Sieht man sich den heutigen Arbeitsalltag an, sind Computer aus keiner Branche mehr wegzudenken« Von der kleinsten Einpersonen-Firma bis zum Weltkonzern, jeder hat sich an die Fähigkeiten der Rechenmaschine gewöhnt« Und das gilt nicht nur für Buchhaltung und Verwaltung« Auch in kreativen Bereichen haben sich die Computer durchgesetzt. Höchste Zeit, einmal nachzusehen, wie sich die verschiedenen Systeme im Alltag der DTP-Praxis bewähren.
Desktop-Publishing ist mittlerweile auf allen Computer-Systemen möglich. In großen Unternehmen wird üblicherweise der Rechnertyp auch für DTP eingesetzt, der aus der eigenen Buchhaltung oder aus der bereits existierenden DTP-Abteilung des Konkurrenz-Unternehmens bekannt ist. Grund: Geschäftsleitung und Anwender sind selten ein und dieselbe Person. Würde sich der Anwender für die Leistungsdaten entscheiden, handelt der entscheidungstragende Investor aus tiefer Angst vor einer Fehlinvestition. Gekauft wird also, was sich bereits irgendwo bewährt hat. Neues hat selten eine Chance. Apple führt als ältester DTP-Computer mit 44% der Arbeitsplätze, gefolgt vom IBM-kompatiblen Biedermann mit 37% (Die Zahlen wurden der Fachzeitschrift PAGE entnommen). Atari-Computer sind erst seit kürzester Zeit professionell DTP-tauglich und gelten aufgrund der miserablen Imagearbeit der Firma als absoluter Exot. Wenn in kürzester Zeit trotzdem über 5% der professionellen Desktop-Publisher mit einem Atari-System arbeiten und die Werbung bekannter Konzerne unter Calamus SL entsteht, muß das System durch seine Leistung überzeugt haben. Grund genug, einen kleinen DTP-Anwender-Systemvergleich anzustellen. Natürlich kann das kein Test im herkömmlichen Sinne sein, vielmehr ist es der Erfahrungsbericht eines Anwenders, der sich täglich mindestens zehn Stunden auf beiden DTP-Software-Systemen tummelt. Zur Zeit präsentieren sich die Systeme so:
Apple Macintosh verfügt über die größte DTP-Tradition, das System kann auf ausgereifte, sehr professionelle Software zurückgreifen. Jährlich erscheint mindestens ein neuer Rechnertyp oder eine neue Innovation. Professionelle Anwender müssen enorme Preise für extrem teure Hard- und Software (bzw. deren Upgrades) investieren. Normale DTP-Software kostet ohne Extras zwischen 2000 und 5000 Mark. Rechnet man den gleichen Preis für Elektronische Bildverarbeitung, Vektorgrafik-Software, Textprogramm und Zeichenprogramm dazu, kommt ein stattlicher Betrag zustande. Hinzu kommt der sehr hohe Hardware-Preis. Ist auch die Software nicht immer die beste, so ist immerhin die Hardware-Entwicklung vorbildlich. Für viel Geld gibt es viel Computer und optimalen Service.
Bereits der kleinste Mac ist DTP-tauglich. IBM-Kompatible sind dagegen erst durch Windows für DTP zu gebrauchen. DOS, das meistbenutzte und herrlich komplizierte Betriebssystem ist nicht in ausreichendem Maße Grafik-fähig. Außerdem kann DOS ohne Tricks lediglich 640 KByte RAM und eine Festplatte verwalten - im DTP-Bereich eine absolut unmögliche Einschränkung. Erst die grafische Benutzeroberfläche Windows erlaubt die Arbeit wie an Mac und Atari. Windows läuft offiziell auf jedem PC. Allerdings ist das Zweit-Betriebssystem, das dem in die Jahre gekommenen Urvater DOS aufgepfropft wird, in verschiedene Leistungsstufen unterteilt. Rechner mit 8086- oder 8088-Prozessor erlauben ebensowenig DTP wie der vor wenigen Jahren noch hochgelobte 80286-Rechner. Erst ab 80386-Prozessor wird die Verarbeitungsgeschwindigkeit erträglich. Mittlerweile läßt sich mit Hilfe eines 80486-Prozessors und viel teurer Peripherie ein DTP-System zusammenstellen, das auch für den anspruchsvollen Profi interessant ist.
