Atari DTP in der Anwendung: Broschüren gestalten mit dem Publisher

Nachdem wir uns in der letzten Ausgabe mit dem Verpackungsproblem befaßt haben, kommen wir dem Endverbraucher noch ein Stückchen naher. Das aktuelle Thema heißt Werbung, die Aufgabe: eine Broschüre.

Es tut sich etwas auf dem deutschen DTP-Markt. Auch Calamus SL hat sich zu einem zuverlässigen Produkt gemausert. Die letzten Updates haben die Software zu einem sehr interessanten Arbeits-Werkzeug für Desktop-Publisher gemacht. Das Programm entwickelt sich mehr und mehr zur grafischen Benutzeroberfläche für alle gestalterischen Aufgaben.

Trotz des halbherzigen Marketings der Firma Atari erobert sich, will man der Fachpresse Glauben schenken, Calamus einen festen Platz in der sonst von Macintosh und PC dominierten DTP-Szene.

Wenn es noch nicht der Platz ist, der einem so vielseitigen Programm gebührt, dann liegt das einfach an unnötigen Inkompatibilitäten zu bestehenden Standards der anderen Computer-Welten. Da aber jeder Software-Entwickler auch Geld verdienen möchte, dürfte es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis auch Calamus die Marktposition erreicht, die Produkte wie Corel Draw oder Quark XPress in kürzester Zeit erreicht haben.

Bild 1. Die Lithos werden klassisch erzeugt und anstelle der Platzhalter einmontiert
Bild 2. Eine Umschlagseite, links U4 (Rückseite), rechts U1 (Vorderseite)

Doch genug der Philosophie - für alle Schon-jetzt-Anwender geht's wieder in die Praxis. Eine sehr häufige DTP-Aufgabenstellung, mit der wir uns heute befassen wollen, ist die Produktion einer Broschüre. Fast jeder Auftraggeber veröffentlicht irgendwann eine Produktübersicht, eine Firmendarstellung, einen Katalog oder sogar ein Periodikum. Ein solcher Auftrag ist sehr arbeits- und planungsintensiv. Um festzustellen, ob Sie den Auftrag termingerecht und zu Ihrer finanziellen Zufriedenheit ausführen können, ist es unumgänglich, einige Fragen mit dem Auftraggeber vorab ausführlich zu klären. Die Checkliste für das Vorgespräch könnte folgende Punkte enthalten:

Anhand der Checkliste läßt sich feststellen, ob man den Auftrag annehmen kann oder nicht. Bei der Zeitplanung sollten Sie unbedingt computertypische Katastrophen (Probleme mit gelieferten Dateien, Schwierigkeiten im Belichtungsstudio) berücksichtigen. Wesentlich für die Berechnung des Zeitaufwands ist die Form der Auftragsübergabe. Texterfassung ist nicht jedermanns Sache und üblicherweise auch nicht die Arbeit des Layouters. Normalerweise liefert der Auftraggeber die Texte auf Diskette. Hier ist natürlich Vorsicht geboten, insbesondere wenn man noch mit einem älteren ST arbeitet, und das ist nicht gerade selten der Fall. Steht kein HD-Laufwerk zur Verfügung, müssen Sie für die Datenübergabe auf 3,5-Zoll-DD-Disketten bestehen. Macintosh-Dateien sollten natürlich auf einer IBM-formatierten Diskette geliefert werden. Steht kein Dataformer-Modul oder keine andere Konvertierungs-Software zur Verfügung, ist auf ein lesbares Dateiformat (z.B. Word Perfect 4.2) zu achten. Auf jeden Fall sollte der Text zusätzlich im ASCII-Format vorliegen, das läßt sich mit Sicherheit lesen. Steht nur ein Scanner für Aufsichtsvorlagen zur Verfügung, sollten Sie bereits bei der Auftrags-Annahme entsprechende Vorlagen anfordern.

