musitronics Sample-Card Programmer SCP 1: Gut gebrannt ist halb gewonnen

Eine RAM-Karte in Arbeit: Auch Multisamples lassen sich mit dem SCP-1 problemlos konfigurieren.

Es ist schon ein Kreuz heutzutage: Kaum hat man sich von seinen sauer zusammengesparten Talern ein neues Keyboard, bzw. einen Expander gekauft, gehört das gute Stuck einige Monate später schon wieder zum alten Eisen. An den Samples hat man sich sattgehört, verkaufen lohnt sich sowieso nicht, und die vom Hersteller angebotenen Sample-Cards sind erstens viel zu teuer und enthalten zweitens ohnehin nicht genau das Soundmaterial, das man gerne hätte.

Eine aussichtslose Lage? Keinesfalls, zumindestens nicht für stolze Besitzer der Roland U-Serie, eines D-70 oder einer R8 Drummaschine. Just für diese Typen bietet nämlich die Firma musitronics (im Vertrieb von TSI) einen Sample-Card-Brenner für den Atari ST an. Wie so oft im Leben ist die Idee hinter dem SCP-1 genauso einfach wie genial: Wenn Firmen für ihre Instrumente ROM-Karten mit neuen Samples brennen können, warum sollte das dem End-Anwender nicht ebenfalls mit RAM-Cards vergönnt sein? Einzige Voraussetzung hierfür: eine intime Kenntnis der Speicherkarten-Elektronik und das Wissen um deren Speicherorganisation. Die musitronics Konstrukteure haben dieses Know-how nun in eine mit 690 Mark relativ günstige Kombination aus Hard- und Software verpackt.

Die Hardware präsentiert sich als etwa 4 cm hohes, nur mäßig attraktives Kistchen mit aggressiv blauer Vorderfront im Videokassetten-Format, das Sie über das mitgelieferte Kabel an den Druckerport Ihres Atari anschließen. Da der Port auf der Rückseite des SCP-1 durchgeschleift wurde, bleibt Ihnen die Frage: »Brennen oder drucken« erfreulicherweise erspart. Die Stromversorgung für den Programmer übernimmt das ebenfalls im Lieferumfang enthaltene externe Netzteil. Die Stirnseite des Geräts zieren neben dem Schacht für die Sample-Cards noch je eine Power-On- und Run-LED sowie ein mechanisch nicht unbedingt vertrauenerweckender Online-Taster.

Optisch gefälliger nimmt sich die Steuersoftware aus, vier »Sound-Lib.«-Icons sowie die Symbole für Programmer, File und Trash künden von einer zeitgemäßen Drag'n'Drop-Bedienung. Und in der Tat, kaum hat man das Programmer-Icon auf eine Sound-Library gezogen, schon beginnt das Soft- und Hardwaregespann mit dem Auslesen einer natürlich vorweg eingesteckten Karte. Leseseitig unterstützt der SCP-1 alle ROM-Samplecards für die genannten Instrumente, schreibenderweise beschränkt sich unser Proband auf RAM-Karten (Flash-RAM) in der Größe von 1,2 oder 4 MBit. Ist der Lesevorgang beendet (ca. 40 Sekunden bei 4 MBit) erhält man per Doppelklick auf das entsprechende Library-Icon Einblick in den Inhalt der Speicherkarte. Ein weiterer Doppelklick auf einen Eintrag in diesem Soundfenster öffnet ein Bildschirmkeyboard, auf dem Sie das Sample einer bestimmten Tastaturzone zuordnen dürfen. Über den Menüpunkt »Change« verändern Sie falls nötig noch die Hüllkurven-Werte sowie die Grob- und Feinstimmung für die einzelnen Samples.

Natürlich brauchen Sie sich nicht auf das Editieren vorgefertigter Karten zu beschränken, auch eigenes Soundmaterial, das in einem speziellen Format auf Diskette oder Festplatte vorliegen muß, läßt sich für die Kartenprogrammierung heranziehen. Dieses Sampleformat orientiert sich stark an Avalon, dem Sampleeditor von Steinberg, ein Programm zur Konvertierung von Avalon- zu SCP-Files gehört zum Lieferumfang unseres Prüflings. Zwischen den einzelnen Libraries lassen sich Samples und Multisamples beliebig hin- und herkopieren oder verschieben. Lediglich die Samples innerhalb eines Multisamples sperren sich hartnäckig gegen diese Operation, die vom Handbuch hierfür vorgeschlagene Vorgehensweise führt leider nicht zum Erfolg (vielleicht hätten die deutschen Entwickler und Programmierer das Handbuch zuerst in Deutsch und dann in Englisch verfassen sollen...). Ebenfalls nicht vorgesehen ist die Funktion, zwei Karten zu einer einzigen zu »mergen«, eine durchaus sinnvolle Funktion, möchte man zwei 2-MBit-Karten auf einer 4-MBit-Karte zusammenkopieren, um Platz zu sparen. Einziger Ausweg: Sie müssen die Daten manuell auf die größere Karte herüberschaufeln. Haben Sie Ihre Wunsch-Card zusammengestellt, speichern Sie sie zur Sicherheit auf Disk oder Festplatte und ziehen dann das entsprechende Library-Icon auf das Programmer-Symbol. Gute zwei Minuten später (bei 4 MBit) halten Sie die fertig »gebrannte« RAM-Karte in Ihren Händen.

