Desktop Publishing hat sich auf dem Atari zu einer der wichtigsten Standardanwendungen gemausert. Nicht nur der professionelle Anwender, auch der Hobbyist entfaltet seine Kreativität am Bildschirm. Die richtige Kenntnis des Werkzeugs ist der halbe Weg zum Erfolg. Deshalb widmen wir uns ab sofort in der TOS regelmäßig ausgewählten Problemen des DTP-Alltags und stellen konkrete Losungen mit den bekannten Publishern vor.
Für den Atari gibt es mittlerweile hervorragende DTP-Software. Trotzdem bestimmen schlechtere Produkte den Alltag vieler Profi-Gestalter. Gerade Investoren größerer Unternehmen fürchten Fehlinvestitionen und vertrauen eher althergebrachten, aber bewährten Marken, als einem innovativen, aber unbekannten Produkt. Die Desktop-Publishing Produkte der deutschen Entwickler sind inzwischen allerdings so weit fortgeschritten, daß sie sich zum Geheimtip entwickelt haben und eine beachtliche Verbreitung trotz der Image-Probleme nicht mehr zu leugnen ist. Glücklicherweise gibt es gerade im grafischen Gewerbe viele unabhängige Klein- und Kleinstunternehmen. Hier sind Anwender und Investor oft eine Person, und die Leistung entscheidet. In diesem Bereich haben sich mittlerweile zahlreiche Unternehmen für Produkte im Atari-Umfeld entschieden. So erzeugen Gestalter mit »Calamus SL« Auftragsarbeiten für Kunden wie Otto-Versand, Pioneer, Mitsubishi etc. Täglich entstehen zahlreiche Drucksachen auf den vertrauten TOS-Maschinen.
Immer mehr professionelle Atari-DTP'ler stehen aber auch täglich vor gestalterischen Detailfragen. Grund genug für uns, diesem Thema einen festen Platz einzuräumen. Ab sofort veröffentlichen wir regelmäßig Beiträge zu spezifischen DTP-Alltags-Problemen, vermitteln Grundlagen und Lösungswege unter Berücksichtigung unterschiedlicher Profi-Software. Den Anfang macht, anhand von Calamus SL, ein scheinbar banales Thema: der Blocksatz.
Periodika aller Art prägen ständig den typographischen Geschmack. Da eine klare Gliederung auf den meistenteils sehr vollgepackten Seiten wesentlich für die Übermittlung der Information ist, begegnet sie uns fast überall in Form des Blocksatzes. Idealerweise präsentiert er sich in sauberen Textspalten mit gleichbleibendem Grauwert und scharfer Begrenzung sowohl an der linken- als auch an der rechten Kante. So ist er gut lesbar und verschafft der gestalteten Seite eine saubere Gliederung. In mühevoller Feinarbeit wurde er früher von Hand aus Bleilettern erzeugt, indem der Setzer nach sehr strengen Regeln feine Metallplättchen zwischen die Wörter steckte. Profi-Setzer griffen auch schon einmal zu einem Stück Papier, um eine Feinstabstimmung der Kolumne zu erzielen. Der perfekte Buchstabenausgleich wurde in langer Ausbildung gelehrt. Heute gibt es nur noch eine große Bleisatz-Buchserie, nämlich die Hans-Magnus Enzensberger Reihe im Eichborn-Verlag.
Ganz anders sieht üblicherweise der am eigenen Computer erzeugte Blocksatz aus. Von gleichbleibendem Grauwert kann in der Regel nicht die Rede sein, eher trifft der alte Schneiderinnen-Spruch »Loch an Loch - und hält doch« den Tatbestand. Wer lediglich die Ergebnisse seiner Schreibmaschine als Maßstab nimmt, ist mit fast jedem DTP-Blocksatz zufrieden zu stellen, wenn nur der rechte und der linke Spaltenrand halbwegs gerade aussehen.
Verglichen mit den klassischen Drucksachen sieht das automatisch erzeugte Ergebnis der meisten Publishing-Programme allerdings nicht so gut aus. Blocksatz braucht eben doch etwas mehr als die konstante Zeilenlänge. Dem einen fällt's zunächst nicht auf, der andere verflucht die neue Software, und viele Anwender veröffentlichen den automatisch erzeugten Blocksatz ohne Nachbearbeitung. Wer seine Arbeit aber vor Kunden rechtfertigen muß, ist auf einen typographischen Feinabgleich angewiesen. Gerade an der Möglichkeit (oder Unmöglichkeit), Blocksatz auszugleichen, läßt sich viel über die Alltagstauglichkeit einer DTP-Software sagen.
Die Forderung der DTP-Anwender nach automatischen Lösungen hat viele Software-Entwickler zu typographisch nicht haltbaren Tricks verleitet. Aber was nutzt der schnell und vollkommen automatisch erzeugte Blocksatz, wenn der neu gewonnene Großkunde die Rechnung nicht bezahlt oder Ihnen keinen weiteren Auftrag gibt, weil Sie alle Regeln der Satzgestaltung verletzt haben?
Doch halt. Verkaufen Sie nicht gleich Ihren Rechner. Mit ein wenig Bewußtsein für das Problem ist unausgeglichener Blocksatz, beispielsweise in Calamus SL, schnell in den Griff zu bekommen. Daß Blocksatz mehr bedeutet, als zwei halbwegs gerade Spaltenränder, haben wir bereits festgestellt. Wie aber wird gleichmäßiger Blocksatz erzeugt, wie wird Blocksatz überhaupt erzeugt? Auf den alten Schreibmaschinen waren noch alle Buchstaben gleich breit. Das i nahm ebensoviel Platz ein wie das M.
