Die Ausbildungsbedingungen an Universitäten und Fachhochschulen haben sich im letzten Jahrzehnt beträchtlich verändert. Der Grund für diesen verblüffenden Wandel liegt in der massenweisen Einführung von Computern. Kaum ein(e) Studenten) kann es sich heutzutage noch erlauben, die Fähigkeiten der EDV links liegen zu lassen.
Daß die Wahl häufig auf einen Rechner aus der Atari ST-Linie fällt, überrascht nicht. Schließlich braucht man für die Uni einen Computer, der sich für Textverarbeitung, Datenverwaltung, Grafik und Programmieren gleichermaßen gut eignet. Wenn er darüber hinaus noch für Entspannung und Unterhaltung sorgt, ist das um so besser. Neben seiner Bedienerfreundlichkeit zeichnet sich der ST vor allem durch seine Zuverlässigkeit und vielfältige Verwendbarkeit aus. Konsequente Weiterentwicklungen des Betriebssystems und die verschiedensten Hardware-Erweiterungen haben den wachsenden Benutzer-Ansprüchen Rechnung getragen. Zunehmend spielt auch das reichhaltige Softwareangebot eine Rolle, das in den letzten zwei Jahren erheblich an Profil gewonnen hat.
Welche Funktionen übernimmt nun der Atari ST im studentischen Alltag? Wie hilft er Student inn)en bei der Vorbereitung auf Prüfungen, dem Verfassen von Referaten, Diplomarbeiten und Dissertationen? Es leuchtet unmittelbar ein, daß es unmöglich ist, das gesamte Anwendungsspektrum des Atari ST auf Studentenschreibtischen auch nur annähernd zu beschreiben. Zu umfangreich ist dieses Themengebiet, zu vielfältig sind seine Einsatzgebiete. So kann es sich hier nur um eine komprimierte Zusammenschau handeln, die zudem nicht frei ist von subjektiven Interessen und Einschätzungen.
Für gewöhnlich verbringen Student(inn)en mehrere Stunden am Tag mit der Sammlung, Aufarbeitung und Wiedergabe von Wissensinhalten. Daß es dabei zumeist alles andere als geordnet zugeht, können sicher viele Leser bestätigen. Die ständige Suche nach Notizen und Merkzetteln ist für viele Zeitgenossen noch immer ein fester Bestandteil ihres Tagesablaufs. Bereits hier kommt der Computer ins Spiel. Aber wie kann sein Einsatz Planung und Ordnung im Studentenalltag gewährleisten?
Ein unersetzbarer Vorteil ist in jedem Fall die wohlgeordnete eigene Bibliothek, in der man sich besser auskennt als in jeder Seminar- oder Universitätsbücherei. Bei der Sichtung von Fachliteratur und der Archivierung der eigenen Niederschriften ist der ST dem herkömmlichen Kartei- oder Zettelkasten bei weitem überlegen. Auch jene vielbeschäftigten Student(inn)en, die permanent Mühe haben, ihre Termine unter einen Hut zu bringen und meist mehrere Sachen gleichzeitig organisieren, werden ihn zu schätzen wissen. Die ständige Datensammlung und -Strukturierung macht sich vor allem am Ende des Studiums bezahlt, wenn es darum geht, eine Diplom- oder Examensarbeit anzufertigen. Gerade die zeitraubende Recherche und Aufarbeitung wissenschaftlicher Literatur wird dadurch erheblich erleichtert. Gleiches gilt auch für die inhaltliche Verwaltung und sortierte Ausgabe von Zitaten, Anmerkungen und Literaturangaben. Neben den üblichen Programmen wie »Adimens«, »Phoenix« oder »Easybase« werden zukünftig verstärkt hypertextfähige Systeme ihren Anspruch anmelden. »1st Card«, ein Vertreter dieser Sparte, beweist schon jetzt seine Tauglichkeit. Interessant für die Wissensorganisation wird dieses Programm aufgrund der Fähigkeit, eine relationale Volltextdatenbank und ein Hypertextsystem miteinander zu kombinieren. Durch eine geschickte Anordnung der einzelnen Karteikarten lassen sich leicht eigene Lernumgebungen und Abfragesequenzen entwerfen. Ein äußerst wünschenswerter Nebeneffekt darf dabei nicht unerwähnt bleiben: die tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Lernstoff und die erhöhte Lernmotivation.
Zur Präsentation erarbeiteter Wissensinhalte eignen sich in erster Linie Grafik- und Tabellenkalkulationsprogramme. Die Bedeutung der optischen Unterstützung eigener Arbeiten sollte niemand unterschätzen. Komplexe Sachverhalte werden aussagekräftiger und prägen sich leichter ein. Was selbst eine noch so spannend vorgetragene Rede nicht schafft, bewirkt oft ein einziges Bild. Nicht nur die meisten Kommiliton(inn)en freuen sich über eine anschauliche Grafik, auch der Doktorvater dürfte von den Fortschritten in der eigenen Dissertation eher visuell zu überzeugen sein.
