ADAT - das erste ATARI-DTP-Anwendertreffen: Von Pessimismus keine Spur!

Am ersten Wochenende im Februar trafen sich in einem kleinen Ort bei Saarbrücken ATARI-DTP-Anwender und Software-Entwickler aus ganz Deutschland. Initiiert wurde dieses Treffen, ganz digital, über die Gruppe „ATARI DTP" im Mausnetz.

Jeder, der über ein Modem verfügt, kann an den vielfältigen Diskussionen teilnehmen, die täglich über das Netz gehen. In der Gruppe „ATARI DTP" werden da natürlich die aktuellen Themen und Probleme zum Thema DTP auf dem ATARI diskutiert. Neben vielen professionellen Anwendern und DTP-Hobbyisten sind dort aber auch die Programmierer des Calamus und weiterer DTP-und EBV-Software vertreten und stehen bei Problemen den Hilfesuchenden mit ihrem Rat zur Seite.

Man trifft sich

Eifrig diskutiert wurde in dieser DTP-Gruppe bereits seit vielen Monaten. Was lag da näher, als sich einmal leibhaftig kennenzu lernen? Gesagt-diskutiert. Das „ATARI-DTP-Anwendertreffen", kurz: ADAT, wurde ins Leben gerufen. Nach einigem Hin und Her über den geografischen Mittelpunkt Deutschlands, um eben keinem der Teilnehmer eine allzu weite Anfahrt zuzumuten, wurde dieser für drei Tage kurzerhand in die Nähe Saarbrückens verlegt. Dort liegt, in dem kleinen beschaulichen Örtchen Nunkirchen, das selbstverwaltete Tagungshaus „Haus Eichwald", das den Bedürfnissen und Erfordernissen eines solchen Treffens entsprach.

Da das Treffen auf rein privater Ebene über das ATARI DTP-Brett geplant wurde, mußten auch Hardware und Software gleichermaßen organisiert werden. Jeder, der wollte, konnte also seinen Rechner und die für ihn wichtigsten Anwendungsprogramme und auch Arbeitsbeispiele mitbringen. Es hat mich dann aber doch überrascht, welch ein Menge von TTs, neuer und auch altbewährter Software, Scannern, farbigen Großbildschirmen und anderen Peripheriegeräten auf diese Weise zusammenkamen. EinigeTeilnehmer hatten bereits eine lange Anfahrt hinter sich, als sie am Freitag abend das Tagungshaus erreichten. Aus dem ganzen Bundesgebiet kamen sie, aus Bayern, von der Nordseeküste - und auch aus der Schweiz war ein DTPler ins Saarland gereist!

Nach vielen Diskussionen im Mausnetz kannte man sich ja eigentlich schon ganz gut, so dachte man jedenfalls! Und so wurde dann jeder auch sehr schnell mit seinen Vorurteilen konfrontiert. Wie sehr man sich doch irren kann, wenn man einen Menschen nur nach einer über lange Zeit schriftlich geführten Diskussion beurteilt!

So ganz nebenbei wurde auf dem ADAT leider aber auch das Vorurteil bestätigt, daß „Desktop Publishing" eine überwiegend maskuline Profession zu sein scheint. Die einzige angemeldete Teilnehmerin (übrigens unsere Gruß- und Kuß-Sylvie) konnte kurzfristig dann leider doch nicht kommen. Das klappt dann wohl beim nächsten ADAT ...

Know-how-Transfer

Viele der anwesenden Teilnehmer müssen täglich mit Rechner und DTP-Software ihr Geld verdienen. So gab es dann auch jede Menge Anschauungsmaterial von professionell gestalteten grafischen Erzeugnissen. Das Spektrum war sehr groß: Von Zeitschriften über Verpackungen bis zu geplotteten Grafiken war alles vertreten. Und dazu waren eben auch die Grafiker, Typographen und EBV-Fachleute anwesend, die diese Produkte gestaltet und entwickelt haben. Viele Fragen gab es da, wobei die durchweg freundschaftliche Atmosphäre es auch den anwesenden DTP-Anfängern sehr leicht machte, wichtige Tips zu den verschiedenen Arbeitsweisen und der dazu benötigten Software mit nach Hause zu nehmen.

