Eine der wirkungsvollsten Methoden, seinem Rechner die Sporen zu geben, ist der Austausch des Prozessors durch eine Beschleunigerkarte, die einen MC68030 beherbergt, der dort mit bis zu 50 MHz taktet. Eine dieser Karten von MAKRO C.D.E. liegt hier zum Test vor.
Angesichts der ständig steigenden Anforderungen an den Computer, läßt sich durch rezeptfreie Aufputschmittel wie Software-Blitter, Disk-Caches oder RAM-Disks, der zwar lieb gewonnene, aber altersschwache Atari ST gerade so vor einem Herzinfarkt bewahren. Erst die Implantation einer Beschleunigerkarte verspricht aber letztendlich Heilung.
Die heutzutage angebotenen Implantate reichen von einem MC68000/16MHz bis zum MC68030/50MHz. Einen dieser »High end«-Her(t)zschrittmacher der Firma MAKRO C.D.E. nehmen wir hier genauer unter die Lupe.
Bis zu 50 Millionen Operationen pro Sekunde (50 MHz) bearbeitet der Prozessor dieser Beschleunigerkarte, wobei jeder Prozessorbefehl mehrere solcher Operationen benötigt. Die Spanne liegt im Bereich zwischen 4 und 100 pro Befehl. Zu den Operationen gehören Schreib/Lesezugriffe auf das RAM genauso wie die Befehlsdekodierung und die eigentliche Befehlsausführung.
Wenn man den Prozessor nun schneller taktet, ist die Befehlsausführung zwar beschleunigt, doch die Schreib/Lesezugriffe noch lange nicht. Denn das RAM ist gerade schnell genug, um bei 8 MHz die Daten dem Prozessor ohne Verzögerung zuzuschieben. So kommt es nicht selten vor, daß die durch einen schnelleren Prozessor eingesparte Zeit durch zusätzliche Wartezeiten (waitstates) bei den Speicherzugriffen zunichte gemacht wird.
Aus diesem Grund benutzt unsere Karte einen 32 KByte großen RAM-Cache. Der Prozessor liest bzw. schreibt jetzt nicht mehr direkt in das ST-RAM, sondern in den Cache. Eine Cache-Logik sorgt dafür, daß sich im Cache immer Kopien des RAMs befinden, die der Prozessor gerade benötigt oder demnächst anfordert.
Erfahrungsgemäß lassen sich durch eine intelligente Cache-Logik 90 Prozent aller Lesezugriffe über den Cache-Speicher abwickeln. Nur wenn keine Kopie der benötigten Daten im Cache ist, muß der Prozessor ein kleines Päuschen einlegen, bis vom langsamen ST-RAM die Daten in den Cache gelangt sind.
Ein weiterer Vorteil im Zusammenhang mit dem MC68030 ist der 32 Bit breite Datenbus. Da der Cache-Speicher auch 32 Bit breit ist, bezieht der Prozessor ein Lang-Wort (32 Bit) in nur einem Taktzyklus vom Cache.
Theoretisch ist so das Lesen eines Lang-Wortes vom Cache (bei 40 MHz, ohne Wartezyklen) 10mal schneller als vom ST-RAM.
Das Turbo 30er Board, in SMD-Technik gefertigt, ist in der Grundversion mit dem MC68000/8MHz, dem MC68030/40MHZ, 32 KBytes second level Cache, einem Sockel für den Coprozessor MC68882 und 256 KBytes ROMTOS ausgestattet. Ein eigener Quarz erspart das Löten einer zusätzlichen Leitung zu einem Taktgeber. Außerdem ist noch Platz für bis zu 16 MBytes RAM. Die 50-MHz-Version hat darüberhinaus noch eine eigene MMU. Als Betriebssystem erhält der Käufer das EOS 30, das befehlskompatibel zum TOS 3.1 ist. Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des TOS 1.04 mit allen Betriebssystemfunktionen der Version 3.1. Leider ist der Desktop bis auf neue Icons für Laufwerke, Dateien und Ordner gegenüber dem 1.04er TOS gleichgeblieben.
Auf zwei Disketten befinden sich neben diversen Benchmarktests, zwei Bildschirmbeschleuniger, ein alternativer Desktop und mehrere CPX-Module.
