Jede Menge Diagramme - Fachbuchproduktion im DTP

Ein wesentlicher Bestandteil des Fachbuches sind die vielen Grafiken und Illustrationen, die die im Text beschriebenen Daten und Zusammenhänge auch optisch begreifbar machen sollen.

Da liegt nun ein Stapel vollgeschriebener Seiten vor mir. Daneben ein nur unwesentlich kleinerer Stapel mit Skizzenmaterial und technischen Detailzeichnungen. Und natürlich auch zwei Disketten mit den Textdateien, die sicher wieder erst durch alle möglichen Utilities geschickt werden müssen, um in einem korrekten ASCII-Format vorzuliegen. Und das Ganze soll einmal ein Buch werden.

Wir wollen uns in dieser und den nächsten Ausgaben der DTP-Praxis einmal mit einem etwas größeren Gestaltungsprojekt befassen, in dem viele der im DTP relevanten Arbeiten zur Sprache kommen werden und wo mit den unterschiedlichsten Software-Werkzeugen und auch immer wieder systemübergreifend mit Text- und Grafikformaten gearbeitet werden muß: Ein Buch soll am DTP-Arbeitsplatz gefertigt werden. Ein Fachbuch zum Thema „Thermische Solaranlagen", das nicht nur dem kundigen Techniker oder Ingenieur zur Information dienen, sondern auch dem interessierten technischen Laien diese Technologie verständlich machen soll (zwei verschiedene Zielgruppen).

Diese „Zielgruppenzwickmühle" muß der Grafiker lösen: durch ein ansprechendes Layout, eine grafisch befriedigende Umsetzung von trockenen Meßwertdiagrammen und nicht zuletzt durch eine auch dem Laien verständliche, illustrierende Umsetzung der technischen Zusammenhänge (das ist der etwas kleinere Stapel, der da vor mir liegt; das von Physikern und Ingenieuren gefertigte Skizzenmaterial ...).

Das Projekt

Wenn die Arbeit am Layout und an den Grafiken beginnt, ist eigentlich noch gar nichts richtig fertig: die Texte werden noch geschrieben (und werden nach aller Erfahrung von den Autoren auch dann noch weiter geschrieben, wenn das fertige Buch eigentlich gerade zur Belichtung sollte ...), Daten für Diagramme liegen vor, müssen aber in den Grafiken sehr flexibel gehandhabt werden können, da sie sich mit Sicherheit noch im Verlauf des Projekts ändern werden, wenn z.B. neue Meßergebnisse vorliegen usw. Unter diesen Voraussetzungen muß auch der vorgesehene Buchumfang nur als eine mehr oder minder vage Orientierungsmarke gesehen werden, sofern er nicht vom Verlag fest vorgegeben ist.

Das macht die Sache für den Grafiker nicht unbedingt einfach, aber auch nicht viel schwieriger, wenn alle Illustrationen von Beginn an so angelegt werden, daß ein nachträgliches Ändern keine vollständige Neuanlage der Gestaltung erzwingt. Auf das Thema, wie die Vielzahl von Grafiken und Illustrationen so angelegt werden kann, daß auch noch in der Endkorrektur Änderungen relativ einfach vorgenommen werden können, werden wir im nächsten Teil noch ausführlich zu sprechen kommen.

Im vorliegenden Buchprojekt wurden zunächst einmal die als Skizzen vorliegenden Illustrationen in „Gestaltungsgruppen" zusammengefaßt. Das ist ein erster wichtiger Schritt, um eine durchgehend einheitliche Gestaltung zu erreichen und letztlich auch effektiver an die eigentliche Gestaltungsarbeit herangehen zu können. Die Abbildungen, die in unserem Buchprojekt realisiert werden sollen, lassen sich in folgende Gruppen unterteilen: Da sind zunächst einige Fotos von Kollektorinstallationen, welche die im jeweiligen Buchkapitel genannten theoretischen Zusammenhänge dokumentieren sollen. Die Fotos liegen sowohl als Farb- und Schwarzweißfotos wie auch als gedruckte Vorlagen aus bereits vorhandenen Prospekten vor. Besonders die zuletzt genannten Vorlagen bereiten natürlich später unter Umständen Probleme (Stichwort: Scannen bereits gerasterter Vorlagen), auf die wir später aber noch ausführlicher zu sprechen kommen werden, die wir in diesem Stadium aber vernachlässigen können.

Zwei weitere große Gruppen bilden die Diagramme zur grafischen Darstellung von Meßwerten, mit denen der Einsatz von Solaranlagen in unterschiedlichen Umgebungen und nach unterschiedlichen Bedürfnissen differenziert dargestellt werden soll.