Es gibt für Windows von einiger DTP-Software des Macintosh angepaßte Ableger. Die Preisgestaltung lehnt sich ebenfalls an das Macintosh-Niveau an, d.h. 2000 bis 5000 Mark pro Software ist üblich. Selbst bei mittlerweile sehr preiswerter Hardware ist eine volle DTP-Ausstattung deshalb noch immer erheblich teurer als auf einem Atari-System. Wie beim Macintosh stammen die Programme fast ausschließlich aus den USA und wurden eingedeutscht. Maßeinheiten wie Zoll und Pica-Point gehören zur Grundeinstellung, obwohl sie auf dem europäischen Kontinent kaum benutzt werden. In den USA übliches, aber für deutsche Typografen unerträgliches Letterspacing wird in der europäischen Version beibehalten.
Die Software arbeitet durchweg unter der Seitenbeschreibungssprache Postscript. Durch Postscript ist es auch simpler Software und kleinen Rechnern möglich, hochwertige Drucker anzusteuern und Filme auf dem Satzbelichter auszugeben. Der Betreiber des Satzbelichters kann Postscript-Druckdateien belichten, ohne die Software des Anwenders besitzen zu müssen. Nachteil von Postscript ist der aberwitzige Hardware-Aufwand. Jeder Drucker braucht seinen eigenen internen Rechner. Für die Satzbelichtung müssen weitere Rechner in Raster-Image-Prozessoren (RIP) arbeiten. Aber auch die Schriften-Verwaltung ist nicht ohne. Ein Font wird für den Monitor benötigt und der gleiche noch einmal für den Drucker. Und nach dem Motto »Viele Köche verderben den Brei« addieren sich die Fehlerquellen. Paßgenaues WYSIWYG (What you see is what you get) ist unter Postscript fast schon Zufall, Moires in Farbbildern sind kaum vermeidbar.
Atari arbeitet mit den gleichen 68000- und 68030-Prozessoren wie Apple, lediglich der 68040er (bei Apple im Quadra) läßt noch ein Jährchen auf sich warten. Das Betriebssystem ist, besser noch als beim sehr umständlichen Mac, vollständig im ROM. So kann man ohne die Mac-typische Diskettenwechsel-Orgie und ohne Systemdiskette arbeiten. Im Gegensatz zu Apple-Anwendern muß der Atari-Anwender immer etwas länger auf neue moderne Hardware warten und bedient sich deshalb bei der Aufstockung stärker bei Fremdanbietern. Bereits der kleinste ST läßt sich für DTP einsetzen, für einfache Arbeiten ist sogar schon ein 1-MByte-Rechner geeignet. Auch Speicheraufrüstungen sind kein Problem mehr. Die Hardware läßt sich jedem professionellen Bedarf anpassen. Die Software wurde nicht übernommen, sie ist fast ausschließlich »Made in Germany« und zeichnet sich durch Innovation und Professionalität aus. Das modulare Konzept von Calamus SL kann man durchaus als neueste DTP-Generation bezeichnen. Neben Postscript gibt es die Cala-mus-Softripping-Technologie, die insbesondere bei anspruchsvollen Aufgaben der Seitenbeschreibungssprache Postscript überlegen ist. Ganz nebenbei macht das Calamus-Prinzip den Rechner im Drucker und den teuren Rasterimage-Prozessor völlig überflüssig. Traumhaft für den Anwender ist die hohe Präzision der Belichtung - so viel WYSIWYG gab's noch nie. Je nach Software kann man mit Postscript-Schriften oder mit dem Calamus-Fontformat arbeiten. Calamus-Satzbelichter-Schriften der großen Schriften-Häuser sind oft präziser als Postscript-Schriften und finden gleichzeitig Verwendung für die Bildschirmwiedergabe, den Drucker und den Belichter. In Verbindung mit der auf dem Monitor darstellbaren Satzbelichter-Auflösung ist höchste Präzision in der Satzbelichtung möglich. Anders als bei den Konkurrenz-Systemen sind böse Überraschungen auszuschließen. So treten durch Postscript-Übersetzungs-Fehler Verschiebungen auf, die dafür sorgen, daß z.B. Überschriften im Ausdruck anders aussehen als auf*j dem Bildschirm. Patentrezepte gibt es bei solchen Pannen leider nicht. Verschiebungen sind nur mit einem geübten Auge und einer guten Portion Tüftelei beizukommen.
