Statistik - Anwendung mit Zukunft? STATISTIKprofi Version 1.2 von Heim

Ob Politikerwahl oder wissenschaftliches Forschungsinstitut, ohne Statistiken läuft heute nichts mehr. Statistische Auswertungen bestimmen Meinungsbilder und zeigen Trends. So mehren sich auch die Anwender entsprechender Software und stellen gleichzeitig immer größere Ansprüche an die Leistungsfähigkeit.

Ein Statistikpaket, das erst seit einigen Monaten seine Dienste anbietet, ist der »STATISTIKprofi« aus dem Heim-Verlag. Das Programm erhebt den Anspruch, ein mächtiges und schnelles Werkzeug zum Manipulieren, grafischen Darstellen und statistischen Auswerten beliebiger Daten zu sein. Zu Testzwecken lag ein Datensatz vor, der in kodierter Form Beobachtungen über die Motivation von 88 Schülern widerspiegelte. Für STATISTIKprofi stellt sich damit gleich zu Beginn das nicht zu unterschätzende Problem der Datenübernahme.

Das Programm unterstützt ausschließlich den Datenaustausch über das ASCII-Format. Relativ unproblematisch geht der Transfer vor sich, wenn die Datensätze nicht allzu lang und durch bestimmte Trennzeichen (z.B. Komma oder Leerzeichen) voneinander unterschieden sind. Sobald jedoch das Zahlenmaterial vom Eingabeprogramm in mehrere Blöcke zerlegt und nacheinander gespeichert wird, sind schnell leidvolle Erfahrungen gesammelt. An dieser Einschätzung vermag auch die Funktion »Periode eingeben« zur Bestimmung der Anzahl der Blöcke (Zeilen) pro Datensatz wenig zu ändern. Etwas mehr Komfort oder die Kompatibilität zu wichtigen Fremdformaten ist hier wünschenswert. Wer die Zahlen nicht importiert, sondern im Programm selbst einträgt, bleibt von solchen Problemen natürlich verschont. STATISTIKprofi kommt auf zwei Disketten und mit einem »blätterfreundlichen« Handbuch ins Haus. Eine Festplatte ist zwar nicht zwingend notwendig, erleichtert aber die Arbeit ungemein. Die Installation gestaltet sich unkompliziert. Einfach die Disketteninhalte auf die gewünschte Partition der Festplatte kopieren und los gehts.

Der unbedarfte Anwender kann sich bei seinen ersten Gehversuchen an den recht umfangreichen Hilfstexten orientieren. Weitere Informationen sind im Handbuch nachzulesen. Auf fast 200 Seiten sind dort alle Methoden ausreichend und verständlich dokumentiert, so daß der Benutzer nicht lange im Trüben fischen muß. Beim Programm-Handling verdient das Konzept der »Keycodes« einen dicken Pluspunkt. Telefonnummern vergleichbar machen sie alle Funktionen von STATISTIKprofi schnell zugänglich. Die verfügbaren Codes sind direkt online in den GEM-untypischen Dialogboxen aufgeführt. Über die Tastenkombination »57« beispielsweise gelangt man rasch in den Texteditor »Tania«. Dort lassen sich Datensätze und Analyseergebnisse mit den üblichen Editor-Funktionen bearbeiten.

Eine lobenswerte Entscheidungshilfe offeriert STATISTIKprofi mit dem sogenannten Hilfsquiz. Wer kann schon von sich behaupten, daß er auf Anhieb alle Kriterien parat hat, die angesichts einer gegebenen Problemstellung die Auswahl eines bestimmten Tests anzeigen? Für solche Situationen kommt das Hilfsquiz wiegerufen. Einmal angewählt, konfrontiert es den Benutzer mit verschiedenen Fragen. Im Verlauf eines Dialogs schließt man so mögliche Testalternativen nach und nach aus.

Als eines der wenigen Programme für den Atari ist STATISTIKprofi mit einer eigenen Programmiersprache ausgestattet. Bei der Computer Command Language (CCL) handelt es sich im Prinzip um einen einfachen BASIC-Dialekt, der sich in den Händen des geübten Anwenders als mächtiges Werkzeug erweist. Komplexe Anwendungen, wie das Programmieren beliebiger Datenverknüpfungen sind ebenso möglich wie die Bestimmung von Fallunterscheidungen und die Datentransformation über mathematische Funktionen.

Wie kompetent ist STATISTIKprofi nun, wenn es um die statistische Analyse geht? Die Antwort »Rechnen«-Menü (siehe Bild 1). Ins Auge fallen zunächst verschiedene Formen der Datenmanipulation und -Selektion. Richtig interessant wird es unter der Auswahl »Statistik«, wo sich die Unterpunkte »Beschreiben«, »Analysieren« und »Modul-Aufruf« befinden.

Von den gängigen Routinen der beschreibenden Statistik lassen sich u.a. Lageparameter (Mittelwert, Median und Modalwert) und Streuungsparameter (Standardabweichung, Spannweite, Variationskoeffizient) bestimmen. Eine beschreibende Funktion haben natürlich auch die fast immer verwendeten Assoziationsmaße. In Abhängigkeit vom gegebenen Skalenniveau (Nominal-, Ordinal- oder Intervall-Niveau) wählt der Anwender zwischen dem Kontingenz- und zwei verschiedenen Korrelationskoeffizienten. Wo üblicherweise die statistische Bedeutsamkeit der gefundenen Zusammenhänge erscheint, ist bei STATISTIKprofi allerdings nichts gleichwertiges zu erkennen. Die Interpretation der Befunde wird damit leicht zu einem Vabanque-Spiel. Sehr aussagekräftig sind demgegenüber die 2D/3D-Streuungsdiagramme. Ein Klick auf die interessierenden Werte und schon veranschaulicht das Programm die Beziehungen in grafischer Form.