Bei der Zeitplanung müssen Sie jede Schwierigkeit berücksichtigen: Die Texterfassung dauert beispielsweise länger als der Textimport. Der ASCII-Text muß unter Umständen nachbearbeitet werden. Falsch eingegebene Texte (z.B. Leertasten sind für Einzüge gesetzt) ziehen meist ärgerliche Verzögerungen nach sich. Problematisch ist auch schlechtes Bildmaterial. Kleinformatige, unscharfe Farbfotos erfordern oft aufwendige Bearbeitung in einem EBV-Programm (z.B. tms Cranach oder Retouche Professional), von Dias müssen unter Umständen brauchbare Aufsichtsvorlagen in Auftrag gegeben werden. Auch die Zeit für die Satzbelichtung gehört in den Terminplan, wobei natürlich fehlerhafte Filme und Satzfehler nicht sehr unwahrscheinlich sind.

Schließlich gehört in das Time-Management die eigene Hard- und Software-Ausstattung. Minimum für einen solchen Auftrag ist ein Mega ST4 mit Wechselplatten-Laufwerk und Laserdrucker sowie Scanner oder externe Scanmöglichkeit. Der bessere Arbeitsplatz besteht natürlich aus einem TT mit maximalem Speicherausbau, großer Festplatte, Wechselplattenlaufwerk, Großbildschirm, Scanner und Laserdrucker. An Software benötigt man eine Textverarbeitung, Scansoftware, eine Bildverarbeitung, einen Autotracer, Grafiksoftware, das DTP-Programm und eine Grundausstattung an Zeichensätzen. Es muß wohl nicht erwähnt werden, daß für die Farbverarbeitung eine Grafikkarte und ein Farbmonitor unverzichtbar sind. Alternativ ist noch ein guter Farbdrucker denkbar. Nach der Überprüfung des Time-Managements und dem Abgleich aus Anforderung und eigenen Möglichkeiten fällt die Entscheidung, ob Sie den Auftrag terminlich bewältigen können und ob sich Ihr Preis mit den Vorstellungen des Auftraggebers in Einklang bringen läßt. Ist es zur Einigung mit dem Klienten gekommen, beginnt die eigentliche Arbeit.

Zunächst wird das Material gesichtet und für die Arbeit vorbereitet. Drucken und überprüfen Sie die Texte und sichten Sie das Bildmaterial auf Tauglichkeit. Geben Sie Dias, soweit kein Diascanner zum Equipment gehört, an ein Labor, um Aufsichtsvorlagen anzufertigen. Das Bildmaterial gilt es zu scannen, nötigenfalls nachzubearbeiten und/oder zu vektorisieren. Für die Bildbearbeitung eignen sich neben anderen Programmen Retouche bzw. Retouche Professionei und tms Cranach bzw. tms Cranach Studio. Einfache Farb-/ Helligkeitskorrekturen erreichen Sie auch direkt in Calamus durch Kennlinienbearbeitung. Für die Vektorisierung gibt es unterschiedliche Autotracer. Neben tms Vektor, Avant Vektor und Convector 2 steht jedem Calamus SL-Besitzer auch das zum Lieferumfang gehörende Speedline zur Verfügung. Seit dem Update vom 15.4.92 ist auch dieser Autotracer für umfangreiche Grafiken geeignet. Ist das Material entsprechend aufbereitet, fertigen Sie ein Rohlayout auf Papier an und versehen es mit typographischen Angaben. Liegen das Material und das Rohlayout vor, kommt endlich die DTP-Software zum Zug. In unserem Fall stand Calamus SL zur Verfügung. Vor dem Aufbau des Dokuments empfiehlt es sich, zu prüfen, ob man das komplette Dokument, sozusagen in einem Stück, verarbeiten kann. Liegt eine umfangreiche Broschüre mit zahlreichen Graustufen- oder Farbbildern vor, verkraftet ein 4-MByte-Rechner das Dokument wohl nur »häppchenweise«. Für die Belichtungsdaten kommt üblicherweise nur eine Wechselplatten-Cartridge in Frage. Den Umschlag der Broschüre legt man am besten als gesondertes Dokument an, da er »in einem Stück« gedruckt wird und deshalb ein anderes Format hat, als der Innenteil der Publikation. Das Cover-Dokument hat zwei Seiten im Querformat, wenn kein zu teilendes Überfomat vorliegt. Seite 1 besteht aus der U4 (Rückseite, links angeordnet) und der U1 (Vorderseite, rechts angeordnet). Kommen Klappentexte hinzu, steht der hintere Klappentext ganz links, der vordere Text rechts. Seite 3 wird aus der U2 und der U3 gebildet. Die U2 steht links, die U3 rechts. Zur Größe des fertigen Periodikums rechnet man Platz für Passer- und Schnittmarken hinzu und legt eine entsprechende Stammseite an.