Auch wenn die beiden Rechnerwelten Apple-Macintosh und DOS-PC so unterschiedlich sind wie irgend denkbar, auf der Softwareseite herrscht bei beiden das gleiche Prinzip. Im Systemvergleich wird deshalb nur die aktuelle Software unter Windows herangezogen. Auf dem PC beschränkt sich der Vergleich auf die derzeit populärsten Windows-Anwendungen Photostyler, Corel Draw und Pagemaker 4.0. Seit Version 3.0 ist Windows aus Anwendersicht eine wirklich leistungsfähige Benutzeroberfläche. Die Installation geht automatisch vonstatten. In Verbindung mit hochaufgerüsteten Rechnern, und die sind am DTP-Arbeitsplatz die Regel, gibt es aber doch einige Probleme. Ursache ist das Karten-Spiel auf dem PC-Markt. Soll der Rechner mit True-Color-Großbildschirm, 32-MByte-Erweiterung, mehreren Festplatten und Druckern, sowie einem Scanner arbeiten, passen garantiert nicht alle Komponenten so zueinander, wie es sein sollte. Stört sich Treibersoftware bereits untereinander, so muß man die Zusammenarbeit mit Windows ebenfalls durch großen Zeit- und Nervenaufwand erkämpfen. Selbst ein zum Super-68030er aufgerüsteter Mega ST ist in der Regel weniger störanfällig.
Läuft endlich alles, hat Windows aber auch einige Vorteile. Muß der Atari-Anwender noch auf Multi-TOS warten, ist Windows von jeher Mulitaskingfähig. Trotz der sehr guten virtuellen Speicherverwaltung ist die Arbeit mit mehreren Programmen auf Systemen unter 8 MByte und 32 MHz nicht gerade sehr schnell (vergleichbar mit einem 8-MHz-ST). Erst Desktop Publisher, deren IBM-kompatibler Rechner eine größere Speicherplatz-Kapazität (32 MByte) hat, können die Multitasking-Fähigkeiten von Windows sinnvoll nutzen. Scannen und Bildverarbeitung vom Feinsten bietet der Photostyler. Bildmaterial wird im TIFF-Format gespeichert und kann so auch problemlos an Software der TOS-Rechner übergeben werden. Für die Gestaltung von Einzelseiten (Anzeigen, Buchtitel, Logotypes) steht mit Corel Draw eine Software zur Verfügung, die keine Wünsche in Bezug auf Spezial-Effekte offen läßt. Für größere Textmengen ist Corel Draw allerdings nicht geeignet. Unvorstellbar für Atarianer: zum Lieferumfang gehören ca. 150 professionelle Vektor-Zeichensätze und eine komplette Pantone-Farb-Palette. Corel Draw verfügt über eine eigene Farbseparation. Passermarken setzt die Software automatisch, dummerweise so dicht am Rand, daß man bei Anschnitt-Gestaltung dann doch manuelle Marken setzen muß.
