Der Griff zu den Sternen: Geerdes neuer Sequenzer StarTrack im Test

Bild 1. Der Pattern-Editor erinnert stark an Cubase

Treue TOS-Leser wissen bereits seit der Ausgabe 3/92 von den Plänen der Firma Geerdes MIDIsystems, den Musikmarkt um einen weiteren Sequenzer zu bereichern. Wir hatten nun Gelegenheit, eine zugegebenermaßen recht frühe Version (0.9) - sozusagen mit nur eingeschränktem WARP-Antrieb - in Augenschein zu nehmen.

»Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben«, bemerkte unlängst ein kluger Kopf bei anderer Gelegenheit. Doch läßt sich diese Maxime ohne größere Schwierigkeiten auch auf den ST Sequenzer-Markt übertragen, gilt doch das Angebot an Recording-Software für diesen Rechner als weitgehend gesättigt. Es bedarf daher schon einigen Einfallsreichtums, um auf diesem schwierigen Terrain Fuß zu fassen. »MIDIshare«, »WIMOS« und moderate Preisgestaltung heißen die wesentlichen Ingredenzien der Gewürzmischung, mit der man bei Geerdes versucht, StarTrack seinen Kunden schmackhaft zu machen. Bei MIDIshare handelt es sich um ein MIDI-Tasking-System französischer Manufaktur, das durch die Freigabe als Public Domain auch dem engagierten Hobby-Programmierer mit seinem kompletten Leistungsumfang zur Verfügung steht. In wieweit diese sicherlich höchst lobenswerte Idee in der Praxis Verwendung findet, steht zumindest zum Zeitpunkt dieses Berichts noch in den Sternen, liegt uns doch bislang noch keine Dokumentation der Software-Schnittstellen vor. Auch die mitgelieferten De-mo-Accessories verschließen sich dem interessierten Programmierer dank fehlender Quelltexte. Zudem ist bei nicht installiertem MIDIshare der sichere Systemabsturz mit vorheriger charmant-französischer Alertbox »MIDISHARE n'est pas installe« vorprogrammiert. Doch sollte sich dieses Manko ja relativ problemlos beheben lassen und darf unseren Blick für unser eigentliches Testobjekt, den StarTrack Sequenzer, nicht trüben. Dieser präsentiert sich als klarer Vertreter der erweiterten Cubase-Philosphie. Wie auch bei diesem Übervater modernen Sequenzer-Designs arbeiten Sie in Fenstern, die Ihr musikalisches Material als sogenannte Parts auf einer Zeitachse in X-Richtung darstellen, die einzelnen Spuren sind hierbei in Y-Richtung organisiert. Im Gegensatz zu Cubase bietet StarTrack allerdings nicht nur ein einziges Arrange-Window, sondern gleich drei an der Zahl, nämlich das Pattern-, Song-, und Performance-Window. Das Pattern-Fenster ist dabei am ehesten mit dem Cubase Arrange-Window oder der Live Song-Page vergleichbar. Hier nehmen Sie Ihr musikalisches Material auf bis zu 32 Spuren auf, wobei Sie mit Hilfe einer per rechtem Mausklick aufrufbaren Toolbox (kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor ?) bereits aufgenommenen Parts in mannigfaltiger Weise zu Leibe rücken. Die Spalte neben der eigentlichen Trackliste, auch Info-Line genannt, enthält die jeweils zur gerade aktiven Spur gehörigen Play-Parameter wie z.B. Lautstärke, Delay oder Program-Change. Die Anzahl der hier angezeigten Parameter läßt sich über ein Pop-Menü festlegen. Möchten Sie den Platz der Info-Line lieber zur Darstellung von Parts nutzen, verschwindet sie per Tastendruck.

Anstelle der defaultmäßig hinter den Tracknamen erscheinenden MIDIkanäle, gestattet StarTrack auch das Einblenden von Slidern, mit deren Hilfe Sie beliebige Controller-Daten, (z.B. Lautstärke, Program-Changes oder Pitch-Bending) senden und aufnehmen. Leider gilt die per Pop-Up vorzunehmende Controller-Belegung der Schieberegler für alle Slider gleichzeitig. So ist es beispielsweise nicht möglich, auf Kanal 1 die Lautstärke und dann auf Kanal 2 das Panorama zu ändern, ohne vorher die Slider neu zu definieren.

Zur Kontrolle der einzelnen MIDI-Daten bietet StarTrack bislang nur einen Grid-Editor, doch ist für künftige Versionen die Implementation eines Key- und Drum- Editors fest geplant.