Für die Plazierung der Schnittmarken gibt es einen kleinen Trick: Ziehen Sie einen Raster-Rahmen auf und bringen ihn numerisch auf die Größe des fertigen Druckwerks. Ist der Rahmen mittig plaziert, setzen Sie an den Kanten Hilfslinien. An den Hilfslinien lassen sich in ausreichendem Abstand die Schnittmarken und Passerkreuze positionieren. Calamus SL-Besitzer finden die Passerkreuze als Vektor-Dokument im Ordner »Vektor« des Updates vom 15.4.92. Handelt es sich um ein Farbdokument, müssen die Passer- und Schnittmarken mit der im Lieferumfang der Software enthaltenen Farbseparations-Kennlinie versehen sein. Ist die Stammseite fertig, speichern Sie sie und schalten für die Umschlaggestaltung auf die Layoutseite um. Oft gehen Abbildungen oder Hintergrundfarben über den Anschnitt, das heißt, bis an den Papierrand. Für die Produktion muß ein solcher Hintergrund das beschnittene Format (Format der fertigen Broschüre) um mindestens 7mm überragen. Die Schneidemaschinen der Hersteller sind so ungenau, daß sonst unansehnliche »Blitzer« an den Rändern entstehen. Die »angeschnittenen« Abbildungen ragen also über das Endformat hinaus. Durch diese drucktechnischen Notwendigkeiten ist das übliche Satzbelichterformat schnell überschritten. Das Drehen solcher Dokumente ist dank Calamus zwar möglich, dauert aber extrem lange und treibt die Belichterkosten in die Höhe. Sollte das Coverlayout breiter sein, als es der Satzbelichter ohne Drehung erlaubt, empfiehlt es sich, das Dokument geteilt auszugeben, die Filme lassen sich für die Druckplattenbelichtung schließlich wieder zusammenmontieren. Das Teilen des Dokuments geschieht am besten manuell, durch sinnvolles Anlegen der Teilslücke.

Calamus SL kann das dank Teiledruck-Funktion auch automatisch. Über das Rahmenmodul gelangt der Anwender in das entsprechende Bedienfeld und kann (seit dem 15.4.92) im komfortablen Teiledruck-Formular Aufteilung und Überlappung der Teilstücke definieren. Leider ist das System aber noch nicht ganz ausgereift. Ein »Zerschneiden« von Textblöcken oder Rastergrafiken durch die Teile-Automatik ist nicht empfehlenswert und beim Versuch der Ausgabe stellt sich heraus, daß lediglich ganze Vielfache des Seitenformats geteilt werden können. Unangenehmerweise erkennt die Software dabei das Format DIN A4 nicht als Hälfte von A3 an. Zum Glück verfügt die Software auch über die Definitionsmöglichkeit frei einstellbarer Teilstücke. Ist das entsprechende Icon selektiert, läßt sich ein Teiledruckrahmen, unabhängig von Größe und Positionierung, aufziehen. Wird im Druckformular der Teiledruck-Button selektiert (das kann natürlich auch im Belichtungsstudio geschehen) druckt SL das gewünschte Teilstück. Vorteil dieser Methode ist die freie Positionierbarkeit der Drucksegmente. Ein »Schnitt« durch Textblöcke oder Bilder läßt sich so vermeiden. Übrigens sollte man auch eine in den Hintergrund gelegte Farbfläche nicht teilen, weil beim Druck Farbabweichungen auftreten.