Die Entwürfe lassen sich aber auch in verschiedenen Formaten exportieren, um beispielsweise im Pagemaker zu layouten. Pagemaker ist das eigentliche DTP-Pro-gramm und damit der Vergleichspartner für Calamus SL. Als älteste DTP-Software konnte der Seitenmacher seinem Namen auf den ersten Macintosh-Computern bereits Ehre machen, als der Atari ST noch nicht geboren war. Die Software blickt also auf eine sehr lange Entwicklungszeit zurück. Calamus ist seit 1988 auf dem Markt und hat sich seitdem zur modularen Profi-Software Calamus SL gemausert. Pagemaker präsentiert sich nach einem recht langen Ladevorgang als leere Fläche mit einer Anzahl Pull-Down-Menüs. Vor dem ersten Arbeitsschritt muß zunächst eine neue Datei geöffnet werden, indem die Seitengröße, der Satzspiegel, die Seitenanzahl etc. vorgegeben werden. Nach dem OK läßt sich die Anzahl der Dokumentseiten nicht mehr verändern. Auf dem Bildschirm erscheint die leere Seite (oder Doppelseite). Über die Pull-Down-Menüs lassen sich Hilfslinien für Spalten setzen, Lineale einschalten und für einige wenige Funktionen Iconfelder zuschalten. Viel besser gelöst als in Calamus sind die Linealfunktionen. Hilfslinien lassen sich einfach mit der Maus auf das Blatt ziehen, der Lineal-Nullpunkt kann ebenfalls mit der Maus frei gesetzt werden. Andererseits ist es nicht möglich, Layoutelemente numerisch zu positionieren. Da fast alle Funktionen in den Pull-Down-Menüs verstaut sind oder sich völlig ohne Hinweis hinter Tastenfunktionen verbergen, bedarf es eines ausgiebigen Handbuch-Studiums und einer langen Eingewöhnungsphase. Die unendlichen Mauswege durch völlig überfüllte Pull-Down- und Untermenüs wird bei aufwendigen Layouts schnell zur zeitraubenden Nervenarbeit. Da auch die Schriften in einem Pull-Down-Menü abgelegt sind, kann das Klappfenster auch auf dem Großbildschirm schnell die untere Bildschirmkante erreichen. Am unteren Bildschirmrand befinden sich kleine Seitenicons. Für jede angemeldete Seite eines plus der Stamm-Doppelseite, auf der alle sich wiederholenden Layoutelemente für linke und für rechte Seiten definiert werden. Die Stammseiten gelten für das ganze Dokument, es ist nicht möglich, weitere Stammseiten einzufügen. Ein Klick auf das Stammseiten-Icon und das Layout mit Spaltenhilfslinien, Linienelementen, Platzhalter für die Pagina können für das gesamte Dokument festgelegt werden. Die einzelnen Layoutseiten werden ebenfalls durch Anklicken des jeweiligen kleinen Seitensymbols an der unteren Bildschirmkante erreicht.
Im Gegensatz zu Calamus sieht der Werkzeugkasten (das Iconfeld) sehr mager aus. Neben dem Pfeil zum Selektieren der Elemente gibt es schräge Linien, 90-Grad-Linien, das Textsymbol und einfache Rahmenformen. Offiziell arbeitet Pagemaker nicht rahmenorientiert. Um einen Text in das Layout zu schreiben, muß man also keinen Textrahmen aufziehen. Der Cursor wird einfach auf der Seite plaziert und los kann es gehen. Spätestens am Ende der Zeile zeigt sich, daß sich versteckt aber doch ein Rahmen aufzieht. Selektiert man das Textfeld, wird der »Rahmen« durch zwei Begrenzungslinien mit Zugpunkten sichtbar. Die Zugpunkte ermöglichen die Größenveränderung des Textfeldes.