Bild 2. Bei drei Fenstern wird es auf dem SM 124 schon sehr unübersichtlich

Ein StarTrack-Song ist nicht auf ein einziges Pattern-Window begrenzt. Vielmehr kann er aus mehreren Pattern bestehen, die Sie in der nächsten Hierarchie-Stufe, dem Song-Window, arrangieren. Einzelne Pattern erscheinen hier wiederum als Parts, die Sie nach Belieben schneiden, kopieren und verschieben.

Zusätzlich lassen sich auch die bis zu sechzehn Songs im Performance-Fenster zu einem groß-musikalischen Ablauf zusammenstellen. Eine Besonderheit des Sequenzers besteht in seiner Fähigkeit, Pattern und Songs mit verschiedenen Tempovorgaben in der jeweils höheren Hierarchiestufe zu verbinden. Das heißt, Sie nehmen z.B. auf Pattern 1 ein Rhythmusarrangement mit Tempo 120 auf. Ergänzend dazu spielen Sie in Pattern 2 eine Percussionbegleitung mit Tempo 100 ein. Beide Pattern lassen sich anschließend im Song-Window parallel abspielen. Auf diese Art und Weise erzielen Sie relativ unkompliziert polyrhythmische Strukturen. Auch minimalistische Kompositionen à la Steve Reich sind so einfach zu realisieren.

Etwas andere Wege ging man bei Geerdes auch beim Konzept der Locator und Song-Pointer Marken. Hat in herkömmlichen Systemen die Position der Locator und Song-Positionen Song-übergreifende Gültigkeit, so gestattet StarTrack individuelle Markierungen für jedes einzelne Fenster. Wenn diese Vorgehensweise dem Musiker auf der einen Seite auch größere Freiheiten bietet, so verlangt sie auf der anderen Seite allerdings einen weitaus größeren Durchblick, will man nicht mitten in der Arbeit die Orientierung über die diversen Settings verlieren. Eine wahlweise Einstellung beider Formen ist hier wünschenswert, denn nicht alles, was technisch machbar ist, zeigt auch immer eine positive Wirkung. Das Fenstermanagement obliegt WIMOS, dem hauseigenen »Windows & Moduls Operatingsystem«, das in seiner Bedienung überwiegend an das GEM-Pendant anknüpft. Doch finden sich auch Bereiche, in denen WIMOS vom gewohnten ST-Handling abweicht.

So sind unter WIMOS alle geöffneten Fenster aktiv. Haben Sie beispielsweise das Song-, Pattern- und Grid-Editor Fenster geöffnet, und starten Sie einen Song, laufen in allen drei Fenstern die Song-Poin-ter mit. Zudem verfügt jedes Fenster über seine eigenen Laufwerkbuttons und Locator/Song Marker. Es läßt sich also ein einzelnes Pattern unabhängig von einem Song oder der Performance starten. Wohl dem, der genügend Platz auf seinem Bildschirm hat.

In diesem Sinne fällt dann auch unser Fazit aus. Bei StarTrack handelt es sich um einen Sequenzer mit vielen guten Ideen, deren Handhabung aber häufig noch etwas sperrig und unhandlich erscheint. Zwar hat man sich bei der Gestaltung auf das bewährte Cu-base-Konzept verlassen, erreicht aber längst nicht dessen Qualität hinsichtlich der Benutzerführung und grafischen Gestaltung. Angesichts des Preises von 298 Mark ist aber sicher mancher Anwender bereit, hier andere Wege zu gehen. Zweifelhaft erscheint uns aber, ob die mittlerweile sowieso etwas Multitasking-müde MIDI-Klientel bereit ist, ein weiteres, erneut inkompatibles MIDI-Tasking-System zu akzeptieren, sei es PD oder nicht. Viel hängt davon ab, wie schnell das Angebot an weiteren Modulen wächst. (wk)

Geerdes midisystems, Bismarckstr 84, 1000 Berlin 12

WERTUNG

Name: StarTrack
Preis: 298 Mark
Hersteller: Geerdes MIDIsystems

Stärken: flexibles Fensterkonzept □ verschiedene Tempi parallel möglich □ günstiger Preis

Schwächen: teilweise unübersichtlich □ Handhabung nicht immer optimal

Fazit: Preisgünstiger Sequenzer für den Kunden mit dem besonderen Geschmack. Für Einsteiger nur bedingt geeignet.


Kai Schwirzke
Aus: TOS 05 / 1992, Seite 102

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite