlernbarkeit in etwa gleich auf mit Pascal. Die Sprache ist also auch fĂŒr Einsteiger geeignet.

EinschrÀnkungen

Die Atari-Version von Caml Light ist nicht grafikfĂ€hig. Echte GEM-Anwendungen lassen sich nicht programmieren, womit Caml Light keine Konkurrenz zu den beliebteren Atari-Programmiersprachen darstellt. Seit 1993 findet keine Weiterentwicklung der Atari-Version mehr statt. Die Quelltexte zum Unix-Caml sind jedoch frei verfĂŒgbar.

Beispielcode

(aus dem Eliza-Programm)

while !i < string_length mot do
      try
        let (longueur, traduction) =
          cherche_traduction simplifications in
        blit_string traduction 0 nouveau_mot !j
                    (string_length traduction);
        i := !i + longueur;

Fazit

Caml Light ST ist nicht unbedingt eine Programiersprache, die der Atari zum Überleben braucht - es ist aber erfreulich, das es sie gibt. Wer Caml Light lernen möchte, kann sicherlich mit der ST-Version die ersten Schritte wagen. Wenn es jedoch komplexere Programme mit Grafik werden sollen, gibt es leider keine Alternative zu der PC/Mac/Unix-Version.

Da Caml Light ST selbst im Internet schwer zu finden ist, liegt das Programm zum Download ĂŒber die Up-to-Date-Liste aus.

NĂ€chstes Mal geht es um Pilot, die wohl am leichtesten zu erlernende Programmiersprache ĂŒberhaupt.

EinfĂŒhrung: www.atariuptodate.de

Caml Light EinfĂŒhrung: http://pauillac.inria.fr/caml/man-caml/node3.html

Mia Jaap