Paßt der Text nicht in eine Spalte, lassen sich Textflußketten bilden. Anders als bei Calamus ist das Auftrennen einer Textflußkette nicht möglich. Die Folgen sind schwerwiegend. Bei einem komplizierten Katalog-Layout, dessen kompletter Text in einer einzigen Datei geliefert und importiert wurde, kann eine einzige Korrektur die Nachbearbeitung aller Seiten nach sich ziehen. Hinzu kommt, daß die Seitenzahl eines Dokuments nachträglich nicht mehr zu ändern ist. Bei Speicherplatz-Mangel kann man ein fertiges Layout deshalb nicht wie unter Calamus einfach in zwei Dateien aufspalten. Unter ungünstigen Umständen können durch solche Unzulänglichkeiten wichtige Termine platzen. Und ein geplatzter Termin ist teuer oder bedeutet sogar den Verlust des Kunden. Hinzu kommt der Horror »Postscript«. Haben Sie das Layout eines vielseitigen, detailreichen Katalogs fertig, so muß die Datei für die Belichtung in eine Print-Datei gewandelt werden. Die dazu notwendige Veränderung des Druckertreibers verschiebt unter Umständen die Texte um mehrere Zeilen, so daß Sie alle Seiten nachbearbeiten müssen. Es empfiehlt sich also, Texte in kleine Portionen aufzuspalten.
Die Texteingabe im Layout ist erheblich schneller als unter Calamus SL. Alle sonstigen Textfunktionen sind im Vergleich zur Atari-Software mehr als dürftig. Punktwerte lassen sich nur bis auf einen halben Punkt genau definieren. Dehnen und Stauchen der Zeichensätze geht nur über jeweils drei Festwerte. Die Laufweite läßt sich nur durch die grobschlächtige Einteilung »Normal, Weit, Sehr Weit, Schmal, Sehr Schmal« beeinflußen. Der Zeilenabstand kann nur bis auf einen halben Punkt definiert werden und ist am Spaltenende üblicherweise falsch. Kursivieren geht nur in einem Winkel. Vorbildlich hingegen ist die Möglichkeit, Text per Mausklick in Kapitälchenschrift zu wandeln. Drehtext ist lediglich im 90-Grad-Winkel machbar. Für Werber ein gewaltiges Manko. Noch schlimmer ist die Blocksatzverarbeitung. Um lückenarmen Text zu erreichen, greift Pagemaker auf die simpelste, typografisch aber schlechteste Lösung zurück: das Letterspacing. Die Spationierung wird von Zeile zu Zeile geändert, um die Buchstaben auf die Zeile zu verteilen. Text-, Grafik oder Bildimport sind einfacher als in Atari-Programmen. Lediglich die Datei auswählen, die Software sucht sich automatisch den richtigen Treiber. Selbst kritische Dateien, die in anderer Software nicht akzeptiert werden, lassen sich meistens laden. Die Bildnachbearbeitung ist im Gegensatz zu Calamus SL mehr als dürftig, auch das Raster läßt sich nicht so exakt beeinflussen, wie es Calamus SL-Anwender gewohnt sind. Lediglich die Rasterweite und die Winkelung bei Graubildern ist bestimmbar, nicht die Form des Punktes oder Farbwinkelung. Letzteres geht schon deshalb nicht, weil Pagemaker ohne Hilfs-Software nicht in der Lage ist, Farbseparation vorzunehmen. Lediglich Vollton-Farbauszüge lassen sich ausgeben. Erst durch Zusatzsoftware erreicht man eine Separation, deren Qualität aber nicht unumstritten ist. Moires sind nur schwer zu vermeiden.
Linien stehen nur in kleiner Auswahl zur Verfügung und lassen sich in der Stärke nicht manipulieren. Farben lassen sich dagegen komfortabel mischen oder aus der Pan-tone-Palette entnehmen. Das Drehen von Bildern, Grafiken und Linien ist wieder nicht möglich. Besonders erschwerend bei der täglichen Arbeit: Rahmengruppen sind nicht möglich. Lästig ist die Anfertigung der Postscript Print-Dateien für die Satzbelichtung. Speichert der Calamus-Anwender lediglich seine Datei und hat Feierabend, so schreibt der Pagemaker-Anwender seine PRN-Datei auf die Wechselplatten-Cartridge.
