Klein aber Oho! Textverarbeitung G&D Text II von Hard & Soft

Bild 1. G&D Text mit allem, was dazugehört

Nein, nicht schon wieder eine Textverarbeitung, so höre ich Sie jetzt sagen, lind was nicht viel kostet, nämlich 99 Mark, kann auch nicht viel taugen. Vielleicht ändert sich Ihre Meinung, wenn Sie GD Text II erst genauer kennengelernt haben.

Da geht es schon vor dem ersten Start los. Der Programmcode beträgt laut Desktop-Information gerade mal so schlappe 170 KByte, dazu eine Resource-Datei und einige weitere Hilfsdateien. Da kann ja nichts drin stecken. Weit gefehlt, denn das Programm ist in einem gepackten Format auf der Diskette gespeichert und entpackt sich beim Starten selbsttätig auf über 380 KByte. Das Laden von Diskette geht auf diese Weise um eine Kleinigkeit schneller vonstatten, ansonsten empfiehlt sich aber der Betrieb mit einer Festplatte. Nach dem Programmstart finden Sie sich auf einem eigenen Desktop wieder, der so manchen an Ist-Word-Plus 3.15 erinnern dürfte. Tatsächlich lehnt sich »GD Text« in einigen Punkten an den grauen, alten Herrn der Textverarbeitung an, nicht zuletzt deshalb, weil beide GEM-konform geschrieben sind. Aus diesem guten Grunde kommt unser Testkandidat nicht nur mit allen TOS-Versionen (lt.Hersteller) einschließlich MultiTOS zurecht, sondern er unterstützt auch alle Bildschirmauflösungen.

Selbst Overscan bereitet keine Probleme mehr. Für ein sinnvolles Arbeiten sollte Ihr Rechner über 1 MByte RAM verfügen. Übrigens, im Gegensatz zum alten Herrn reißt sich »GD Text« nicht gleich den gesamten verfügbaren Speicher unter den Nagel, dieser Umstand ist ja für das Arbeiten unter einer Multitasking-Umgebung wesentlich. Das Programm ist deutlich auf den Einsteiger und Gelegenheitsschreiber ausgerichtet, ohne allerdings ins Niveaulose abzugleiten. In der Menüleiste finden Sie die Menüpunkte klar und übersichtlich angeordnet. Alle Einträge sind, wie Dialog- und Alertboxen übrigens auch, komplett über die Tastatur zu bedienen. Natürlich sind alle Dialogboxen flugfähig, in Eingabezeilen ist der Cusor frei positionierbar und sprungfähig. Die Richtlinien zur Benutzerführung der Gebrüder Geiß und Co scheinen hier zur Freude des Anwenders reife Früchte zu tragen. Selbst die File-Selectbox ersetzen Sieauf Wunsch durch eine fliegende Eigenkomposition, die es in sich hat. Die grundlegenden Programmfunktionen verbergen sich zusätzlich hinter den dreidimensionalen Icons, die Sie auf dem Desktop finden. Einzelne Aktionen lösen Sie z.B. durch einen Doppelklick auf das entsprechende Symbol aus oder ziehen für den Ausdruck das Dokumenten-Icon auf den Drucker.

Bild 2. In der Gesamtansicht verlieren Sie nie die Übersicht

Der etwas angestaubte Papierkorb z.B. ist einem zeitgemäßeren Reißwolf gewichen, dessen Aussehen allerdings fatalerweise dem Drucker-Icon ähnelt. Neben diesen Symbolen, deren Anzahl im Verlauf der Textbearbeitung noch zunimmt, befindet sich am unteren Bildschirmrand die Symbolleiste für die Funktionstastenbelegung. Doch kommen wir jetzt endlich zu dem Hauptanliegen einer Textverarbeitung, dem Schreiben und Bearbeiten von Texten. Daß dieses innerhalb eines handelsüblichen GEM-Fensters geschieht, bedarf wohl kaum einer Erwähnung. Erwähnenswert hingegen ist jedoch der bedauerliche Umstand, daß Sie jeweils immer nur ein Textfenster gleichzeitig öffnen können. Es sind zwar noch weitere Arbeitsfenster vorgesehen, doch dienen diese anderen Zwecken, wie Sie später noch sehen. Die Titelzeile des Textfensters enthält den kompletten Pfad und Namen des in Arbeit befindlichen Dokumentes. Falls Sie gerade im Begriff stehen, einen neuen Text zu schreiben, steht hier sinnvollerweise »Kein Text« bzw. »Kein Name«, bearbeiten Sie hingegen ein zuvor geladenes Dokument, so kennzeichnet das Programm die geänderte Version durch ein »*« vor dem Dateipfad.