Nachdem am Freitag abend also das „Sichsehenlernen" im Vordergrund stand, was durch die eigens für das Treffen angefertigten Namens-Buttons deutlich erleichtert wurde, begann der Samstag mit den ersten wichtigen Fachvorträgen. Klaus Garms und Raimund Thiel, beide bis Ende letzten Jahres bei DMC mit der Entwicklung des Calamus beschäftigt, informierten die Anwesenden über die richtige Handhabung der Farbsysteme und Kennlinien des Calamus SL.

„Für uns war das Treffen wirklich sehr motivierend. Schreib' aber bitte nicht zu positiv, sonst werden beim nächsten Mal zu viele da sein!"

Klaus Garms

„Das geht eben in Quark XPress auf dem Mac nicht richtig, und dabei ist das in Calamus doch so einfach.“

Alvar Freude, bei der Fehleranalyse seiner 4-Farb Broschüre.

„Jetzt sind wir aber 200 km links vom Dokument."

Klaus Garms und einige Anwender, die gerade ein mehrere tausend Kilometer großes Dokument im Calamus bearbeiten.

„Gerade das erste Jahr ist schwer. Da hat es keine Firma leicht. Da ist es ungemein wichtig, über ein solches Treffen Informationen und Tips für die eigene Arbeit zu kriegen oder um überhaupt erst richtig in die Selbständigkeit reinzukommen."

Peter Bartsch

„Viele Kunden von DOS und Mac kommen inzwischen zu uns, wenn sie Probleme mit ihren Belichtungen haben. Die sehen dann den ATARI und die Agfa, gucken 2-, 3mal, und suchen dann das RIP!"

Christian Schwab

„Auf Messen erleben wir als Programmierer eher ein 'Nehmen' als ein 'Geben'. Hier war es ein völliger Austausch."

Klaus Garms

Ein weiteres Thema war die Calamus-eigene Rastertechnologie. Hier wurde auch gleich mit einem weit verbreiteten Irrtum aufgeräumt: Wie vielleicht bekannt sein mag, gibt es für die Bildverarbeitung allgemeine Umrechnungsformeln, nach denen die maximal notwendige Scan-Auflösung für eine gewünschte Ausgabe ermittelt werden kann. Eine höhere Auflösung kann dann also keine bessere Bildqualität mehr bringen, nur noch größere Datenmengen. Dies ist jedoch ein Irrtum und trifft lediglich auf PostScript-Ausgaben zu! Im Calamus SL bringen höhere Scan-Auflösungen auch sichtbar bessere Bildqualitäten, egal, ob Graustufen- oder Farbbilder verarbeitet werden sollen! Man sollte zum nächsten Treffen vielleicht doch auch QuarkXPress- und Page-Maker-Anwender von DOS und Mac einladen ...

Deutlich in der Mehrheit waren die Anwender, die mit dem Calamus ihr Geld verdienen, neben anderen, die gerade erst zweigleisig neben einem Angestelltenverhältnis die ersten Schritte in die DTP-Selbständigkeit zu beginnen wagen. Daß da Unsicherheiten und auch Schwellenängste spürbar wurden, ist nur zu verständlich. Viel zu oft schon ist man beispielsweise auf Messen vom theoretischen „Wissen" anderer schier erschlagen worden und dann eher demotiviert nach Hause gegangen. Aber auch das war eben das Besondere des ADAT: einmal mit einem der Programmierer des Calamus oder gestandenen Grafikern und Typographen in Ruhe zusammenzusitzen, beim Mittagessen oder vor dem Monitor, und über ganz persönliche Fragen zum Programm oder individuelle Gestaltungsprobleme zu reden.