Software, die für präsentative Aufgaben prädestiniert ist, hatte für TOS-Computer schon immer eine besondere Bedeutung. Dementsprechend hoch ist auch der Leistungsstand der gut gefüllten Programmpalette einzuschätzen. Im Spannungsfeld von Pixel- und Vektorgrafiken finden Student(in-n)en alles, was sie zur Entfaltung ihrer künstlerischen Ambitionen brauchen. Wenn Zahlenkolonnen ins Spiel kommen, greift man im Normalfall auf eine Tabellenkalkulation zurück. Mit Programmen wie »K-Spread 4« oder »LDW Po-wercalc« kommt auch der ungeübte Anwender relativ schnell zu aussagekräftigen Ergebnissen. Darf es etwas mehr Grafik sein, so führt gegenwärtig kein Weg an »Sci-Graph« vorbei.
Und damit komme ich zum wohl wichtigsten Aufgabenbereich der ST-Familie an Hochschulen, der Textverarbeitung. Die Qualität moderner Textprozessoren ist sicherlich ein entscheidender Pluspunkt für den Atari ST. Die Fortschritte gerade auf diesem Anwendungsfeld sind unverkennbar. So konnten die Besucher der letzten Atari-Messe nicht nur die bislang bewährten Systeme im Einsatz bewundern; sie waren zugleich Zeuge von wirklich spektakulären Neuvorstellungen. In erster Linie ist hier »Signum 3« zu nennen, da der Name Signum in Hochschulkreisen ein Markenzeichen ist. Seit seiner Markteinführung wurde schon so manche Diplom- oder Doktorarbeit durch die Verwendung der unverwechselbaren Signum-Schriften veredelt.
Im Rückblick gesehen, ist von Signum auch eine erhebliche Dynamik ausgegangen. Neuere Textprogramme wie »That's Write« und »Cypress« sind in seine Fußstapfen getreten und haben neben einer Erweiterung des Funktionsumfangs insbesondere die Benutzerfreundlichkeit optimiert.
Anspruchsvolle Textprogramme haben zukünftig weit mehr als heute ihren Preis. Damit ergibt sich für das studierende Volk ein Dilemma: Einerseits bemühen sich Studen-t(inn)en mit Recht um professionelles Arbeiten, andererseits werden sie sich kaum in der Lage sehen, 400 bis 700 Mark für ein solches System zu bezahlen. Es ist zu hoffen, daß sich bei den Softwareherstellern eine liberale Rabatt-Politik für solche Programme durchsetzt. Bei anderen Anwendungen ist dies erfreulicherweise bereits üblich. Beispielsweise gibt es für »GFA-Statistik«, »SciGraph« und »Riemann« einen beträchtlichen Hochschulbonus.
Im weitesten Sinne zur Textverarbeitung zählt auch das Textsatzsystem »TeX«, das derzeit einen wahren Boom erlebt. Eine Festplatte vorausgesetzt, lassen sich damit exzellente Resultate erzielen. Auch wenn die Steuerkommandos von TeX im Zeitalter von WYSIWYG und DTP antiquiert erscheinen, ist das System allein schon wegen des günstigen Preises für Student(in-)nen eine interessante Alternative zur herkömmlichen Textverarbeitung. Dies ist umso mehr der Fall als diverse Utilities und Hilfsprogramme (z.B. »TeX Draw«) für zusätzlichen Komfort sorgen. Die Stärken von TeX liegen vor allem im Setzen längerer (wissenschaftlich-technischer) Dokumente. Hier kommen die implementierten Gliederungsbefehle ebenso wie der Formel- und Tabellensatz erst richtig zur Geltung. TeX-Experten werden es bestätigen: TeX ist zusammen mit einem guten Drucker eine nahezu ideale Lösung für alle Aufgaben der Textgestaltung.
Nun beschäftigen sich studierende Atari-Anwender nicht nur mit dem Verfassen und Verwalten von Texten und mit dem Zeichnen von Grafiken. Der Atari ST hat auf vielen Spezialgebieten der Hochschulszene seinen festen Platz. Stellvertretend sei hier der mathematisch-statistische Bereich angeführt. Statistik, für die einen ein Alptraum, für die anderen die Lieblingsbeschäftigung schlechthin, ist für künftige Jungakademiker der unterschiedlichsten Fachgebiete mittlerweile zum notwendigen Arbeitsmittel geworden. Unabdingbare Voraussetzung für die Beurteilung der Aussagekraft-des vorliegenden Zahlenmaterials sind professionell-wissenschaftliche Statistik-Pakete. Auf dem Atari ST haben sich hauptsächlich drei Systeme etabliert: »ST-Statistik«, »GFA-Statistik« und »Almo«. Augenfällig ist bei allen drei Programmen der relativ günstige Preis und die geringen Hardwareanforderungen. Auch was die Benutzerfreundlichkeit und die Leistungsstärke an belangt, werden d ie genannten Pakete gehobenen Ansprüchen gerecht. Wer also auf diesen Höhen der Anwendung agieren will, kann sich getrost den Gang zum Großrechner ersparen. Allerdings ist für umfangreichere Analysen eine Steigerung der Verarbeitungsgeschwindigkeit durch eine der zahlreichen Beschleunigerkarten zu empfehlen.
