Wer auf der CeBIT '93 oder auf der FEZ a BIT in Berlin war, wird es mit Sicherheit gesehen haben. Die Rede ist vom jüngsten Kind des Software-Hauses Overscan aus Berlin. Das Produkt nennt sich Overlay und bietet wesentlich mehr, als auf den ersten Blick erscheint. Overlay ist schlicht mit dem Ausdruck Multimedia-Tool zu titulieren. Animationen zu erstellen, ob mit oder ohne Sound, ist nur eine Seite von Overlay. In Verbindung mit einem Genlock- Interface kann darüber hinaus eine komplette Videobetitelung stattfinden.
Auch die Grafikshow, die während der CeBIT auf der großen ATARI-Leinwand zu sehen war, ist ein Erzeugnis von Overlay in Verbindung mit einem Genlock-Interface. Somit braucht man sich also nicht zu scheuen, mit dem Produkt auch komplexe Präsentationen zu erstellen.
Wer das Produkt für 199 DM erworben hat, wird sich mit Sicherheit als erstes fragen, warum sich in dem DIN-A5- Ordner nur schlappe 60 Seiten befinden, wenn man mit dem Programm doch so viel machen kann. Die Begründung ist eigentlich recht plausibel. Es wird im Handbuch generell vermieden, eine Beispielanimation zu erstellen. Der zweite Grund ist die sorgfältige Auswahl und Überlegung bei der Programmierung der Funktionen. Da alles miteinander kombiniert werden kann, stehen fast grenzenlose Möglichkeiten zur Bilddarstellung und -erzeugung zur Verfügung. Um einen genauen Einblick in das Programm zu bekommen, werden hier die einzelnen Funktionen vorgestellt. Ein ausführliches Tutorial befindet sich zudem noch in Vorbereitung. Anhand dessen wird es möglich sein, von den ersten Schritten bis zu einer fertigen Animation Hilfestellung zu bekommen.
Wie bei jeder brandneuen Software ist man als Tester natürlich gespannt, was sie denn so auf dem Kasten hat. Und so wird meistens versucht, eine Demodatei zu finden und sie dann einzuladen. Overlay wird auf drei Disketten ausgeliefert, wobei allein ca. 1,3 MB an Beispieldateien beiliegen. Entsprechend der Auflösung und Farbenanzahl sortiert, wird sich natürlich die größte Datei mit den meisten Farben ausgesucht. Sie ist über 800 KB groß und stellt eine Demo über das Produkt selbst dar. Die Datei ist komprimiert und hat die Extension OZZ. Dieser Name hat bewußte Ähnlichkeit mit der Extension ZOO, die von dem gleichnamigen Packer stammt. User aus der DFÜ-Szene sind sicherlich vertraut mit diesem Packer. Die Animationsdateien sind auch mit diesem Packverfahren komprimiert. Overlay verzichtet auch darauf, gleiche Objekte mehrmals abzuspeichern. Wir dies nicht glaubt, kann solch ein Archiv mal mit dem ZOO-Pakker entpacken und wird dort alle Objekte nur einmal als Datei finden. Alle Bilder und Sounds liegen somit auch wieder als einzelne Datei vor. Zusätzlich befinden sich noch drei weitere Dateien im Archiv:
ANIM.DAT, PIC.DAT und SOUND.DAT. Dies dürften zweifellos die Steuerdateien für die Animation sein. Das Anschauen einer Animation ist sicher eine feine Sache, aber das Erstellen erfordert eigene Kreativität und ein paar gute Ideen.
Ein paar der vielen Grafikmöglichkeiten von Overlay
Als erstes muß man entscheiden, in welcher Auflösung und mit wieviel Farben die Animation erstellt werden soll. Overlay unterstützt alle gängigen Auflösungen und Farben. Nachdem das Programm in der gewünschten Auflösung gestartet wurde, präsentiertes sich in einem GEM-Fenster auf schwarzem Hintergrund. Die beiden wichtigsten Menüeinträge sind MODUL und OPTIONEN. Die unterste Zeile im Fenster dient zur Steuerung der Animationen. Hier werden Einzelbilder (Frames) addiert, gelöscht und gegebenenfalls von Objekten befreit. Eine Zahl im Scroll- Balken verrät den aktuellen Standort innerhalb der Animation. Der Doppelpfeil nach rechts startet die Animation. Der Bereich zwischen Menüzeile und Animationssteuerung wechselt je nach angewähltem Modul oder Option. Die Module dienen generell zum Aufbau des Bildes und der eigentlichen Animation. Die Optionen sind für die Erscheinungsweise der Objekte zuständig.
