Ende der Sixties gingen die Studenten auf die Straße und forderten die Freiheit der Kunst. Jedem sollten die Mittel für die kreative Arbeit an die Hand gegeben werden. Ein hohes Ziel für eine junge Generation, der im Gegensatz zur heutigen alle Türen und Tore offen zu stehen schienen. Jedenfalls vom eigenen Selbstbewußtsein betrachtet. Die Freiheit der Kunst im Sinne dieser Studenten beinhaltete auch den freien Zugang zu den technischen Hilfsmitteln. Für eine ganze Generation wurden der Fotokopierer und die Schreibmaschine zu einem Mittel der kreativen Betätigung. Sei es zu politischen Propagandazwecken, sei es zur Beschäftigung mit der Kunst. Mit Schreibmaschine, Klebstoff und Kopierer wurden ganze Zeitschriften und Bücher produziert, die allem Chaos zum Trotz gelegentlich sogar ihrem künstlerischen Anspruch mehr als gerecht wurden. Nicht von ungefähr wurden Fotokopierer in der damals noch sehr lebendigen DDR vor dem freien Zugang des Volkes ferngehalten. Zuviel Freiheit war ganz und gar nicht erwünscht.
Heute erinnert sich kaum jemand - und wenn dann nur ganz leise - an die alten Forderungen der Studentenschaften. Mittlerweile ist der Kopierer überholt. Fast jedem ist mit einem Computer ein weit leistungsstärkeres Arbeitsgerät für Gestaltungszwecke zugänglich. Mit diesem technischen Hilfsmittel lassen sich Bilder in jeder beliebigen Form manipulieren und Text in professioneller Form setzten. Die Softwarehäuser präsentieren immer ausgefeiltere Desktop Publishing Programme und Software für die Elektronische Bildverarbeitung. Auch für Studenten ist das DTP-Programm auf dem Computer längst nichts Besonderes mehr. Insbesondere für viele Atari-Anwender ist der Einsatz von DTP schon längst zum täglichen Brot geworden. Kannten viele Anwender vor Jahren lediglich diverse Schreibmaschinen-Schriften, besitzen heute die DTP'ler umfangreiche Designer- und Satzschriften-Bibliotheken, von denen manch alte Fotosetzerei nur geträumt hätte. Selbst Bildmanipulationen sind bereits auf einem TT weit eleganter zu lösen als in der Dunkelkammer begeisterter Fotoamateure. Für die Umsetzung der vielfältigen Aufgaben, die sich durch Desktop Publishing bewältigen lassen, bedarf es aber doch der Kenntnis wesentlicher Gestaltungsregeln, weshalb nicht ohne Grund im professionellen Publishing-Umfeld fast nur ausgebildete Gestalter vor dem Monitor eingesetzt werden. Wie aber organisiert ein Student oder ein Schüler im Besitz eines Calamus SL seine Szene-Zeitschrift, wie produziert der Kunstverein sein monatliches Mitteilungsblatt? Hier ein kleiner Schnell-Layout-Kurs für Calamus S/SL Einsteiger: Die Planung beginnt üblicherweise mit dem Format. In der Regel fällt die Entscheidung für DIN A4 (210 x 297 mm). Wenn es preiswert und handlich werden soll, fällt die Wahl auch schon einmal auf DIN A5 (148,5 x 210 mm), seltener werden größere Formate gewählt. Die Aufmachung lehnt sich entweder an ein Magazin oder an eine klassische Zeitungs-Gestaltung an. Ist die Entscheidung über Format und Ausstattung getroffen, kann es an die Arbeit gehen. Das Grundlayout muß entwickelt werden. Dabei wird bei einer Magazingestaltung ein wenig anders vorgegangen als beim Zeitungslayout. Das Magazin besteht aus einem Cover, das den Inhalt quasi verpackt, während die Zeitung gleich auf der Titelseite mit dem Inhalt »loslegt«. Die »U1«-Gestaltung (U1=Umschlagseite 1, Titelseite) sieht bei dem Magazin also ein wenig anders aus als der Inhalt, die restlichen drei Umschlagseiten werden in der Regel mit Werbung geschmückt und tragen so zur Finanzierung des kompletten Druckwerkes bei. Anders bei der Zeitungsgestaltung, hier können Sie in aller Regel das Grundlayout des Inhalts auch für die erste Seite übernehmen. Im Grundlayout legen Sie fest, wie eine Seite auszusehen hat, also ob eine oder mehrere Textspalten existieren, ob Fotos oder Illustrationen eingebunden werden, wie groß die Schrift ist, wie die Überschriften aussehen, bis zur Festlegung der Position der Seitenzahl (Pagina).