Die unterhalb der Titelzeile befindliche »Info-Zeile« enthält neben der Anzeige der aktuellen Textcursorposition in Zeile, Spalte und Seite die »Tabulator-Leiste«. Hier setzten Sie durch Anklicken mit der linken Maustaste die Marken für die Tabulator-Sprünge. Ein Rechtsklick dagegen ruft eine Dialogbox auf, in der Sie die Tabulatoren auf einen einheitlichen Wert setzten. Pro Dokument verwendet GD-Text jedoch immer nur eine TAB-Leiste! Das Eintippen des Textes dürfte kein Problem sein, allerdings hätte neben dem direkten Anspringen des Satz- bzw. Zeilenendes auch die Möglichkeit zum wortweisen Springen nicht geschadet. Eine Infospalte am linken Fensterrand zeigt die zeilenabhängigen Informationen an. Das sind Absatzkennzeichen, Textmarken von 0-9 und natürlich das Seitenende in Form eines Pfeiles. Die Position des Seitenendes ist hier im Gegensatz zu den Abbsatzmarken leider nicht verschiebbar. Wenn Sie das Fenster schließen, dann legt GD Text ein Dokumentensymbol mit Dateinamen an, ein Doppelklick auf das Symbol öffnet es wieder. Erst durch das Laden neuer Dokumente vom Massenspeicher oder Verschieben des Text-Icons auf den Reißwolf entfernen Sie das Dokument aus dem Speicher.

Für die typischen Blockoperationen steht Ihnen neben dem gängigen zeilenweisen Block noch ein sogenannter Spaltenblock zur Verfügung. Sie markieren in diesem Fall einen beliebigen rechteckigen Bereich mit der Maus als Block. Den Inhalt dieses Blocks behandeln Sie analog zu den Standardblöcken. Eine Kombination beider Blockformen ist nicht vorgesehen. Neben den Blockoperationen hält unser Proband noch einige Formatierbefehle bereit, wie z.B. die Einstellung der Seitenparameter. In der betreffenden Dialogbox stellen Sie über Buttons die gewünschte Seitenlänge in Form eines DIN-Formates oder über eigene Werte wie Zeilenanzahl usw. ein. Gleichzeitig setzen Sie hier auch den linken und rechten Rand, sowie Kopf- und Fußzeilen.

Tatkräftig unterstützt Sie das Programm bei der Wahl der Einstellungen durch die »Blattvoraussicht« im linken Boxbereich, aus der Sie das Verhältnis von Text zu Blattlänge entnehmen und gegebenenfalls korrigieren. Alle Parameter beziehen sich im übrigen auf die tatsächlich bedruckbare Fläche, wobei Sie die längste Zeile des aktuellen Textes expliziert angezeigt bekommen. Sollten Sie mit den Einstellungen nicht zurechtkommen, so rufen Sie einfach die »Online-Hilfe« über den entsprechenden Button oder Taste auf. Diese Hilfestellung ist übrigens aus jedem(!) Dialog und für jeden Menüpunkt anwählbar. Allerdings trifft hier auch die harte Kritik des Testers, denn nach Verlassen des Hilfetextes hat das Programm häufig heftige Redraw-Probleme, die unter Umständen den ursprünglichen Fensterinhalt arg mit Pixelmüll verunzieren. Hier ist dringend Abhilfe geboten!

Bild 3. Der Spaltensatz im Dialog

Gänzlich unerwartet ist wohl die Funktion »Spaltensatz«. Tatsächlich können Sie nach Fertigstellung eines Textes für einen beliebigen Bereich ein mehrspaltiges Format generieren, wobei Spaltenbreite und deren Abstand untereinander frei einzustellen ist. Natürlich sollten Sie keine DTP-Leistung erwarten, aber das Ergebnis ist schon beeindruckend. Ebenfalls gut gelungen: die ausführliche Such-und Ersetzfunktion und ein kleines Schmankerl am Rande, das Einfügen des Datums an die aktuelle Cursorposition. Eigentlich fehlte mir nur noch eine Fußnotenverwaltung zu meinen Glück.