Mit dem Öffnen des Menüpunkts »Analysieren« dringt der Benutzer in den Bereich der Inferenzstatistik vor. Beim statistischen Schließen hat man es mit zwei Arten von Problemen zu tun: mit der Schätzung von Populationsparametern und mit dem Testen von Hypothesen. STATISTIKprofi stellt für beide Bereiche ein reichhaltiges Methodeninventar bereit.

Von den unbekannten Kennwerten der Grundgesamtheit lassen sich auf der Basis einer Teilmenge (Stichprobe) von Ereignissen neben einzelnen Punkten sowohl die Varianz als auch bestimmte Regressionskoeffizienten schätzen. Für die zweite Aufgabe der Inferenzstatistik erlangen nicht zuletzt die Varianten des chî2- und des t-Tests Bedeutung (siehe Bild 3).

Bild 1. Überblick über die Pull-Down-Menüs
Bild 2. Das »Beschreiben«-Menü
Bild 3. Das »Analysieren«-Menü

Ein dritter Menüpunkt beweist die konzeptionelle Offenheit des Programms. Gemeint ist der »Modul«-Aufruf. Unter den bislang verfügbaren Modulen sind insbesondere die Konfigurationsfrequenzanalyse und der Fisher-Test interessant.

Statistikfreaks aus der sozialwissenschaftlichen Ecke warten vermutlich schon ungeduldig auf die Besprechung der diversen multivariaten Methoden. Leider sieht die vorliegenden Version (1.2) solche Verfahren nicht vor. Auch Techniken zur Gruppierung bzw. Strukturierung einer Datenmatrix sucht man vergebens. Interessenten, die sehr komplexe Auswertungen vornehmen wollen, müssen sich wohl noch eine Weile gedulden.

Natürlich war ich gespannt, was das Programm mit meinen Testdaten anstellt. Sowohl die deskriptive Analyse als auch die Berechnung der korrelativen Zusammenhänge gestaltete sich denkbar einfach. Umständlich ging es dagegen bei den Mittelwertsvergleichen zu. Wie die Mehrzahl der anderen Testverfahren ist auch der t-Test nur für jeweils zwei Variablen ausgelegt. Die Analysemethoden für größere Wertebereiche dürften ruhig etwas üppiger ausfallen.

Immerhin: Die meisten Auswertungen ließen sich problemlos realisieren. Die Ausgabe der Ergebnisse erfolgt standardmäßig als ASCII-Text (siehe Bild 4) über Bildschirm oder Drucker. Wo es sinnvoll ist, kann der Benutzer eine der zahlreichen grafischen Darstellungen verlangen (siehe Bild 5). Individuelle Änderungen lassen sich sehr komfortabel mit dem Grafikeditor »Gustav« erledigen.

Ein nicht unerhebliches Kriterium für die Bewertung einer Statistik-Software ist deren Arbeitsgeschwindigkeit. Wie schnell rechnet STATISTIKprofi? Der Vergleich mit zwei weiteren Programmen auf dem ST-Markt, »Almo« und »ST-Statistik«, gibt Aufschluß darüber. Um weitgehend gleiche Voraussetzungen zu schaffen, wurden für die oben genannte Datenmatrix (88 Vpn * 33 Variablen) zwei Analysen gewählt, für die alle Testteilnehmer nahezu identische Koeffizienten ermitteln. Testrechner war ein Mega ST 4 mit 16Mhz-Karte und SCSI-Festplatte.

Im Gesamtüberblick ist STATISTIKprofi mit 248 Mark ein preiswertes und noch dazu flexibles Statistik-Paket, das mit geringen Einschränkungen allen Anforderungen der deskriptiven und schließenden Statistik gerecht wird. Besonders die Programmiersprache und die Keycodes haben das Prädikat »professionell« verdient. Auch die vielen Grafikfunktionen hinterlassen einen sehr positiven Eindruck. Einschränkend ist zu vermerken, daß das Spektrum der Algorithmen (noch) nicht so weit gestreut ist, wie man es für ein Paket erwarten darf, das sich profilieren will. Auch ein flexibler Datentransfer mit Textverarbeitungen und Datenbanken ist noch nötig. Man darf aber nicht vergessen, daß STATISTIKprofi für weitere Entwicklungen offen ist. Warum also nicht hoffen? Die engagierten Bemühungen des Programmierers geben Anlaß dazu. (wk)

Heim-Verlag, Heidelberger Landstr 194, 6100 Darmstadt

Bild 4. Häufigkeitsverteilung
Bild 5. Säulengrafik zur Häufigkeitsverteilung
Bild 6. Tabelle zum Geschwindigkeitsvergleich

WERTUNG

Name: STATISTIKprofi
Preis: 248 Mark

Stärken: Präsentationsgrafik □ gutes Preis-Leistungs-Verhältnis □ Programmiersprache □ Verfahren zur deskriptiven und schließenden Statistik □ offene Konzeption

Schwächen: keine multivariaten und gruppierenden Methoden □ Datentransfer □ bei umfangreichen Analysen relativ langsam

Fazit: Für Anliegen der deskriptiven und schließenden Statistik hervorragend geeignet


Klaus Konrad
Aus: TOS 03 / 1992, Seite 32

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