Alle Einträge im Menü Module sind per Funktionstaste erreichbar, überhaupt ist Overlay auch komplett per Tastatur steuerbar. Als ersten Menüeintrag findet man "Bilder". Hiermit ist das Einladen von Grafiken möglich. An Bildformaten versteht das Programm z.Zt. Degas-Elite-, Neochrome-, Doodle-, GIF- und IMG-Dateien. Bei den IMGs wird auch das neue farbige XIMG-Format unterstützt. Ein solches Bild wird von Overlay fortan als Objekt behandelt. Nach dem Laden steht es mit dem vollen Pfadnamen in der Objektliste. Dieser Name stellt eine Overlay-interne Objektbezeichnung dar, die sich beliebig ändern läßt. Dies kann generell mit jedem Objekt geschehen. Per Doppelklick auf den Listeneintrag erscheint das Bild im jeweiligen Frame. Eine Umrandung kennzeichnet, daß das Objekt aktiviert ist. Zu einer Animation gehört natürlich ein Bewegungsablauf. Dieser läßt sich sehr einfach durch Anwahl der Einträge "Start" und "Ende" erstellen. Anschließend wird das Objekt mit der Maus an den Platz der Begierde geschoben und die entsprechende Position (Start/Ende) selektiert. Die Bewegung wird durch einen Pfeil dargestellt. Nun muß nur noch die Anzahl der Schritte von Position A nach B eingegeben werden, und fertig ist die Bewegung. Die Zwischenschritte werden dabei automatisch vom Programm generiert.
Zu bewegten Objekten paßt in fast jedem Fall auch eine Sounduntermalung. Das Modul "Töne" erlaubt das Einladen diverser Sound-Sample-Formate. Neben den weit verbreiteten WAV-, AVR- und SND-Sounddaten wird seit kurzem auch das CrazySounds-HSN-Format unterstützt. Auch die Synchronisation von Bewegungsabläufen mit der Musik ist möglich. Die Dauer der Bewegung des Objektes wird in Schritten von 0 bis max. 9999 angegeben. Dauert eine Bewegung z.B. von 0 bis 200, kann der Sound nun an einer bestimmten Stelle dieses Bereichs gestartet werden. Das ermöglicht ein zeitgenaues Abspielen der Klänge. Außerdem besteht die Option, mehrere Sounds in einem Frame abzuspielen und zu kontrollieren. Ein Nachteil sollte allerdings nicht verschwiegen werden: Wie bei vielen Sound- Sample-Anwendungen ist hier der "normale" ST-Besitzer im Nachteil. Dort ist laut Handbuch ein Abspielen in der nötigen Qualität nicht möglich. Ein ATARI mit DMA-Sound sollte also schon vorhanden sein, um dieses Feature zu nutzen.
Um beim späteren Abspielen der Animation nicht abrupt vom Ende eines Frames zum Anfang des nächsten zu gelangen, bietet Overlay Überblendeffekte. Die erste Software, die etwas ähnliches schon einmal implementiert hatte, war "Imagic"(1) aus dem Hause ASH. Zwischen diversen "Reinroll-" und "Rausroll"-Richtungen gibt es Zufallsblöcke in verschiedenen Größen sowie Fließ- und Wischeffekte. Bevor jedoch ein Effekt aktiv wird, kann ein Tastendruck vom Betrachter verlangt werden. Natürlich läßt sich die Geschwindigkeit des Effektes mittels eines Faktors eingestehen. Geschwindigkeit ist überhaupt eine der Stärken von Overlay. Durch die Verwendung von hochoptimierten Routinen sind alle Effekte sehr schnell und, was für den optischen Gesamteindruck entscheidend ist, ruck- bzw. flackerfrei.
