Mode und Modelle aus dem TMS Cranach Studio: Hits for Kids

Fetzige Kindermode, lustige T-Shirt-Kollektionen: Mit den ersten Sonnenstrahlen finden die neuen Frühjahrsmodelle den Weg über den Ladentisch. Hätten Sie gedacht, daß ein Teil der Entwürfe auf einem TT das Licht der Welt erblickt?

Von Andreas Wischerhoff und Wolfgang Klemme

»Hallo, hier bin ich«. Nach kurzer Suche entdecken wir das Studio der Firma Creativ Fashion Team in einem Mindener Hinterhof. Mit freundlichem Lachen begrüßt uns Herr Horstmann, Mitinhaber der Firma für Mode und Design. Zusammen mit seiner Frau entwirft er hier Kleidermodelle und Stoffe für Kinder und Jugendliche. Der eigentliche Grund für unseren Besuch steht gleich um die Ecke vor einer Spiegelwand. Ein schon etwas betagter TT nebst noch betagterem kleinen Bruder Mega ST reihen sich munter neben weiterer Hardware auf dem Arbeitstisch. Ein paar große Musterbögen, mit Kinderfiguren in lustig-bunten Kleidern übersät, zeigen die Arbeit vergangener Jahre. Und das alles entstand mit dem Computer? Nicht so ganz, aber beginnen wir die Geschichte besser von vorne.

Schön bunt oder schwarzweiß, Mode aus dem Computer gefällt

Horstmann: »Vor drei, vier Jahren habe ich auf einer Fachmesse für Bekleidungsmoden erstmals Bekanntschaft mit einem Atari Mega ST gemacht. Das heißt, eigentlich war es das Programm Cranach der Firma TMS, das meine Aufmerksamkeit erregte. Zwar handelte es sich dabei um ein Bildverarbeitungsprogramm, aber seine Funktionen ließen sich ebensogut für unsere Arbeit verwenden. Natürlich gibt es ganz spezielle Software für das Entwerfen von Stoffen und Modellen. Zusammen mit der entsprechenden Hardware werden diese auf anderen Rechnerplattformen als Komplettsysteme angeboten. Allerdings war und ist der Anschaffungspreis um ein Vielfaches höher als die Lösung auf dem Atari. Und die Komplettsysteme leisten nichts anderes als das Cranach und der Atari. Also warum mehr Geld als nötig ausgeben?« Normalerweise ist der Werdegang einer T-Shirt-Kollektion folgender: Es beginnt mit dem Zeichnen des Motives, das später das Shirt zieren soll. Dieser Entwurf wird erst einmal komplett ausgearbeitet, mit den entsprechenden Farben und Schattierungen versehen und so weiter. Ein zweiter Entwurf zeigt dann das fertige Motiv auf dem jeweiligen Kleidungsstück, ebenfalls mit allen Farben und Mustern versehen. Anhand dieses Designs entsteht eventuell noch ein Probeschnitt. Ganz wichtig für eine naturgetreue Präsentation sind dabei auch die Farbmuster. Der Kunde muß anhand des Farbdruckes auf einer Musterkarte genau erkennen können, wie die Farben und Muster auf dem späteren T-Shirt aussehen. Früher entstanden diese ganzen Exponate ausschließlich von Hand, also mit Pinsel oder Farbstiften. Wenn dann ein Kunde ein Motiv umcoloriert haben wollte, so ging die ganze Handarbeit von vorne los. Hinzu kommt, daß beim Colorieren mit Farbstiften erhebliche Farbabweichungen und -ungenauigkeiten auftreten.

»Zeichnen mit dem Computer, das geht doch kaum!«

Horstmann: »Als ich mir damals die Anlage anschaffte, dachte ich, man könnte mit einem Computer richtig zeichnen. Aber das war wohl nichts. Es ist kaum möglich, die Kinderfigurschablonen oder einzelne Motive so richtig mit Schwung und Ausdruck zu zeichnen. Zumindest nicht ohne erheblichen Zeitaufwand. Meine Frau als gelernte Designerin entwirft die Figuren von Hand schneller und ausdrucksvoller. Ich scanne diese Vorlagen dann mit dem Epson GT 6000, und danach erfolgt im Cranach Studio das Einfärben.«

Für spezielle Stoffmuster erhalten die Bilder dann vielleicht noch Texturen und so weiter. Je nach Farbanzahl und Bildgröße wachsen die pro Entwurf die Dateien auf 1 und 1,2 MByte. Da reichten Speicherkapazität und Rechenleistung des alten Mega ST schon bald nicht mehr aus. Aus diesem Grunde erfolgte auch der Umstieg auf den TT 8/030, einer der ersten seiner Art. Und auch dem alten Cranach folgte die Fortsetzung Cranach Studio, von dem schon eine frühe Betaversion Einzug in das Kreativstudio hielt. Einige von Horstmanns Wünschen fanden sich in dem neuen Studio auch realisiert. Aber zurück zu den Entwürfen. Das fertige Design wird auf einem Canon FB 510 Tintenstrahldrucker gedruckt, und mit dieser Vorlage marschiert der Kunde dann zum Siebdrucker, der danach seine Druckvorlagen richtet. Allerdings ist diese Vorgehensweise noch nicht optimal, Horstmann wünscht sich einen Drucker, der z.B. Stoff oder andere Materialien direkt bedrucken kann.