Regelmäßig kann diese Tätigkeit weit über eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen, wenn große Bilddateien im Dokument vorhanden sind (was eigentlich üblich ist)! Sinnigerweise ist diese Zeit nicht Multitasking-fähig. Der Rechner ist blockiert. Unter Umständen muß man den Vorgang wiederholen, wenn nämlich auf dem Film nach der Satzbelichtung die gefürchteten Postscript-Fehler aufgetreten sind.
Calamus SL präsentiert sich als neue DTP-Generation. Alle Programm-Bestandteile sind in Modulen untergebracht, die sich der Benutzer nach eigenem Bedarf zusammenstellen kann. Beim Programmstart lädt SL alle vom Anwender gewünschten Module und Schriften automatisch. Alle Grundeinstellungen lassen sich im Setup speichern, damit der Anwender Calamus SL nach dem Start gleich so vorfindet, wie er es möchte. Im Gegensatz zum Pagemaker befinden sich nur die wichtigsten Grundfunktionen gut aufgeräumt in drei Pull-Down-Menüs. Eine Icon-Steuerleiste ermöglicht die Anwahl der einzelnen Module, die Wahl der Abbildungsgröße und die numerische Rahmendefinition. Außerdem lassen sich hier Stammseiten ein- und ausschalten. Seiten umblättern, aufrufen und definieren.
Die Auswahl eines Menüs schaltet automatisch ein neues Icon-Bedienfeld ein, welches wiederum logisch sortierte Iconfelder hat. Das auf den ersten Blick verwirrende Konzept ist so genial, daß es die Bedienung des hochkomplexen Programmes innerhalb kürzester Zeit erlernbar macht. Genial auch die Idee, zu jedem Icon, welches der Mauszeiger berührt, einen erklärenden Kurztext rechts oben im Bildschirm einzublenden. Schön für Großbildschirm-Besitzer ist auch die Möglichkeit, die Bedienfelder zu vervielfältigen und so die häufig benutzten Icons immer in der Nähe zu haben. Abgerundet wird der Bedienkomfort durch die Fähigkeit der Software, alle Funktionen individuell auf Taste zu legen oder ganze Arbeitsabläufe im Tastatur-Recoder aufzuzeichnen und auf Tastendruck ablaufen zu lassen.
Beim Öffnen eines neuen Dokuments wird zunächst eine Standard-Seite zur Verfügung gestellt. Seitenmaße, Satzspiegel und Hilfslinien lassen sich jederzeit ändern. Die Anzahl der Stammseiten ist unbegrenzt, zudem sind Stammseiten getrennt speicherbar. Die Nullpunktsetzung des Lineals ist nur numerisch möglich, ergänzend zu den Spaltenhilfslinien und den frei setzbaren Hilfslinien lassen sich frei definierbare Hilfsraster in den Hintergrund legen. Die Anzahl der Hilfslinien und ihre einzeln schaltbaren Eigenschaften lassen keinen Wunsch offen. Unentbehrlich für maßgenaues Gestalten ist die Fähigkeit, Rahmen auch numerisch zu positionieren und in der Größe zu variieren. In Calamus SL ist das mit vier Stellen hinter dem Komma möglich.