Bild 3. Eine komplette Doppelseite mit Schnittmarken

Da das Cover normalerweise auf einem anderem Druckträger produziert wird als der Inhalt, ist bei Rastergrafiken auf die entsprechende Rasterweite zu achten. Noch immer ist der Irrglaube weit verbreitet, daß ein sehr feines Raster automatisch die bessere Abbildungsqualität erzeugt. Das gilt nur auf sehr hochwertigem Papier. Auf einfachem Werkdruckpapier »schmiert« ein feines Raster im Druck bis zur Unkenntlichkeit zu. Gute Druckergebnisse erzielt man auf mittelfeinem Papier mit einem 30er bis 40er Raster, Illustrationspapiere erlauben ein 48er Raster und gestrichene Kunstdruck-Papiere kann man mit einem 54er bis 60er Raster bedrucken.

Für den Inhalt sind mindestens zwei Stammseiten nötig, eine für die linke und eine für die rechte Seite. Rubriken machen zumeist die Definition gesonderter Stammseiten nötig. Die optimale Stammseitenverwaltung in Calamus SL erleichtert die Arbeit erheblich. Sind alle Stammseiten definiert, erzeugen Sie die Layoutseiten. Je nach Speicherausbau Ihrer Hardware und Umfang des Projektes arbeiten Sie in einem oder mehreren Dokumenten. Im Textstilmenü definieren Sie die benötigten Textstile und sichern sie. Für die Paginierung positionieren Sie den entsprechenden Platzhalter (Text-Modul, Befehlsgruppe Werkzeuge) und definieren die Art der Paginierung im Seiten-Numerierungs-Formular (Seiten-Modul). Nach dem Neuberechnen des Textes setzt Calamus SL die Seitenzahlen automatisch ein. Vorsicht ist nach Änderungen im Dokument geboten, die Seitenzahlen ändern sich nicht automatisch, jede Verschiebung im Dokument macht die Neuberechnung des Textes erforderlich. Textblöcke und Bilder werden nach Layout gesetzt. Tips hierzu finden Sie in den vorangegangenen Ausgaben der TOS. Die Qualität der Calamus-Raster erlaubt für die meisten Anwendungen die direkte Einbindung des Bildmaterials. Sollten hohe Ansprüche des Auftraggebers die Verwendung klassischer Farblithos erforderlich machen, läßt sich im Seitenumbruch ein Platzhalter einfügen. Das Litho wird dann nachträglich in den Offset-Film montiert. Für den Offsetdruck belichtet man die Filme im Normalfall mit 1270 dpi 1:1 seitenverkehrt positiv. Anspruchsvolle Gestaltungsarbeiten, insbesondere bei der Separation von Farbbildern mit feinem Raster sollten Sie mit 2540 dpi belichten. Fragen Sie in Ihrem Belichtungsstudio, ob man dort über spezielles Filmmaterial für Lithos verfügt. Die hohe Auflösung birgt allerdings auch eine Gefahr in sich. Sehr feine Linien werden bei einer Auflösung von 2540dpi unter Umständen so fein, daß sie nicht mehr druckbar sind. Linien müssen also entsprechend fetter angelegt sein. Empfehlenswert ist eine Probebelichtung vorab.

Bei der Farbgestaltung verlangen einige Druckereien Proofs als Vorlage. Die meisten Belichtungsstudios verfügen überein Proofsystem und übernehmen diese Tätigkeit. Die Proofkosten sind erheblich, deshalb lohnt sich die Nachfrage, ob auch Ausdrucke aus dem Farbdrucker akzeptiert werden. In Frage kommen allerdings nur Farbsublimations- oder Thermotransferdrucker mit ausreichender Auflösung. Natürlich ist ein solcher Ausdruck nicht farbecht, aber die Farbzuordnung läßt sich bereits ausreichend kontrollieren. Auch Proofs sind schließlich nicht hundertprozentig farbentreu. So, damit wären wir auch diesmal wieder am Ende unserer Tips. Es bleibt uns nur noch, Ihnen ein fröhliches Layouten zu wünschen. (wk)


Rüdiger Morgenweck
Aus: TOS 08 / 1992, Seite 52

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