Es gab bis jetzt immer schon Software, die Bilder laden konnte und Überblendeffekte bot. Auch existieren Programme, die Sound-Samples laden und spielen können. Animationen mit Objekten sind eigentlich auch nicht besonders. Stimmt! Allerdings wurden mit Overlay erstmals alle diese Möglichkeiten in einem Programm vereint, und nicht nur das: Das Programm ist ganz klar auf dem neusten Stand dertechnik. Es läuft auf allen ATARIs inkl. Falcon und in allen bekannten Grafikauflösungen. Schließlich wurde Overlay teilweise auf der modernsten Maschine entwickelt, die der ATARIMarkt zur Zeit zu bieten hat, einem Falcon030. Zudem unterstützt es bereits das brandneue SpeedoGDOS und dessen Vektorschriften. Gerade durch den Einsatz dieser frei skalierbaren Schriften bieten sich ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Bewegung wird durch einen Pfeil dargestellt.
Die Textfunktionen von Overlay haben auch farblich einiges zu bieten. Unter dem Menü , Optionen' sind noch einige Veränderungsmöglichkeiten für Schriften gegeben, die über die Möglichkeiten des SpeedoGDOS hinausgehen, als da wären: Schattenwurf, bei dem die Eingabe des Abstands und des Winkels möglich ist. Zur Veranschaulichung zeigt ein Strich die Angabe der Gradzahl. Umrandung; auch hier ist der Abstand erforderlich. Stanzen; eine echte Neuheit! Der Schriftzug wird über einen Hintergrund gestanzt und erhält als Schriftfarbe somit einen Teil des Hintergrundbildes. Um eine schöne Textur als Schriftfarbe zu bekommen, wird die Textur als Bild geladen und die Schrift mit dem Bild gestanzt. Zehn solcher Texturen gehören bereits zum Lieferumfang. Leider ist es sehr schwer, an weitere heranzukommen. Das Erstellen einer Textur dürfte für die meisten Anwender eine zu große Hürde sein, da sie kachelbar sein muß. Das heißt, daß man das gleiche Bild links, rechts, oben oder unten wieder ansetzen kann, ohne einen Übergang wahrzuneh- men. Die Firma Overscan wird allerdings in Kürze auch Disketten mit verschiedensten Texturen anbieten.
Overlays Möglichkeiten sind kaum alle zu beschreiben, da sich durch die Kombination diverser Optionen sehr viele schöne Dinge zaubern lassen. Overlay verdient als eines der ersten ATARI-Programme zurecht die Bezeichung: "Präsentations- und Multimedia-Software" - nicht zuletzt durch die Einbindung der Genlock-Optioneu. Durch eine zusätzliche Genlock-Hardware wird eine Videobetitelung unter Zuhilfenahme von Overlay sicher zum Erlebnis. Overlay birgt für den Experimentierfreudigen durch heftiges Ausprobieren von Doppelklicks auf die verschiedensten Einträge noch die eine oder andere Überraschung. Per Doppelklick auf ein Objekt erscheint u.a. ein großes Pop-Up- Menü. Dort werden noch weitere Objektfunktioneu angeboten, wie z.B. Transparenzschaltung, Objekt in den Vorder- /Hintergrund schieben und eine Verdopplung der Breite oder Höhe. Eine Demoversion von Overlay kann beim Fachhändler oder bei Overscan direkt angefordert werden. Die Demoversion kann man nicht speichern, und sie beendet sich nach einer gewissen Zeit automatisch. Alle anderen Funktionen sind verfügbar. Zum Schluß gibt es also nur noch eines zu sagen ... Overlay - Prädikat wertvoll!
(1) Eine eingeschränkte Version des Programmes ist in der ST-Computer PD-Serie zufinden (ST-PD 170).
Bezugsquelle:
OverScan
Säntisstraße 166
12277 Berlin
Overlay
Positiv:
beinahe unbegrenzte Möglichkeiten durch Effektkombinationen
hohe Geschwindigkeit
läuft auf allen ATARIs mit allen Auflösungen
saubere GEM-Programmierung
gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Negativ:
Soundausgabe nur auf STe/TT/Falcon030