Ich glaube an die künftige Lösung der beiden äußerlich so widersprüchlichen Zustände, Traum und Wirklichkeit, in einer Art von absoluter Wirklichkeit, der Surrealität.
(Aus dem Manifest des Surrealismus, 1924)
Was 1924 der französische Dichter Andre Breton in Worte faßte, das schuf wenige Jahre später der spanische Maler und Surrealiast Salvador Dali mit Ölfarben und Leinwand. Er verbindet in seinen Werken Traum und Wirklichkeit, indem er vertraute Formen und Gegenstände verfremdet und zusammen mit fließenden Farben zu neuen Traumbildern formt.
Formen verfremden und Farben fließen lassen, das kann Ihr Computer auch. Warum also nicht auf Dalis Spuren wandeln und mit Hilfe eines Vektorgrafikprogramms eigene Traumbilder schaffen? Wie in den Anwendungsbeispielen vergangener Ausgaben, so können Sie prinzipiell auch heute Ihr Lieblingsprogramm verwenden, Sie müssen dann bei einigen Funktionen entsprechend umdenken. Unser Vektortraum entstand mit »Xact Draw«, einer Grafikkarte mit Farbmonitor und jeder Menge Spaß am Spielen. Aber keine Angst, bis auf wenige Einstellungen lassen sich die einzelnen Schritte auch mit einem Schwarzweiß-Monitor nachvollziehen. Mit den Grundlagen der Vektorzeichnerei, die wir an dieser Stelle ja schon mehrfach besprochen haben, sollten Sie allerdings schon vertraut sein.
Als Vorlage dient Dalis Werk »Ataviastische Ruinen nach dem Regen« von 1934, dessen Umsetzung Sie in Bild 1 bewundern müssen (Dali möge mir verzeihen). Die notwendigen Voreinstellungen für das Nachzeichnen entnehmen Sie bitte dem Infokasten. Besondere Beachtung sollten Sie dem aktiven »Outlinemodus« schenken. Alle Objekte sind mit einem vorerst noch beliebigen Füllmuster versehen. Aus Gründen des schnelleren Bildaufbaus und der Übersichtlichkeit unterdrückt Xact Draw jedoch die Darstellung der Farbe bzw. des Musters.
Entwerfen Sie nun als erstes mit der Funktion »Polygonzeichnen« die grobe Form des Objektes aus Bild 2. Größe und Lage der Figur dürfen Sie jetzt noch getrost vernachlässigen. Gehen Sie großzügig vor und setzen Sie nicht zu viele Eckpunkte. Dank der speziellen Vektoreigenschaften erfolgt später der Feinschliff anhand dieser Punkte. Entspricht das Objekt ungefähr Ihren Vorstellungen, beenden Sie den aktuellen Zeichenvorgang durch einen Doppelklick. Zwar müssen Sie den Polygonzug nicht unbedingt schließen, jedoch sollten Anfang- und Endpunkt dicht beieinander liegen.
Format: DIN A5 Quer
Maßeinheit: Zentimeter
Gittermaß: 0.10 cm
Gitter zeigen
Outlinemodus ein
Gesperrte Objekte zeichnen
Ein nochmaliger Doppelklick auf das Objekt öffnet schließlich die »Polygon-Werkzeugkiste«.
In der geänderten Werkzeugleiste am linken Fensterrand klicken Sie das Symbol »Polygon schließen« an (Pfeil mit geschlossenem Viereck). Rührt sich nichts, überprüfen Sie, ob der Start- bzw. Endpunkt des Linienzuges aktiv (invertiert) ist oder ob das Polygon vielleicht schon geschlossen ist. Als nächstes korrigieren Sie die Objektkonturen, indem Sie an den betreffenden Stellen die Eckpunkte mit der Maus verschieben. Eventuell fügen Sie noch zusätzliche Punkte mit »INS« ein bzw. löschen Überzählige mit »DEL«. Wenn die Form Ihren Vorstellungen entspricht, wechseln Sie mit einem Mausklick in die freie Wildbahn zur ursprüngliche Arbeitsumgebung. Nach erneutem Selektieren des Objektes wandeln Sie den Konturverlauf anhand des Kurvensymbols (zweitunterstes Icon der Werkzeugleiste) in Bezierkurven. Schon eine recht runde Sache, finden Sie nicht auch? Spätestens an dieser Stelle sollten Sie dem Schicksal zuvorkommen und Ihr Werk sichern!
