Comdex 1987: Commodore präsentiert bewährte 32-Bit-Technik, Atari stellt Transputer-Zusatz, brandneue PCs und ein CD-ROM vor. Tolle Neuigkeiten warten 1988 auf die Computerfans. Wer macht das Rennen um die Gunst der Käufer?
Schnellere Prozessoren, höhere Auflösung und mehr Speicherplatz gibt es auf jeder Messe. Aber Atari geht neue Wege. Weder die langerwarteten neuen ST Modelle •EST« oder gar der «TT« erblickten auf der Comdex in Las Vegas das grelle Licht der Computerwelt, sondern der Transputer für den Mega ST.
Seit der PCW in London spricht man vom Atari Transputer. Was im September 1987 in Bildern und fotokopierten Zetteln angekündigt wurde, stand zum Entsetzen der Konkurrenz im November auf der Comdex. Mit der Transputer-Zusatzkarte drückt Atari den parallel verarbeitenden Computer, der mit beliebig vielen Prozessoren arbeiten kann, in erschwingliche Preisregionen.
Die Zusatzkarte bringt schnellste Prozessorpower für den Mega ST. Er erreicht schon in der Grundversion 10,5 MIPS (Millionen ausgeführte Befehle pro Sekunde). Das ist fast die vierfache Geschwindigkeit der legendären VAX 11/780. Durch weitere Prozessoren, die nach dem Baukastenprinzip einfach angesteckt werden, kann die Rechenleistung weiter erhöht werden. Die Grafikauflösung reicht von 1280x960 Punkten mit 16 Farben bis 512x480 Punkte und 16,7 Millionen Farben. Diese Pracht erreichten bislang nur spezialisierte Grafikcomputer. Zu sehen war auf dem Atari-Messestand die GEM-Benutzeroberfläche in höchster Auflösungsstufe.
Entwickelt wurde die Transputerbox nicht von Atari selbst, sondern von der englischen Entwicklergruppe »Perihelion« Zu diesem Team gehört auch Tim King (siehe Happy-Computer 12/87). der momentan an dem Betriebssystem für den Transputer arbeitet. Die Frage nach dem PreiB quittierte Jack Lang, Hardware-Entwickler dos Transputerboards. mit: »300 Dollar per MIPS«. Ein zur Zeil unschlagbares Preis-/Leistungsverhaltnis, denn danach soll die gesamte Karte nur noch rund 3000 Dollar kosten Geplante Auslieferung ist Mitte nächsten Jahres.
Eine Zusatzkarte enthält vier weitere T800-Transputer. Diese Karte wird in einen Steckplatz der Transputerbox gesteckt. Transputer sind CPUs, die Im Baukastensystem zusammengesteckt werden können.
Atari präsentiert eine ganze PC-Flotte
Neben dieser Technik von morgen widmet sich Atari auch dem Standard von heute. In der Mitte des Atari-Stands thronte die gesamte Palette der Atari PCs. Dem bekannten PC 1 und dem im Mai in England vorgestellten PC 2 stellte Atari die PC 3 bis 5 zur Seite Der PC 2 weist die gleichen Spezifikationen wie der PC 1 auf. Einziger Unterschied: Er verfugt über vier Steckplatze, der PC I hatte keinen. Der PC 3 hat deren fünf und bietet genug Raum für drei Laufwerke. Mit dem PC 4, einem AT-Kompatiblen, steigt Atari in Intels 16-Bit-Welt ein. Er basiert wie alte ATs auf dem 80286-Prozessor. Topmodell ist der PC 5. Mit seiner 80386-CPU ohne Waitstates bei 20 MHz Prozessortakt ist er atemberaubend schnell. Die neuen Geräte sollen alle im ersten Quartal 1988 lieferbar sein.
Zwei Netzwerke kündigte Ataris Entwicklungschef Shiraz Shivji auf der Pressekonferenz im Desert lnn Hotel in Las Vegas an. Atari mochte damit seine Angebotspalette für den professionellen Bereich komplettieren: »Promise LAN« verbindet (durch seine Kompatibilität zum Netbios- und Appletalk-Standard) auf Wunsch STs, PCs und Apple Computer. Die maximale Datenübertragungsrate hegt bei 1 MBaud. Wesentlich schneller, aber ausschließlich mit Atari STs, arbeitet das zweite Netz werk. Mit 10 MBaud tauschen die STs in diesem Netzwerk Daten aus.
Beide Netzwerke werden von Atari vertrieben und sollen im ersten Quartal 88 erhältlich sein. Preise standen zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest.