Eine kleine, aber durchaus feine Gruppe bilden schließlich die Illustrationen, die realitätsnah und anschaulich die Funktionsweisen dieser Technik illustrieren sollen. Diese Darstellungen bieten letztlich die größten grafischen Freiheiten, sind also sozusagen „des Grafikers Spielwiese", in der technische Zusammenhänge in leicht faßbare und auch für Normalverbraucher verständliche Zusammenhänge gebracht werden müssen.

Layout und Text

Für das Buch ist ein DIN-A5-Format vorgegeben, was die Einbindung der Grafiken natürlich nicht unbedingt leichter macht. Es müssen ja recht komplexe Illustrationen angelegt werden, die dann unter Umständen auf weniger als einer halben A5-Seite informativ und vor allem auch in Einzelheiten deutlich erkennbar dargestellt werden müssen. Dies muß natürlich vor allem bei der Entwicklung der Grafiken berücksichtigt werden, aber auch in die Gestaltung des Buchlayouts müssen diese Kriterien mit einfließen. Es muß flexibel sein und auch den unterschiedlichsten Typen von Grafiken Platz bieten können. Ich will an dieser Stelle davon absehen, zum wiederholten Mal von der „richtigen" Seitenaufteilung, vom Goldenen Schnitt usw. zu reden. Diesbezügliche Standardregeln zum Layouten sind überall zu finden.

Auch wenn manch ein Buchlayout geradezu danach schreit, etwas gegen den Strich gebürstet zu werden: das Layout gerade von umfangreicheren Druckwerken wie Büchern sollte immer in erster Linie dem Lesen dienlich sein. Details, wie das Arbeiten mit dem „Weißraum" der Seite oder die Plazierung von Grafiken, können dann die Spannung erzeugen, die ein Layout interessant werden läßt, ohne den Lesefluß zu hemmen. Man muß doch nur auf sein eigenes Leseverhalten schauen; Sie sind ja nicht nur Grafiker, sondern auch potentieller Konsument von ähnlichen Publikationen, wie Sie sie gestalten!

Zu diesem Zeitpunkt schreiben die Autoren immer noch ergänzende Texte zum Buch. Es müssen Marktübersichten aktualisiert werden, Lieferanten und Anbieter in den Anhang des Buchs übernommen werden usw. Letztendlich steht es also zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fest, wie viele Bilder und Illustrationen noch zu den bereits geplanten hinzukommen werden. Die Menge der bereits feststehenden Abbildungen zeigt jedoch, daß wir mit dem Layout recht offen umgehen müssen: ganzseitige und halbseitige Illustrationen, Fotos sowie jede Menge Diagramme werden ins Layout übernommen werden müssen.

Im vorliegenden Buchprojekt wurde dann das Layout-Raster so angelegt, daß vor allem die große Anzahl von Bildelementen Platz genug hat und den Lesefluß nicht hemmen wird. Um das zu unterstützen, wurde trotz des kleinen Buchformats eine etwas breitere Marginalspalte gewählt (das ist der „Rand" einer Seite, auf dem normalerweise die Marginalien, also Ergänzungen zum eigentlichen Text, stehen).

Das Logo des Buchverlags, in diesem Fall des 'Öko-Instituts' in Freiburg, übernehmen wir als grafisches Element für die Kopfzeile auf die jeweils rechte Buchseite, als Pendant zur linken, in der die jeweilige Kapitelüberschrift fortgesetzt wird. Diese Elemente dienen einerseits natürlich der Orientierung im Buch, z.B. beim Nachschlagen bestimmter gesuchter Themen, zum anderen stabilisieren sie aber auch das gesamte Buch-Layout.

Das Roh-Layout, mit erstem Blindtext gefüllt Diese Doppelseite, die dann ohne den jetzt noch darin befindlichen Text abgespeichert wird, bildet das Ausgangsmaterial für alle folgenden Buchkapitel. (Und ehe Fragen kommen: Nein, der Calamus kann leider noch keine farbigen Hilfslinien! Ich habe diese nur der besseren Darstellung wegen „eingefärbt".)

