Interview mit Alexander Clauss

Auch wenn Draconis mit großen Schritten aufholt: CAB ist nach wie vor der beliebteste Web-Browser für den Atari. Sein Autor Alexander Clauss sorgte nun mit einer Version für den Macintosh für einige Aufregung im Apple-Markt - Grund genug, Alexander einige Fragen zu stellen.

Der nachfolgende Artikel stammt im Original von Bengy Collins, erschien auf der MagiC-Online-Webseite und kann unter http://bengy.atari.org/clauss.htm im Internet gefunden werden. Die Übersetzung stammt von Thomas Raukamp.

ST-Computer:
Fangen wir mit gleich mit der Frage an, die jedem Atari-User unter den Nägeln brennt:

Werden Sie die Atari-Version von CAB weiterentwickeln? Durch den erstaunlichen Erfolg von iCAB für den Macintosh sollte uns allen klar sein, dass Ihre Zeit nun sehr eingeschränkt ist. Ist deshalb die Atari-Version komplett auf Eis gelegt oder nur zurückgestellt? Wenn die Entwicklung von CAB gestoppt wurde, wollen Sie den Quellcode veröffentlichen?

Alexander Clauss:
Die Entwicklung der Atari-Version von CAB wurde vorerst gestoppt. Ich habe zwar immer noch einige Ideen für die Atari-Version, weiß aber nicht, ob diese noch verwirklicht werden.

ST-Computer:
CAB (Crystal Atari Browser) ist ein interessanter Name für einen Web-Browser. Warum gaben Sie Ihrem Browser diesen Namen, steckt da irgendeine Bedeutung hinter?

Clauss:
Der erste Name dieses Programms war ein einfach "HTML-Browser". Viele Leute mochten diesen Namen aber einfach nicht, also suchte ich nach einem neuen.

Einer meine Beta-Tester hatte dann die Idee für den Namen "CAB" - er dachte dabei an "Cool Atari Browser". Ich änderte dieses dann in "Crystal Atari Browser". CAB ist außerdem ein amerikanischer Begriff für Taxi, also bedeutet CAB so etwas wie "Taxi für das Internet".

ST-Computer:
CAB war der erste grafische Web-Browser für den Atari, und wir wissen, dass Ihnen die Atari-Gemeinschaft dafür sehr dankbar war. Jetzt haben Sie iCAB für die Apple-Gemeinde vorgestellt, und dieser Browser wird ebenso sehr begrüßt. Wir haben Testberichte gelesen, in denen iCAB als "potentieller Marktführer im Web-Browser-Markt" bezeichnet wird. Haben Sie das Gefühl, dass Sie diesen Erfolg der Atari-Welt verdanken?

Clauss:
Ich denke, ohne CAB für den Atari hätte mich niemand gefragt, ob ich nicht einen Browser für den Mac schreiben wollte, da niemand gewußt hätte, dass ich zu so einem Projekt fähig wäre.

ST-Computer:
Wie kamen Sie zu einem Atari-Computer, und warum haben Sie so lange damit gearbeitet?

Clauss:
Ich habe mit einem Rechner angefangen, der kompatibel zum Apple IIe war, als sich alle Welt den C64 gekauft hat. Ich war schon immer mehr an Programmierung als an Spielen interessiert. Der Apple IIe war also die weitaus bessere Wahl als der Commodore für mich. Meine favorisierte Programmiersprache auf dem Apple war TurboPascal, ich benutze eine CP/M-Karte dafür. Nach einer Zeit wurden meine Projekte allerdings zu umfangreich. Ich hatte einfach Probleme mit dem wenigen Speicher, den der Apple bereitstellte. Mein letztes Projekt auf dem Apple II, ein Zeichenprogramm, das eine Maus nutzte und Menüs sowie Dialogboxen bot, benötigte die ganzen 64 kB des Apples, kein Byte war mehr übrig. Also sah ich mich nach anderen Computern um. Ein Freund von mir hatte einen Atari, der sehr vielversprechend war - also kaufte ich mir auch einen. Ich fing an, den ST mit Omikron BASIC und STPascal zu programmieren, aber ich vermißte ein wirklich gutes Pascal-System wie TurboPascal. ST-Pascal befriedigte mich überhaupt nicht.

Später wechselte ich dann zu GFA BASIC, das schon viel besser war als Omikron BASIC und STPascal. Noch später habe ich dann zu PurePascal gefunden, das kompatibel zu TurboPascal ist - ab dieser Zeit hatte für mich dann das wirkliche Programmieren auf dem ST angefangen.