Das Atari CD-ROM: Eine Datenbank mit neuen Funktionen
Das CD-ROM »CDAR-500«. so seine Modellbezeichnung. bietet 540 MByte Speicherkapazität. Es wird am DMA-Port angeschlossen und konferiert mit dem ST mit 10 MBaud. Das CD-ROM kann auch als CD-Player genutzt werden und dient in Verbindung mit der Stereoanlage zur musikalischen Unterhaltung.
Vorerst regieren beim CD-ROM noch die nüchternen Anwendungen: Beispielsweise wurde eine neuartige Datenbank gezeigt, die Texte und Bilder verarbeitet Als Demonstration konnte der Besucher entweder die passenden Bilder zu einem Wort oder den Begriff zu einem Bild suchen lassen. Man gab zum Beispiel einen Suchbegriff ein und das Programm zeigte ein Bild, in dem dieser Begriff eine Rolle spielt. Eindrucksvoller war die Bildverarbeitung. Ein Mausklick auf einen Teil der Grafik, zum Beispiel das Objektiv einer Kamera, und nach kurzer Suchzeit erschien der Begriff in Englisch oder Französisch. Auf Wunsch wurden die Begriffe auch gesprochen.
Atari Deutschland plant, das CDAR-500 für 998 Mark zu vorkaufen Kein anderes Speichermedium bietet heute Speicherkapazität und Schnelligkeit zu diesem Preis.
Neben OS 9 gibt es neuerdings ein zweites Multitasking-Programm für den ST »Idris«. Ein großer Teil des Atari-Standes war für dieses Betriebssystem reserviert, das Atari unterstutzen wird Um die Umsetzung des Multitasking-Betriebssystems kümmert sich Computer Tools- Die Arbeiten sind weit fortgeschritten und es waren bereits verschiedene Anwendungen zu sehen.
Einen sehr preiswerten Modula-2-Compiler zeigto Jefforson Software. Er kostet nur 49,95 Dollar und enthält den Modula-2-Compiler, Bibliothek und Dokumentation. Wer 30 Dollar mehr hinblättert, erhalt weitere umfangreiche Unterlagen. Den Jefferson Modula-2-Compiler gibt es für das Standard-Betriebssystem TOS oder für Idns.
Entwickler Dave Haynie mit seiner 68020-Karte für den Amiga
Auf mehr Prozessorpower können sich auch die Amiga-Besitzer freuen. Commodore hat die Entwicklung der 68020-Karte für den Amiga 2000 abgeschlossen Sie enthält neben dem 32-Bit-Prozessor den Arithmetik-Coprozessor 68881 sowie die PMMU 68551. Diese Hardware befähigt den Amiga 2000 das weit verbreitete Betriebssystem Unix zu benutzen. Der Entwickler Dave Haynie war persönlich anwesend, um sein »Baby« zu präsentieren. Unterstützung wurde bereits von den Softwarehäusern angemeldet, die auf schnelle Ablaufgeschwindigkeit größten Wert legen, zum Beispiel »Byte by Byte« mit ihren Raytracer-Programm Sculpt-3D.
Darauf haben Amiga-Fans schon lange gewartet: An einer Kombination aus Framegrabber und Digitizer arbeitet das technische Institut New York. Die Bedienung erfolgt ausschließlich Über eine gut gestaltete Benutzeroberfläche, Der Leiter einer Entwicklungsgruppo bei Commodore, Jeff Porter, zeigte sich begeistert Für ihn war das Programm des Instituts eins der besten Produkte auf dieser Messe-Lieferbar ist es voraussichtlich ab März 1988. 500 Dollar soll es in den USA kosten.
Commodore präsentierte neben der 68020-Karte eine weitere Eigenentwicklung. Eine Grafik-Karte, die die Auflösung des Amiga auf 1000 x 800 Punkte erhöht. Die Darstellung ist leider nur monochrom. Die Karte arbeitet mit jedem Amiga zusammen. Zu Lieferzeit und Preis äußerte Commodore sich noch nicht.
Atari und Commodore befinden sich im Wettlauf um mehr Prozessorpower, höhere Auflösung und viel RAM. Beide bieten viel Technik, aber den Ausschlag wird die Software geben. Der schnellste Prozessor bringt dem Anwender nichts ohne Software, die ihn ausnutzt. Beide Hersteller mußten auf dieser Messe ihren Beweis schuldig bleiben, daß sie auch hier Gutes zu bieten haben. Beide geben als Stichtag die CeBIT 88 an. Dort entscheidet sich der Wettlauf.