Kaum ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens wird so sehr ins Herz geschlossen und mit solcher Vehemenz gegen die potentielle Konkurrenz verteidigt wie der »persönliche« Computer. Dabei steht längst fest, daß das Betriebssystem der Zukunft immer weniger eine unüberwindliche Barriere zwischen einzelnen Modellinien darstellt. Bis es soweit ist, haben Atari-ST-Besitzer ganz bestimmt nicht die schlechtesten Karten. Inzwischen gibt es für diesen Computer mehrere MS-DOS- und Mac-Emulatoren. Ist diese kleine Platine einmal eingebaut oder an den dafür vorgesehenen Port angesteckt, so genügt ein bloßer Tastendruck, um die allseits geforderte Kompatibilität herzustellen. Obgleich ein Emulator in vielen Fällen wichtige Dienste leistet, sind damit die Systemgrenzen aber noch längst nicht überwunden. So mancher Uni-Besucher sitzt hin und wieder ratlos vor seiner Maschine, wenn er gezwungen ist, seine ST-typischen Texte und Grafiken in andere Rechnerumgebungen zu exportieren oder deren Dateien zu importieren. Wäre es nicht toll, wenn TOS-Programme einige wichtige Fremdformate direkt lesen und schreiben könnten? Allzu weltfremd scheint dieser Wunsch gar nicht zu sein, denn immerhin hat sich in Sachen Konvertierung zuletzt einiges getan hat.
Für Grafiken sind Programme wie »Convert«, »X-Former« oder »ViewGlF« zuständig. Sie versetzen den ST in die Lage, die gebräuchlichsten Bilddateien anderer Rechner-Typen, auf dem ST-Bildschirm darzustellen. Der umgekehrte Weg ist natürlich auch möglich. Gängige Grafikformate des Atari ST lassen sich z.B. in GIF-,TIF- oder PCX-Dateien umwandeln und somit auf einen DOS-, Amiga- oder Mac-Rechner übertragen.
Der Austausch von Texten funktioniert derzeit leider fast ausschließlich über das ASCII-Format. Diese Lösung befriedigt auf Dauer nicht, da die oft mühsam eingestellten Textauszeichnungen allesamt verlorengehen. Abhilfe schafft teilweise das PD-Programm »Superfilter« (TOS-Diskette 9/1990), das wenigstens die Konvertierung der reinen Textstruktur automatisiert.
Von einer besseren Portabilität ihrer Dokumente würden wohl alle Student(inn)en profitieren.
Schließlich kommt es immer wieder vor, daß man am örtlichen Rechenzentrum unter DOS einen Text ausdrucken oder mit Komilito-n(inn)en, die ein anderes Betriebssystem besitzen, ein gemeinsames Referat schreiben will. Es soll auch Dozenten geben, die Teile der Diplomarbeit auf ihrem DOS-Computer einsehen wollen.
Eine Softwarespezies wurde bislang noch nicht erwähnt, obgleich gerade sie den Bedürfnissen vieler Student(inn)en nach Flexibilität und Bedienerfreundlichkeit sehr entgegen kommt: Gemeint sind integrierte Pakete. Die üblichen Spezialprogramme haben den entscheidenden konzeptionellen Nachteil, daß sie jeweils nur ein beschränktes Aufgabenfeld abdecken. Die Frage erscheint berechtigt, warum man sich mit speziellen Bedienerkonzepten und diversen Text- oder Grafikformaten herumschlagen soll, wenn es ein einziges Programm gibt, das allen Ansprüchen voll und ganz genügt. Leider hat der ST hier einen echten Nachholbedarf. Lange Zeit war »Steve« der einzige Vertreter dieser Gattung. Die Trümpfe dieses Multitalents weiß besonders der kreative Anwender zu würdigen: Er bearbeitet damit Texte, verwaltet Daten, berechnet Formeln, zeichnet Grafiken und überträgt Texte per DFÜ. Dies alles unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche und mit einem hohen Maß an Integration. Erst in letzter Zeit sind mit »Wordflair I und II« weitere Programme auszumachen, die den professionellen Vorbildern aus der DOS- oder Mac-Welt Paroli bieten und den Atari-Fan (fast) universell unterstützen können. (wk)