Haben Sie frühere Typographie-Kurse in dieser Zeitschrift gelesen, wissen Sie, daß die Textspalten möglichst nicht zu breit sein sollten, damit der Inhalt gut zu lesen ist. Die Grundschrift (im Setzerjargon auch »Brotschrift«, weil er damit sein tägliches Brot verdient) muß gut lesbar sein und sollte nicht zu »durchgestylt« daher kommen... schließlich möchten Sie ja, daß Ihre Artikel auch gelesen werden. In der Regel gelten Serifenschriften als die richtigere Lösung, weil die Serifen (so heißen die die kleinen Füßchen am Linienende des Buchstaben) die Lesbarkeit nachweislich fördern. Insbesondere in technischen Publikationen sind die gut lesbaren Schriften »Times« oder »Garamond« allerdings nicht sehr beliebt, hier sind serifenlose Schriften wie »Helvetica«, »Univers« oder »Futura« häufig. Unter den serifenlosen Schriften gibt es aber auch Schnitte wie die »Optima«, die durch wechselnde Strichstärken die Lesbarkeit fördern und damit die Konzentration des Lesers nicht über Gebühr auf die Probe stellen. Überschriften können schon einmal aus der Reihe fallen und in moderner Type gesetzt werden, wobei aber nicht mehr Schriften und Schriftschnitte eingesetzt werden sollten als nötig.
Die Vielfalt billiger Designerfonts auf der Festplatte und die Variationsmöglichkeit des modernen Calamus SL verleiten schnell dazu, über die typographischen Stränge zu schlagen. Das beste Zeitungslayout kann sich aber nicht gegen einen Sturm unterschiedlicher Textstile behaupten. Weniger ist in den meisten Fällen mehr. Also legen Sie eine möglichst nicht zu ausgefallene Grundschrift mit einheitlicher Größe und gleichem Durchschuß fest (das ist der Platz zwischen den Zeilen), eine Auszeichnung der gleichen Schrift für die Hervorhebung wichtiger Textpassagen, eine Headline-Schrift und eine Auszeichnung der Headline-Schrift für die Sub-Headlines. Überlegen Sie auch, ob Sie Blocksatz oder Flattersatz bevorzugen. Blocksatz sieht aufgeräumter aus, bildet in schmalen Spalten aber schnell unschöne Löcher, Sie müssen hier also mehr Nacharbeit leisten. Flattersatz bildet keine Löcher im Text, dafür allerdings wackelige Flatterränder, die auch nicht jedermanns Sache sind. Haben Sie sich für alle Grundelemente eine Lösung überlegt, können Sie sich an die Arbeit machen.
In Calamus SL erstellen Sie zunächst eine Stamm-Doppelseite, auf der Sie alle Elemente plazieren, die auf jeder Seite wieder auftauchen werden. Bei Bedarf können Sie auch mehrere Stammseiten erstellen, um beispielsweise unterschiedliche Rubriken voneinander abzugrenzen. Die Stammseite erreichen Sie über das entsprechende Umschalt-Icon in der Calamus SL-Kopfzeile. Beachten Sie unbedingt, wie Ihre Zeitung später vervielfältigt werden soll. Produzieren Sie in winziger Auflage über Ihren Laserdrucker oder einen Kopierer, können Sie die Stammseite ganz einfach im Endformat, also DIN A4 oder DIN A5 anlegen. Auch für den Schnelldruck reicht eine solche Vorlage im Endformat oftmals aus. Für den klassischen Offset-Druck müssen Sie zum Format der späteren Zeitung rundherum einen Rand von ca. 15 mm einplanen, damit Sie Schnittmarken und für Farbgestaltung auch Passermarken plazieren können. Setzen Sie mithilfe des Lineals und der Vergrößerungslupe Hilfslinien für den Rand des beschnittenen Endformats und für die Positionierung Ihrer Schnittmarken. Positionieren Sie die Schnittmarken, deren Strichstärke 0,18 mm haben sollte, ca. 3-5mm außerhalb Ihres Beschnittformats, damit die Druckerei etwas Schlupf für Maschinenungenauigkeiten hat.
Damit das Layoutlineal von Calamus SL nicht außerhalb der Layoutseite beginnt, sollten Sie die Nullpunkte entsprechend auf die linke obere Ecke der Layoutseite setzen. Sie können bei Doppelseiten natürlich auch den horizontalen Nullpunkt auf den Bund (das ist die Kante, an der die linke und die rechte Seite Zusammentreffen) und den vertikalen Nullpunkt auf die obere Layoutseiten-Kante positionieren, je nach persönlicher Vorliebe. Haben Sie für das nötige »Drumherum« gesorgt, können Sie (noch immer auf der Stammseite) die Hilfslinien für die Layoutseite setzen und wiederkehrende Elemente wie Linien, Logo, toten Kolumnentitel etc. auf der Stammseite ablegen. Auch die automatischen Hilfslinien für den Mehrspaltensatz können Sie bereits auf der Stammseite generieren. Geben Sie entsprechend Ihrem Satzspiel die Anzahl der Linien und Spalten und die Werte für die Ränder ein. Sie können auf der Stammseite genauso arbeiten wie auf einer Layoutseite, es gibt also keine Einschränkungen hinsichtlich der Gestaltung. Alles was auf der Stammseite innerhalb des Beschnittformates steht, steht später auf jeder zugehörigen Layoutseite, muß also nicht immer wieder neu layoutet werden. Stammseiten sollten Sie speichern, damit Sie nicht für jede Ausgabe Ihres geplanten Periodikums das Rad neu erfinden müssen. Die Textstile mit den Einstellungen für Bodytext, Auszeichnungen, Headlines und Subheadlines sollten Sie ebenfalls abspeichern. Sie erleichtern sich die spätere Arbeit gewaltig, wenn sie lediglich auf den Textstil klicken müssen, um Seiten typographisch zu bearbeiten.