ST-Computer:
Viele Leute sehen sich jetzt nach einer Alternative um, um die Lücke zu füllen, die CAB auf dem Atari hinterlassen hat. Die beste Alternative scheint heute Draconis zu sein. Die Pro-Version unterstützt sogar Java-Script. Haben Sie schon mit Draconis gearbeitet? Was halten Sie davon?

Clauss:
Ich habe einige Demo-Versionen von Draconis ausprobiert. Der HTML-Parser/ -Renderer ist sehr gut, allerdings sieht die Benutzeroberfläche der ersten Version aus, als entspränge sie den ersten Atari-Tagen. Ich hatte viele Probleme mit Draconis, die meisten resultierten jedoch aus der Benutzeroberfläche und dem fehlenden Support von HiColor-/True-Color-Auflösungen.

ST-Computer:
Würden Sie sagen, dass CAB ein Erfolg war?

Clauss:
Ja, das denke ich. Da aber heutzutage nur wenige Atari-Benutzer übrig geblieben sind, kann die Anzahl der CAB-Benutzer nicht mit denen von erfolgreichen Programmen der frühen Atari-Jahre verglichen werden. Aufgrund der kleinen Zahl von Atari-Usern war CAB kein wirtschaftlicher Erfolg.

ST-Computer:
Welche Computer und Betriebssysteme benutzen Sie zur Zeit? Welches ist Ihr Lieblingssystem?

Clauss:
Zur Zeit benutze ich drei Macintosh-Rechner. Mein Hauptrechner ist ein G3/DT233/233 MHz mit MacOS 8.5.1 und 128 MB RAM. Dieser Rechner wird für die Entwicklungsarbeit genutzt, auch für die Atari-Programme (unter MagiC-Mac), wenn ich Zeit finde. Die beiden anderen Macs (Performa 6300 (PPC) und PowerBook (68k)) werden für Tests genutzt.

ST-Computer:
Wo haben Sie das Programmieren gelernt? Sind Sie Autodidakt?

Clauss:
BASIC und Pascal lernte ich in der Schule, allerdings brachte ich mir das "wirkliche" Programmieren selbst bei.

ST-Computer:
Was halten Sie vom Milan040 und dem MilanOöO? Glauben Sie, dass sie die Zukunft des Atari-Computings darstellen? Glauben Sie, dass Atari-Computing überhaupt eine Zukunft hat?

Clauss:
Ich glaube nicht, dass der Milan die Zukunft des Atari-Computings darstellt. Einige wenige Leute werden den Milan kaufen, um einen schnelleren "Atari" zu haben. Aber diese Leute sind ja bereits Atari-User, also werden der Atari-Welt keine neuen Benutzer hinzugefugt. Ich persönlich würde niemals einen Milan kaufen, da er nicht hardwarekompatibel zu den originalen Atari-Computerruist und daher dieselben Probleme mit einigen Programmen wie ein Emulator hat. Wenn ich hingegen einen Mac kaufe, z. B. den iMac, würde dieser fast genauso wenig kosten, jedoch neben der höheren Leistung noch viele andere Vorteile mit sich bringen. Man kann darauf genauso alle Atari-Programme nutzen wie die Mac-Programme, weshalb man für sein Geld eine Menge mehr geboten bekommt.

ST-Computer:
Werden wir in Zukunft überhaupt irgendwelche neuen Programme für den Atari sehen? Wenn nicht, erklären Sie bitte, warum. Teilen Sie die Meinung von Thomas Much, der seine Programme für den Atari zwar weiter pflegen, jedoch keine neuen Programme bringen will?

Clauss:
Ja, ich kann mich der Meinung von Thomas eigentlich nur anschließen. Ich fange mit einem neuen Programm eigentlich nur dann an, wenn ich einen Bedarf dafür habe. Ich würde jetzt neue Programme nur für MacOS oder Java anfangen, da beide Systeme viel leistungsfähigere Möglichkeiten und Entwicklungssysteme bieten, so dass Programmierung hier viel mehr Spaß macht.

ST-Computer:
Erzählen Sie uns ein bißchen was zu iCAB. Stellt es lediglich eine erweiterte Version von CAB für MacOS dar?

Clauss:
iCAB ist eine komplett neue Applikation. Keine Zeile von CAB wurde wiederverwertet. Natürlich wurden einige der Ideen und Features von CAB auch in iCAB verwirklicht, jedoch bietet iCAB viel mehr Möglichkeiten als CAB. Viele dieser Features wären auf einem normalen ST einfach nicht möglich, z.B. ein vollständiger Java-Support.

ST-Computer:
Vielen Dank für das Interview. Es war sehr informativ, und wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.


Bengy Collins Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 07 / 1999, Seite 28

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