Bei soviel Komfort nimmt es den Tester dann um so mehr Wunder, daß es die Programmierer ganz offensichtlich versäumten, dem Probanden eine Funktion zum Abhören des Soundmaterials über einen externen DA-Wandler oder wenigstens den Atari-Monitor zu spendieren. Schade!

WERTUNG

Produkt: SCP1

Preis: 690 Mark

Hersteller: musitronics, Vertrieb über TSI

Stärken: einfache Handhabung □ Sample-Kompatibilität zu Steinbergs Avalon □ relativ günstiger Preis

Schwächen: Samples nicht über Monitorlautsprecher oder Steinbergs DA-Board abhörbar

Fazit: Sinnvolle Aufwertung der unterstützten Instrumente zum angemessenen Preis.

Die Kehrseite...

So begeisternd die Idee der eigenen »Sound-Destille« auf den ersten Blick wirken mag, hat sie doch für den einen oder anderen Anwendereinen entscheidenden Haken: Woher die Samples nehmen? Wer bereits einen Sampler sein eigen nennt, wird sicherlich nur in den seltensten Fällen noch einen »Nachbrenner« für seinen U220 erwerben. Musiker ohne Sampler dürften höchstwahrscheinlich erstens vor den Mehrausgaben von ca. 800 Mark für den Editor zurückschrecken und zweitens selbst nach dessen Erwerb immer noch nicht wissen, wie sie gescheites Klangmaterial akquirieren sollen. Abhilfe schafft hier nun zum einen der Vertrieb TSI, der für die nahe Zukunft eine Sample-Bibliothek mit brandaktuellen Sounds für den SCP-1 verspricht, zum anderen findet der klanghungrige Musikus bei den bekannten Soundvertrieben (z.B. Hotop, Metra-Sound, Käng-Kong etc.) eine reiche Auswahl an Samples aus allen Bereichen. Oft bieten auch in den Kleinanzeigen der gängigen Fachmagazine private Anbieter Sample-Material zu recht günstigen Preisen feil. Beim Kauf sollten Sie aber in jedem Fall darauf achten, daß die Samples im Steinberg Avalon-Format vorliegen, sonst sind unangenehme Überraschungen vorprogrammiert. Wenn Sie Ihre Samples direkt im Avalon-Format erstanden haben, können Sie zwar auf den Editor selbst verzichten, sind dann aber auf Gedeih und Verderb den vom Anbieter vorgenommenen Manipulationen (Länge, Loops, Filter, etc.) ausgeliefert. Im Idealfall besitzt natürlich einer Ihrer Bekannten einen Sampler inklusive Avalon und versorgt Sie stets mit den neuesten Sounds.

Doch trotz dieser etwas diffizilen »Quellenlage« handelt es sich beim SCP-1 um eine überaus sinnvolle Ergänzung der Roland Sampleplayer. Denn mit 690 Mark ist unser Proband deutlich billiger als ein neues Instrument gleicher Qualität oder gar als ein Sampler, und durch die Verwendung von Flash-RAM-Cards bleibt Ihnen der Kauf immer neuer ROM-Karten erspart: Sie legen einfach beliebig viele Card-Files auf Festplatte an und überspielen sie bei Bedarf auf die bereits mitgelieferte Speicherkarte. Die Programmierzeit von etwas über zwei Minuten für eine komplett gefülltes 4 MBit(512kB)-File erscheint angesichts der horrenden Sample-Übertragungszeiten per MIDI durchaus angemessen. Ein kleiner Tip zum Schluß: Clevere Naturen werten mit dem SCP-1 vielleicht nicht nur ihren Roland, sondern auch das eigene Bankkonto auf, indem sie ihre gelungensten RAM-Kreationen für einen geringen Unkostenbeitrag unter das nach mehr Klängen dürstende Volk bringen. Eine durch und durch pfiffige Sache also, der SCP-1. Wenn er doch nur nicht so aufdringlich blau wäre... (wk)

TSI GmbH, Neustr. 9-12, 5481 Valdorf


Mario de Monti
Aus: TOS 07 / 1993, Seite 39

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