Interview: Ich bin eigentlich gar kein Techniker...

... verriet uns Michael Hotop, einer der bedeutendsten Produzenten von Synthesizer-Sounds in unseren Landen. Wir wollten in unserem Gespräch wissen, welche Sorgen und Note diese Branche der Musikindustrie plagen.

TOS: In einer großen Keyboardzeitschrift äußerten neulich diverse Synthesizer-Hersteller, ein Großteil der Kunden lege keinen Wert auf ausgefallene Sounds oder Syntheseverfahren, sondern benötigen vielmehr genormte Klänge wie Gitarre, Baß und Klavier als Arrangierhilfe. Teilen Sie als Programmierer und Anbieter von Sounds diese Einschätzung?

MH: Ja, nach vorsichtiger Schätzung wollen 80 Prozent der Keyboarder Standardsounds haben. Vielleicht programmieren sich aber die anderen 20% ihre Spezialsounds zu einem großen Teil selber. Man erkennt den Trend ganz klar an den eher niedrigen Verkaufszahlen des JD-800, einem ganz hervorragenden Instrument, das aber eben nicht diese Grundsounds in so großer Zahl bietet.

TOS: Lohnt es sich eigentlich, in dieser schnellebigen Zeit, gegen den ständig und rapide wachsenden Berg von Keyboard-Neuerscheinungen anzuprogrammieren?

MH: Das ist in der Tat ein Problem. Mir wäre es auch lieber, wenn ein Gerät wie vor fünf, sechs Jahren mit einer Soundserie zwei bis drei Jahre am Markt bleiben könnte. Man hatte dadurch sehr viel mehr Ruhe, ein Soundset zu entwickeln.

TOS: Ist es sehr schwer, sich gegen die vielen Billiganbieter zu behaupten, die zum Teil tausende von Sounds zu absoluten Schleuderpreisen vermarkten?

MH: Nur zum Teil. Die Käufer merken ja sehr schnell, wenn sie zwar für wenig Geld 5000 Sounds erstanden haben, davon aber kaum etwas wirklich gebrauchen können. Es kommt immer wieder vor, daß sich Kunden bei uns melden und uns von ihren schlechten Erfahrungen dahingehend berichten. Die geben dann in Zukunft lieber etwas mehr Geld für weniger aber hochwertigere Sounds aus.

TOS: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich denn, für welche Synthesizer Sie Klänge programmieren. Sind da persönliche Vorlieben im Spiel oder bestimmt allein der Markt die Auswahl?

MH: Es hat natürlich keinen Zweck, Sounds für einen absoluten Exoten zu entwickeln. Man bekommt im Laufe der Zeit so ein Naschen dafür, welche Serien sich wohl gut verkaufen werden. Andererseits habe ich aber auch Sets für den Ensoniq SQ-1 hergestellt, der in Deutschland nur einen kleinen Marktanteil besitzt. Dafür hat mir aber das Programmieren auf dem Gerät außerordentlich viel Spaß gemacht, und meine Kunden rufen mich begeistert an.

TOS: Gibt es denn einen typischen Hotop Kundenstamm?

MH: Ach, das geht eigentlich so querbeet. Ich glaube aber, daß viele unserer Kunden die »dreißig« bereits überschritten haben und genau einschätzen können, wieviel Zeit so eine gute Soundprogrammierung in Anspruch nimmt.

TOS: Wie lange benötigen Sie durchschnittlich für ein Set?

MH: Nun ist es so, daß ich größtenteils am Wochenende programmiere, da ich in der Woche mit der ganzen Büroarbeit voll ausgelastet bin. Und viel länger als vier Stunden programmiere ich auch nie in einem Schwung. Das ständige Wiederholen von Tönen zehrt auf Dauer schon ziemlich an den Nerven. Daher kann sich ein Set schon mal über zwei Monate hinziehen. An reiner Arbeitszeit - mal eine vierzig Stunden Woche vorausgesetzt - muß man schon mit vier Wochen rechnen.

TOS: Und wie gehen sie bei Ihrer Arbeit vor? Steht zu Beginn eher eine konkrete Klangvorstellung im Vordergrund, oder lassen Sie sich mehr vom Instrument inspirieren?

MH: Ich programmiere eigentlich aus dem Gefühl heraus. Wenn mich jemand fragt, warum ich bei diesem oder jenem Sound den LFO so oder so gesetzt habe, also davon habe ich im Prinzip gar keine Ahnung. Meine Arbeitsweise ist vielleicht am ehesten mit der eines Songschreibers vergleichbar.

TOS: Ihre Lieblingssynthesizer?

MH: D50, Kl, MI und momentan der JD 800.

TOS: Verraten Sie uns Ihren Wunsch an die Musikbranche?

MH: Die Leute sollten ihre Instrumente nicht immer so schnell verkaufen, die nutzen sie ja meistens kaum aus.(wk)


Kai Schwirzke
Aus: TOS 05 / 1992, Seite 101

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