Bei einer echten Satzschrift, die spätestens seit Calamus den Weg in fast jeden Atari gefunden hat, ist das anders. Konnte mit Schreibmaschinenschrift ein Blocksatz über die Eingabe abgezählter Leerzeichen erzeugt werden, so ist dies wegen der unterschiedlichen Buchstabenbreite bei Satzschriften nicht möglich. Selbst Computer-Programme wie das legendäre »1st Word Plus« waren lange Zeit nicht in der Lage, Proportionalschriften und Blocksatz unter einen Hut zu bekommen.
Glücklicherweise haben die Programmierer irgendwann die einzige Fähigkeit eines Computers entdeckt: das Rechnen. Also ist es ein Leichtes für ihn, alle Wortzwischenräume so auszugleichen, daß eine Zeile immer an der gleichen Stelle aufhört. Ein relativ gutes Ergebnis erzielt wohl jedes Programm, wenn bei einer kleinen Schrift viele kurze Wörter in einer langen Zeile stehen. Das Programm vergrößert oder verkleinert die zahlreichen Wortzwischenräume gleichmäßig, so lange, bis die Zeile die richtige Breite hat.
Aber nur selten sind Textspalten sehr breit und die Texte bestehen häufig aus Bandwurm-Wörtern. Um die Wirkung zu sehen, importieren Sie einen solchen Text ungetrennt in eine relativ schmale Calamus SL-Textspalte. Gehen Sie in das Textmodul, selektieren Sie den Textrahmen und schalten Sie mit der rechten Maustaste das Textlineal ein. Selektieren Sie das Lineal, schalten Sie auf Blocksatz und de-selektieren Sie das Lineal. Calamus SL errechnet nun den automatischen Blocksatz. Variieren Sie jetzt die Spaltenbreite, dann sehen Sie, daß bei schmalen Spalten »Löcher« im Text entstehen. Nicht umsonst gibt es die Typographen-Regel, daß eine Textspalte nie weniger als 35 Zeichen (inklusive Leerzeichen) habe sollte. Dort, wo lange Wörter zu wenige Wortzwischenräume erzeugen, werden diese sehr groß und erzeugen damit ein Text-Loch. Im Extremfall besteht eine Zeile aus zwei Wörtern: eins links, eins rechts und dazwischen leuchtet das Weiß des Untergrunds.
Simple Software, und dazu zähle ich auch den weit verbreiteten DTP-Urvater »Pagemaker«, löst das Problem durch unterschiedliche Spationierung. Im DTP-Jargon nennt sich dieser (Verzeihung) Pfusch »Letterspacing«. Die Software nimmt in diesem Fall nicht nur die Wort-, sondern auch die Buchstabenabstände für das »Austreiben« der Zeile zu Hilfe. Da es in jeder Zeile genügend Buchstabenzwischenräume gibt, entsteht ein nicht so großes Loch wie bei der Nur-Nutzung der Wortabstände. Leider hat ein Text aber üblicherweise mehr als eine Zeile. Die Buchstabenabstände sind bei diesem Verfahren also in jeder Zeile anders. Der Text wirkt unruhig und unausgewogen. Ein Horror für Ästheten. So ein Blocksatz hat mit professionellem Satz gar nichts gemeinsam.
Wie lassen sich die Textlöcher anders verkleinern? Eine große Hilfe bietet bereits die automatische Silbentrennung. In Calamus SL sehen Sie den Effekt durch einen Doppelklick auf das Trenn-Icon im Text-Modul. Der getrennte Text weist schon wesentlich kleinere Löcher auf. Der Trenn-Algorithmus versucht zwar, möglichst viele Buchstaben eines Wortes in die Zeile einzupassen, doch dummerweise trennt er dadurch im Blocksatz nicht immer typogen.
Aber es gibt noch eine Funktion zur Blocksatz-Optimierung. Gehen Sie im Textmodul in das Lineal-Untermenü, hier finden Sie ein-Icon für die Blocksatzoptimierung. Um die Funktion zu aktivieren, muß zuerst das Textlineal selektiert sein. Anschließend stellen Sie für die Wortzwischenräume ein Minimum und ein Maximum ein. Bewährt hat sich die Einstellung von 25% bis 125% eines Gevierts. Der Begriff Geviert stammt übrigens aus dem Bleisatz, er steht für eine quadratische Blind-Letter, deren Größe in etwa dem »großen M« des jeweiligen Schriftschnittes entspricht. Mit der Blocksatzoptimierung wird also die Größe der »Löcher« begrenzt.
Calamus SL wird damit gezwungen, typogen zu trennen. Kommt es zum Widerspruch zwischen Rechtschreibung und Ihrer Vorgabe, stoppt die Software den Trennvorgang und gibt nun die Möglichkeit der Textanpassung.
Dieser Vorgang ist unter Umständen mühsamer als das schnelle Variieren der Spationierung, dafür genügt der so erzeugte Blocksatz auch hohen typografischen Ansprüchen und wird mit Sicherheit auch von kritischen Kunden akzeptiert. (wk)