Dafür haben sich die Programmautoren bei der Grafikeinbindung nochmals mächtig ins Zeug gelegt. Über »Bild laden« befördern Sie eine maximal 640 x 400 Pixel große Grafik in ein Grafikfenster, aus der Sie dann einen Teilbereich als »Clipp« definieren und auf den Desktop als Icon ablegen. Diesen Clipp fügen Sie dann in Ihr Textdokument ein und zwar ungewöhnlicherweise in einem der vier üblichen Zeichenmodi. Also z.B. transparent oder exclusiv. Im Bedarfsfall verschieben Sie die Clipp-Position im Dokument nachträglich mit der Maus oder kopieren diese. Bis zu 255 Grafikausschnitte faßt ein Dokument, wobei Sie Grafiken der Formate Degas, Screen, Stad und GEM-Image einsetzten dürfen. Möchten Sie Ihr Bild zuvor noch nachbearbeiten, so greifen Sie auf die rudimentären Grafikfunktionen von GD Text zurück. Sogar einer Lupe zur Qualitätskontrolle ist vorgesehen.

Bild 4. So macht die Auswahl wieder Spaß, File-Select der neuen Art

Wo gerade die Rede von Formaten ist: GD Text liest neben dem eigenen Textformat und reinen ASCII-Texten auch 1st Word Plus-Dokumente ein. Das Speichern ist dagegen nur als ASCII oder im eigenen GD-Format erlaubt. Und natürlich haben Sie beim Schreiben Zugriff auf die gängigen Textattribute.

Was macht eine Textverarbeitung für einen Eindruck ohne Ausdruck? Gar keinen! Ein Klick auf den Menüpunkt »Datei/Drucken...« zeigt im Dialog die gängigen Parameter wie Papierart, Schriftbreite, Seitenanzahl etc. Unter dem Bereich »Qualität« ist neben Draft und NLQ-Ausdruck auch die Ausgabe über GDOS zu erreichen. Letztere ist prinzipbedingt etwas umständlicher. Zum einen benötigen Sie ein aktives GDOS (liegt als verbessertes »AMCGDOS« dem Programmpaket bei und muß vor Programmstart aus dem Autoordner geladen sein). Zum anderen müssen in der Datei »ASSIGN.SYS« im Wurzelverzeichnis der Bootpartition oder -disk ein entsprechender Druckertreiber und passende Fonts samt Pfad angemeldet sein. Konkrete Hilfe hierzu findet sich im Handbuch bzw. im entsprechenden Re-adme-File. Druckertreiber und Fonts gibts hier allerdings nicht?! Den für den konventionellen Ausdruck benötigten Druckertreiber installieren Sie im Bedarfsfall über das mitgelieferte Tool »GD_ Edit.PRG«. Das Vorgehen ist zwar »ein bisserl fummelig«, aber dieses Konfigurationsprogramm bietet dafür auch die Möglichkeit, die Funktionstastenbelegung oder Tastaturkürzel der Menüpunkte in GD Text zu ändern. Bevor Ihr Dokument nun Druck macht, schadet bestimmt nicht ein Blick auf die »Gesamtansicht«, die im Gegensatz zur vorhin angeführten Blattvoraussicht das endgültige Druckergebnis mit Grafik zeigt und hierbei auch die gewählten Druckereinstellungen (z.B. Proportionalsatz bei GDOS) berücksichtigt.

Insgesamt hinterläßt das Programm in der Version 1.51 einen sehr guten Gesamteindruck. Es zockelt zwar im Bildaufbau GEM-bedingt recht langsam daher, so daß ein Software-Blitter hier gute Dienste leistet. Oben angenörgelte Redrawprobleme sollten sich recht zügig in den Griff bekommen lassen. Besonders hervorzuheben ist nochmals die gute Online-Hilfe im Zusammenhang mit dem schlichten, aber brauchbaren Handbuch. Die an die Bedürfnisse eines Gelegenheitsschreibers und nicht so versierten Anwenders gerichteten Funktionen weisen vielfach einen Hang nach Höherem auf. (wk)

Hard&Soft. A Herberg, Obere Münsterstr.33-35, 4620 Castrop-Rauxel

WERTUNG

Name: GD Text II, Version 1.51
Preis: 99 Mark
Hersteller: Hard&Soft

Stärken: Niedriger Preis □ einfache Handhabung □ gute Grafikeinbindung □ einfache Spaltensatzfunktion □ konsequente Online-Hilfe

Schwächen: Redraw-Problem □ GEM-bedingt langsam □ Druckausgabe

Fazit: Nicht nur für Gelegenheitsschreiber mit schmalen Geldbeutel eine gute Gelegenheit.


Andreas Wischerhoff
Aus: TOS 01 / 1993, Seite 36

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