»Ideal ware ein Drucker, mit dem man direkt auf Stoff und anderen Materialien drucken könnte.«

Der erste Modellentwurf geschieht also ohne Rechner. Auf die Verwendung von Bibliotheken mit Zeichenelementen angesprochen, betont Horstmann den Zeitfaktor und die ständigen Anforderungen, Neues zu schaffen. Die Mode ist zu großen Veränderungen unterworfen, alle Elemente sind zu kurzlebig, als daß sich der Aufbau und die Verwaltung einer umfangreichen Objekt-Bibliothek, beispielsweise mit Taschenformen, Kragen und Accessoires wirklich lohnen würde.

Interessanter ist für Horstmann die Möglichkeit, sich eigene Farbpaletten mit den aktuellen Modefarben zusammenzustellen. Für die farbliche Anpassung einzelner Kleidungstücke ist das sehr komfortabel, da möglichst jedes Textil miteinander kombinierbar sein soll. Sinnvoll ist auch das Übertragen von Teilen in verschiedene Entwürfe. So schneidet man immer wiederkehrende Teile einer Kollektion aus und überträgt sie in andere Modelle. Der Hauptteil der Arbeit mit dem Studio liegt jedoch im Ein- und Umfärben der Entwürfe. Dabei kommen auch Masken zum Einsatz, so daß die Färbung an den Stoffrändern beispielsweise heller ist als in der Mitte. Bleibt einmal etwas Zeit für Experimente, gestaltet Horstmann auch direkt mit dem Rechner, wenn er Farbaufträge an Faltenwürfen verstärkt oder gewisse zeichnerische Mittel einsetzt, um dem Entwurf Lebendigkeit zu verleihen. Damit verbessert sich natürlich die Attraktivität für den Kunden in der anschließenden Präsentation.

»Cranach Studio« eröffnet neue Gestaltungstechniken
Es ist kein Problem, auf Kundenwunsch Motive umzufärben

»Der Computer lähmt die Kreativität«

Der Computer ist für Horstmann nur ein weiteres Werkzeug und nicht das alleinige Mittel der Wahl. Er betrachtet das Cranach Studio als einen riesigen Farbstiftkasten, der vielleicht auch ein paar neue Gestaltungstechniken bietet. Neue Werkzeuge schaffen halt neue Ideen. Man darf aber nicht vergessen, daß der Computer die eigentliche Kreativität ebensogut lähmen kann, wenn man sich ausschließlich auf ihn verläßt. Ein Zeitgewinn ist insofern vorhanden, als das Colorieren von Hand natürlich ungleich länger dauert. Außerdem präsentiert sich ein Design als Farbdruck beim Kunden erheblich besser, als die üblichen Stiftzeichnungen. Auf der anderen Seite darf man die lange Einarbeitungszeit nicht vergessen. Hier liegt ein großes Problem. Das Modegeschäft ist im Prinzip saisonabhängig. Im Frühjahr und Herbst, wenn die neuen Kollektionen herauskommen, häuft sich die Arbeit, so daß der Rechner den ganzen Tag ausgelastet ist. Zu anderen Zeiten benötigt man den Rechner mehrere Tage gar nicht. Diese schwankende Nutzung macht sich auch im Bereich Bedienbarkeit bemerkbar. Für jemanden, der nicht ständig mit dem System umgeht, sind viele Dinge häufig zu kompliziert, zu wenig intuitiv. Trotzdem hält Horstmann das Konzept der grafischen Benutzeroberfläche für gelungen.

»Ich habe schon seit zwanzig Jahren mit Computern zu tun, aber jemand der das Werkzeug nur manchmal gebraucht, hat es wesentlich schwerer. Auch die Anleitungen helfen da nur wenig weiter. Wer kann seinen Designerinnen denn schon tagelanges Handbuchstudium zumuten? Wenn ich eine Anleitung für den Computer schreiben müßte, würde auf der ersten Seite nur eine Maus stehen mit der Erklärung, wie man sie bedient.«

Mit dem Atari-System insgesamt ist Horstmann zufrieden, Hardware-Probleme größerer Art traten bisher nicht auf. Aber »ich riskiere eine ganze Menge. Wenn in einer Hochphase der Produktion ein Rechner ausfällt, brauche ich innerhalb weniger Stunden Ersatz. Die Händler- und Servicesituation ist hier im Mindener Raum denkbar schlecht. Und wer stellt sich schon auf Reserve eine komplette zweite Anlage in die Firma? Der Heimanwender mag ja noch einige Tage oder Wochen Reparaturzeiten akzeptieren, aber im Profibereich ist das undenkbar.«

Was Horstmann noch am Cranach Studio fehlt? Eine Funktion zur Texteinbindung, denn bisher greift er dazu auf Calamus SL zurück, mit dem er auch seine gesamte Korrespondenz erledigt. Die Schriftzüge für die Modeentwürfe importiert er als Objekte ins Cranach Studio und paßt sie dem jeweiligen Motiv an. Trotz der hohen Professionalität beider Programme ist doch manchmal noch ein Haufen Improvisation nötig. Ein weiteres Manko ist das Fehlen von Gitterstrukturen, mit denen man einzelne Bildteile beliebig zerren und biegen kann. Damit wäre die Motivplazierung auf Stoffalten weitaus realistischer. Wie die Ankündigungen von tms für die nächste Version zeigen, scheinen weitere Wünsche in Erfüllung zu gehen. (wk)



Aus: TOS 05 / 1993, Seite 26

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