Das ADAT war sicher schon deshalb ein Erfolg, weil es in dieser Form überhaupt stattfinden konnte. Hier ereignete sich aber auch etwas anderes, etwas, was so auf keiner Messe oder einer der üblichen Fachtagungen erlebt werden kann: Auf dem ADAT war jeder DTP-Anwender, ob professionell arbeitend oder nicht, mit seinem Wissen und seinen ganz eigenen Erfahrungen und somit auch Unzulänglichkeiten immer noch so gut, um einem anderen etwas Neues vermitteln zu können. Jeder wollte und konnte auch von jedem lernen! Genau das war es eigentlich, was mir persönlich, neben dem freundlichen und fast liebevollen Umgang aller miteinander, fern aller sonst auf Fachtagungen vielleicht üblichen Egoismen und Konkurrenzneidigkeiten, den deutlichsten Eindruck hinterlassen hat.

Randnotizen

Alvar Freude brachte einen von ihm modifizierten Rastergenerator des Calamus SL mit, der dann auch für die nächsten Stunden zum heißbegehrten Testobjekt wurde. Die Rasterung eines mit Bildern layouteten Calamus-Dokuments kann bei der Belichtung ja mitunter recht lange dauern, was sich dann z.B. auch im Belichtungspreis niederschlagen kann. Ein Testdokument wurde also erst einmal mit dem zum Calamus-Lieferumfang gehörenden Rastergenerator gerastert und über den Linotronic-Dummy-Treiber „belichtet". Zeit: 31 Minuten. Dann kam Alvars Generator. Es ist der ganz normale Rastergenerator des SL, der aber nun auch u.a. die FPU des TT nutzt, um eine höhere Geschwindigkeit zu erreichen. Und die hatte er dann auch: für das gleiche Dokument lag die Vergleichszeit nur knapp über einer Minute!

Um einen anderen Rechner hatte sich eine Gruppe gebildet, um die interessanten Funktionen des neuen EBV-und Malprogramms DA's Picture auszutesten. Irgend jemand kam dann auf die Idee, daß es doch auch schön sei, ein grafisches Element aus einem Calamus-Dokument auch als „Stempel" in DA's Picture anwenden zu können. Frank Renkes, der für den Calamus u.a. bereits das Bridge-Modul programmiert hat, setzte sich also in einer ruhigeren Stunde an seinen Rechner und programmierte einen Exporttreiber für den Calamus, der einen beliebigen Bereich eines Calamus-Dokuments im DA's Picture-Stempelformat exportiert.

Eine Art „Messecharakter" kam eigentlich immer nur dann auf, wenn Klaus Garms oder Frank Renkes ihr neues Calamus-Modul „Merge" vorführten. Auf der Software-Seite war „Merge" auch sicher eines der Highlights der Tagung. Manch einer stand da vor dem Monitor, mit leuchtenden Augen und gezücktem Scheckbuch -aussichtslos, es wurde noch nicht verkauft.

ADAT, die zweite?

3 Tage ADAT waren eigentlich immer noch zu wenig, so daß manche auch die beiden dazwischenliegenden Nächte nutzen mußten. Sei es für eine lockere Fachsimpelei vor den Monitoren oder die dann sicher nicht mehr ganz so trockenen Gespräche in der angrenzenden Kneipe ...

Der Dank aller Teilnehmer galt am Sonntag Frank Müller, Informationswissenschaftler und Designer aus Saarbrücken. Hatte er doch die vorbereitende Planung vor Ort in seine Hände genommen, in denen sie auch bestens aufgehoben war. Wie sagte er noch zum Schluß desTreffens: „Ich bin hierhergekommen, um etwas zu lernen, um vielleicht auch ein kleines Referat zu halten, von irgendeinem Arbeitsbereich, von dem ich meine, etwas zu verstehen. Ich hatte da wohl aber etwas Angst, darum habe ich das dann nicht gemacht. Eigentlich weiß ich aber erst jetzt, am Ende des ADAT, wie gut ich eigentlich bin!" Ein Satz, in dem sich sicher viele Teilnehmer wiederfinden werden.

Das ADAT 2 findet im Sommer statt. Irgendwo in Deutschland.


Jürgen Funcke
Aus: ST-Computer 04 / 1994, Seite 56

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