Es lohnt sich diese Vorbereitung mit großer Sorgfalt durchzuführen, weil Sie diese Arbeiten bei späteren Ausgaben nicht mehr ausführen müssen. Ganz nebenbei vermeiden Sie auch Abweichungen, wie sie sich bei ständigem Neuanlegen des Grundlayouts schnell einschleichen. Sind die Stammseiten gespeichert, können Sie über das Icon in der Calamus SL- Kopfzeile in den Layoutmodus schalten. Stört Sie während der Layoutarbeit der Rand mit den Schnittmarken, können Sie ihn einfach mit schwarzen Balken abdecken. Natürlich müssen die Abdeck-Balken zum Schluß der Layout-Tätigkeit wieder entfernt werden. Vor Ihnen liegt also die erste Layoutseite. Die Stammseite liegt darunter, alle dort angelegten Elemente befinden sich nun bereits im Layout.
Bild 3. Auf den Layoutseiten geschieht d e wesentliche Gestaltungsarbeit. Anhand dieser Bildfolgen (immer spaltenweise von oben nach unten) können Sie gut die im Text beschriebenen einzelnen Layoutschritte nachvollziehen.
Hilfslinien für die Spalten, Kolumnentitel etc. alles ist bereits auf der ansonsten leeren Layoutseite. Damit sind Sie von lästiger Routinearbeit befreit und haben den Kopf frei für das Wesentliche, können sich also voll und ganz der Zeitungsgestaltung widmen. Sinnvollerweise stellen sie zunächst eine Textflußkette her, die Sie in die (dank der gut vorbereiteten Stammseite bereits vorhandenen) Spaltenhilfslinien snappen lassen. Soll der Text später von Seite zu Seite fließen können, beginnen Sie die Textflußkette mit der Funktion »Textfluß von vorheriger Seite« und beenden sie mit der Funktion »Textfluß auf nächste Seite«. Weisen Sie der Flußkette den Brotschrift-Stil zu und fügen Sie die benötigte Anzahl Seiten hinzu, wählen Sie dabei unbedingt die Funktion »Layout übernehmen« an, die Textflußkette zieht sich bei dieser Vorgehensweise durch das gesamte Dokument. Damit haben Sie jetzt Platz für Ihre Texte geschaffen.
Am Ende eines Artikels unterbrechen Sie einfach die Textflußkette und verkleinern den letzten Textrahmen entsprechend. Die Rahmen lassen sich problemlos innerhalb des Layouts verändern. Bilder und Grafiken können Sie entweder durch die Veränderung der Textrahmen einfügen oder Sie positionieren das Bildmaterial einfach auf dem Textrahmen und verdrängen den Text mithilfe des automatischen Umflusses. Verwenden Sie eingescanntes Bildmaterial, achten Sie bitte auf die richtige Rasterweite. Noch immer wählen viele DTP-Layouter ausschließlich ein 60er Raster, weil sie meinen, die Druckqualität sei bei einem feinen Raster grundsätzlich besser. Ein 60er Raster bringt allerdings nur bei hoher Auflösung in der Filmbelichtung und bei Druck auf teurem, »gestrichenen« Papier saubere Ergebnisse. Wenden Sie auf Ihrem Laserdrucker ein 60er Raster an, bekommen Sie anstelle des Bildes eine schwarzgraueFläche. Grundsätzlich gilt: Je niedriger die Auflösung des Ausgabegerätes und je schlechter das Papier, desto gröber muß das Raster sein. Auf Tageszeitungspapier erhalten Sie mit einem 28er bis 34er Raster die besten Ergebnisse. Auf einem 300 dpi Laserdrucker darf es auch ein 20er Raster sein, insbesondere dann, wenn Sie den Ausdruck noch fotokopieren möchten. Die Rasterweiten gelten natürlich nicht nur für Fotos, auch Rasterflächen, wie der graue Kasten unter dem Text, müssen gerastert werden. Sind Sie auf grobe Raster angewiesen, achten Sie bitte unbedingt darauf, daß auf der »grauen« Flächen keine kleinen Schriften vom Raster zur Unlesbarkeit zerfressen werden.
Bei Filmbelichtung und feinen Rastern ist diese Gefahr weniger gegeben. Auch Linien verhalten sich auf dem Laserdrucker etwas anders als bei der hochauflösenden Filmbelichtung. Der Laserdrucker läßt alle Linien etwas dicker erscheinen. Eine Ein-Punkt-Linie wirkt auf dem Laserausdruck sehr angenehm, auf einem 2540-dpi-Film ist sie kaum noch zu erkennen. Wählen Sie also die Strichstärke nach der gewünschten Auflösung.
Experimentieren Sie ruhig ein wenig herum, der große Vorteil des Desktop Publishing ist schließlich die Weiterentwicklung des Layouts durch 'Try and Error'.
(hb)