Stammseiten lassen sich ebenso layouten wie normale Seiten und stehen in beliebiger Anzahl zur Verfügung. Seiten lassen sich jederzeit hinzufügen, entfernen, verschieben oder in der Größe variieren. Ebenfalls vorbildlich: Bis zu sieben Dokumente sind gleichzeitig verfügbar. Umständlicher als im Pagemaker ist die Rahmenbehandlung gelöst. Vor jedem Arbeitsschritt muß man einen entsprechenden Rahmen aufziehen. Ein großer Vorteil ist hingegen die Möglichkeit, Rahmen vor ungewollter Veränderung zu schützen oder zu gruppieren. Das Clipboard mit beliebig vielen Ablagen ist eine enorme Arbeitserleichterung. Umständlicher, unübersichtlicher aber um Welten leistungsfähiger im Vergleich zum Pagemaker sind die Text- und Schrift-Funktionen. Während man im Pagemaker jede Einstellung immer wieder wiederholen muß, lassen sich in Calamus SL Textstile festlegen und sogar speichern. Mit nur einem Klick ist so eine Stiländerung realisiert. Gleiches gilt für Farben und Muster. Textflußketten sind frei definierbar, änderbar und jederzeit aufzubrechen. Aufwendiger, dadurch aber genauer, ist die Definition von Textlinealen (ebenfalls speicherbar), lediglich bei extremen Gestaltungsaufgaben, wie der Änderung des Durchschusses nach jeder Zeile (siehe Kalenderblatt, Bild 5) wird die Neudefinition des Textlineals in jeder Zeile zur Tortur. Glücklicherweise sind solche Fälle recht selten.
Optimal ist die Blocksatz-Funktion. Calamus SL bietet alle Möglichkeiten für einen typographisch sauberen Blocksatz ohne Letterspacing. Manuelles Kerning ist sehr exakt möglich, Laufweite und Durchschuß sind präzise definierbar, wie auch die Kursivierung und die Dehnen/Stauchen-Möglichkeit. Alle Rahmen, Linien und Grafiken sind ebenso frei drehbar wie der Text. Für die präzise Arbeit vergrößert eine Lupe bis .zum kleinsten Detail. Auch an die Satzbelichter 1:1-Auflösung ist gedacht. Rasterwinkel, -weite, -drehung und sogar die Form des Rasterpunktes sind manipulierbar.
Sowohl die Bild- als auch die Grafikbearbeitung sind sehr vielseitig. Der Vektor-Editor ist sogar ein kleines Vektorgrafik-Programm im Programm. Selbst ein Autotracer fehlt nicht. Durch das modulare Konzept ist auch die Einbindung eines Multimedia-Moduls möglich.
Kein Gestaltungswunsch, der mit Calamus SL nicht möglich wäre. Trotzdem gibt es immer wieder Ärgernisse. In einem so durchdachten Programm ist die mangelnde Fähigkeit, Dateien der Standard-Textprogramme (MS Word, Word Perfekt 5.1, DOS Word, Works, Mac Write etc.) anderer Computerwelten lesen zu können und moderne Postscript Laserdrucker anzusteuern, einfach ärgerlich. Schließlich stammen Texte in der Regel vom Kunden und wurden auf einem anderen Rechnertyp geschrieben. Schlechter als im Pagemaker ist der Layout-Text-Editor, er ist erheblich langsamer und akzeptiert kein Return. Ohne das eingebaute PKS-Write-Modul geht nichts.
Farbseparation gehört bei Calamus SL zum Lieferumfang. Die Manipulation der Farbseparation über sieben Kennlinien ist nicht gerade einfach, ermöglicht aber ein optimiertes Belichtungsergebnis. Für die Belichtung benötigt das Belichtungs-Studio lediglich die Datei, die Zeit für das Berechnen einer Print-Datei läßt sich sinnvoller nutzen. Calamus schlägt den Pagemaker fast in jeder Sparte, ein funktionierender (!) Dataformer, mehr Importformate und die Möglichkeit, beliebige Postscript-Drucker direkt anzusteuern, würden aus Calamus SL ein vorbildliches Design-System machen. Wenn es Atari und DMC dann auch noch gelänge, Vertrauen beim Investor zu schaffen, wäre der Erfolg vorprogrammiert. Auf einem anderen Rechnersystem wäre Calamus SL mit Sicherheit schon jetzt ein Verkaufsschlager. (wk)