Das »Loch« entsteht der Einfachheit halber aus zwei übereinandergelegten Ellipsen, die Sie mit Hilfe des Selektionsrahmens in die passende Größe und Position skalieren. Selektieren Sie per »Control A« alle Objekte und fassen diese mit »Alternate G« als Gruppe zusammen. Dieses Gruppengebilde bringen Sie nunmehr in die gewünschte Blattposition (Seitenübersicht) und verändern die Größe auf ca. ein Drittel der Gesamtfläche. Vorsicht ist die Mutter der Vektorgrafik, deshalb schützen Sie anschließend dieses Gesamtobjekt vor ungewollten Veränderungen mit dem Befehl »Sperren« im Menü »Lage«.
Wie in Bild 3 zu sehen, legen Sie jetzt noch Objekte für Schattenflächen aus Polygonen oder Ellipsenausschnitten an. Arbeiten Sie mit Lupenausschnitt und verschiedenen Seitenübersichten. Bevor Sie zum Färben schreiten, sollten Sie nochmals eine Sicherungskopie anlegen, mit »ESC« den Outlinemodus abschalten und die Sperrung auf-heben. Übrigens können Sie die Färbung analog auf einem Schwarzweiß-Monitor vornehmen, wenn auch das Ergebnis nicht gerade vom Hocker reißt. Makieren Sie zuerst den Felsen und wählen Sie die gewünschte Farbe. Da Xact Draw leider noch keine Vektorpfade anlegt, z.B. einen Kreistorus mit durchscheinendem Hintergrund, müssen Sie beim Loch ein wenig tricksen. Die größere Ellipse füllen Sie mit der Funktion »Verlauf...« bei aktiviertem Icon (das letzte in der Leiste). Wählen Sie einen nicht zu geringen farblichen Abstand zwischen Start- und Endfarbe und beginnen Sie mit der dunkleren Farbe. Damit verstärken Sie den Tunneleffekt und erhalten eine feinere Abstufung. Die innenliegende Ellipse füllen Sie später mit der Farbe des Bildhintergrunds. Die Lichteffekte in den beiden Kreisen entstehen ebenfalls aus Farbverläufen. Wählen Sie hier »Progressiv«, beginnen Sie mit der Farbe des Felsens und enden mit Weiß (im RGB-Modus ist das die Nummer 0). Wenn Farben und Formen der Objekte Ihren Wünschen entsprechen, fassen Sie alle zugehörigen Objekte als Gruppe zusammen und sperren diese.
Noch ein paar Hinweise, um das Bild zu vervollständigen. Falls Sie beim Selektieren immer das falsche Bildelement erwischen, versuchen Sie es einmal mit gedrückter »Shift«-Taste. Bedienen Sie sich beim Zeichnen auch des Befehls »Duplizieren«. Das Gebilde unten links in Bild 1 entstand aus einem Polygonzug, den ich jeweils mit »Control D« verdoppelt und anschließend proportional verkleinert und mit verschiedenen Tönungen übereinander gelegt habe. Un1 ter Umständen entwerfen Sie einzelne Teile in einem zweiten Fenster, kopieren sie ins GEM-Klemmbrett und fügen sie dann in die Grafik ein. Der Hintergrund entstand aus zwei mit Farbverläufen versehenen Rechtecken. Das tanzende Paar im Vordergrund ist einer Clip-Art-Serie entnommen und nur auf die passende Größe skaliert. (wk)