Standard-Dokumente

Um dann für die Textgestaltung immer gleich das passende Layout zur Verfügung zu haben, bieten sich in der Praxis folgende Wege an: Bei einer umfangreicheren Seitenzahl, wie es in diesem Buchprojekt mit seinen geplanten 200 Seiten (es wurden schließlich 235...) der Fall ist, wird gewöhnlich nach sinnvollen Abschnitten, z.B. den Buchkapiteln, getrennt. Diese werden dann als einzelne Dateien gespeichert. Gerade wenn Illustrationen mit im Spiel sind, kann es auch angeraten sein, lediglich einzelne Doppelseiten abzulegen. Bei einer DIN-A4-Seite mit entsprechend großem Farbbild wird man auch mit 32 MB Arbeitsspeicher keine größeren Operationen, wie z.B. Kopien für einzelne Maskierungen oder Verschieben übers Clipboard, mehr ausführen können.

Als „Roh-Layout" sollte man sich also gleich zu Anfang eine Doppel-Layout-Seite anlegen, die mit allen notwendigen Hilfslinien und (noch leeren) Textflußrahmen versehen ist (ich beziehe mich hier auf das Layouten im Calamus SL). Dabei erweist sich das neue Hilfslinien-Modul als sehr nützlich. Mit ihm können einmal erzeugte Hilfsliniensätze (z.B. für Text-Layout, Marginalien, Bildmaterial, Tabellen usw.) abgespeichert und archiviert werden. Bei Bedarf wird der gewünschte Hilfsliniensatz einfach im Modul angewählt und ins Dokument gesetzt. Diese Hilfslinien können auf jeder Dokumentenseite unterschiedlich sein, z.B. für die Plazierung unterschiedlicher Grafiken und Diagramme, wodurch ein unübersichtliches Liniendurcheinander vermieden wird. Wirklich hilfreich, dieses Modul.

Um von dieser Doppelseite mit bereits verketteten Textspalten ausgehend, mehrere zusätzliche Seiten für ein neues Kapitel automatisch anzulegen, deren Textrahmen dann auch wirklich alle miteinander verkettet sind, geht man folgendermaßen vor: Im vorliegenden Doppelseiten-Layout wird der erste Textrahmen (ganz links auf der linken Seite) selektiert. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Text ein- oder mehrspaltig angelegt werden soll. Über das „Fragezeichen" gelangt man dann in das Menü mit den Textrahmen-Spezialfunktionen, in dem nun das Icon „Text von vorhergehender Seite in Rahmen" angewählt wird. Nun wird der letzte Textrahmen (ganz rechts auf der rechten Seite) selektiert, und das Icon „Text auf folgende Seite von Rahmen" angewählt. Das war's eigentlich schon. Wenn nun im Seiten-Modul des Calamus „Leerseiten einfügen" angewählt wird, kann die gewünschte zusätzliche Seitenzahl eingetragen werden (die man immer ein wenig höher als für das jeweilige Kapitel erwartet ansetzen sollte). Zusätzlich muß in diesem Formular der Schalter „Layout übernehmen" aktiviert sein, wodurch auf allen hinzugefügten Seiten die auf der ersten Doppelseite befindlichen Textrahmen übernommen werden, und zwar alle in einer gemeinsamen Textflußkette.

Als Grundschrift wurde die 'Optima' gewählt. Eine ideale Typo, wenn die Entscheidung zwischen Serifen oder Groteske schwerfällt. Die Optima ist eine Groteske mit „Hang" zur Serifenschrift, leicht zu lesen, und - wie ich finde - mit einem auch ästhetisch angenehmen Schriftbild.

Besonders für ein umfangreiches Projekt bietet es sich an, für die typografische Arbeit die Calamus-Stillisten zu benutzen. Die für die Brotschrift, Kapitelüberschriften, Zwischenüberschriften, Bildunterschriften usw. gewählte Typo ist dann auch bei der Anlage neuer Kapitel immer zur Hand. Auch wenn mehrere Gestalter an einem Projekt arbeiten, sind durch die festen Vorgaben der Stilliste Fehler in der typografischen Anlage weitgehend ausgeschlossen.

Die Grafiken - ein wesentlicher Bestandteil des Buches - wurden zum überwiegenden Teil in DA's Layout erstellt. Die immer wieder erforderlichen Diagramme dagegen direkt im Calamus, und das aus gutem Grund. Mit diesen Grafiken, Diagrammen und der entsprechenden Software wollen wir uns im nächsten Monat ausführlich beschäftigen.

Auch umfangreiche Tabellen müssen ins Layout eingebunden werden. Tabellensatz ist nun wirklich keine Stärke des Calamus, und die Daten kamen dann auch noch aus 'Excel' vom PC! In einem der nächsten Teile unserer kleinen Artikelserie werden wir sehen, wie dieses Problem gelöst wurde.


Aus: ST-Computer 02 / 1995, Seite 50

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