Nachdem wir den Rechner in seine Elementarteile (Gehäuse, Abschirmblech, Netzteil, Diskettenlaufwerk und Hauptplatine) zerlegt haben, stehen zwei Arbeitsschritte zur Auswahl. Da Atari den Prozessor auf der Hauptplatine nicht gesockelt, sondern fest eingelötet hat, ist dieser entweder durch abtrennen der Pins mit einem Seitenschneider und anschließendem Auslöten der Pinreste zu entfernen, oder aber man versucht den Prozessor zu retten, indem man ihn mit Lötkolben und Lötpumpe als ganzes auslötet. Das Handbuch rät aber von letzterer Methode ab, weil beim kompletten Auslöten die Gefahr, die Hauptplatine zu zerstören, in keinem Verhältnis zu dem etwa 8 Mark billigen MC68000 steht.
In beiden Fällen sind hinterher die Lötaugen zu säubern, damit sich an Stelle des Prozessors der mitgelieferte Zusatzsockel problemlos einstecken und verlöten läßt. Hat man sich nochmals von den einwandfreien Lötverbindungen überzeugt, setzt man die Beschleunigerplatine in den Sockel. Die bei den neueren ST-Modellen eingebaute Blitter-korrekturschaltung (Zusatzplatine), befindet sich bereits auf dem Beschleunigerboard und ist ersatzlos zu streichen. Will man sich den MC68000/8MHz-Betrieb weiterhin offen halten, lötet man zwei lange Kabel an die Platine, die man dann am Rechneräußeren mit einem Schalter verbindet. Eine Soft-ware-Umschaltung ist nicht vorgesehen.
Obwohl sich stromsparende CMOS-Chips auf der Platine befinden, bezieht das Board die Stromversorgung von einem noch freien Stecker zwischen Diskettenlaufwerk und Netzteil. Soweit gediehen, schraubt und steckt man die Rechnerkomponenten wieder in umgekehrter Reihenfolge zusammen und riskiert einen ersten Test.
Wie man sieht, ist der Ausbau des alten Prozessors der kniffligste Teil der Angelegenheit. Doch sollte diese Aktion jedem zuzutrauen sein, der zuvor nicht gerade zehn Tassen Kaffee getrunken hat, oder sich beim bloßen Halten des Lötkolbens die Finger verbrennt. Wenn nach dem Einschalten der Rechner hoffentlich wieder bootet, und man zum ersten mal ein paar sich öffnende GEM-Fenster sieht, darf man sich auch ohne Benchmarks gewiß sein: Hier ist ein MC68030 am Werkeln.
Rechner | Atari ST | Atari TT | Turbo 30 |
---|---|---|---|
Taktfrequenz | 8 MHz | 32 MHz | 40 MHz |
Cache | keinen | 8 KBytes | 8 + 32 KBytes |
Betriebssystem | TOS 1.04 | TOS 3.1 | EOS 30 |
Dhrystone v1.11 | 1709 | 7385 | 6367 |
Whetstone1 | 5143 | 165152 | 159744 |
Aus BYTE Juli 87
Rechner | Atari ST | Atari TT | Turbo 30 |
---|---|---|---|
Eratosthenes2 | 19665 | 2175 | 1820 |
Fibonacci2 | 111810 | 15485 | 21075 |
Floattest2 | 37095 | 6800 | 6880 |
Quicksort2 | 39029 | 4745 | 4935 |
Savage2 | 53055 | 11305 | 11590 |
Aus Quickindex v1.5
Rechner | Atari ST | Atari TT | Turbo 30 |
---|---|---|---|
CPU memory | 100% | 719% (Fast-RAM) | 497% |
CPU register | 100% | 827% | 1024% |
CPU divide | 100% | 1024% | 1268% |
CPU shifts | 100% | 3534% | 4457% |
BIOS text3 | 100% | 226% | 356% |
BIOS string3 | 100% | 218% | 377% |
BIOS scroll3 | 100% | 298% | 158% |
GEM draw3 | 100% | 257% | 748% |
1 Größere Werte stehen für bessere Performance 2 Angaben in Millisekunden 3 Diese Tests sind im großen Maße abhängig von dem verwendeten Betriebssystem
Die Benchmarktests in der Tabelle zeigen wohl am deutlichsten, was der umgebaute Rechner nun in der Praxis bringt. Anzumerken ist allerdings noch, daß EOS 30 einen nicht unwesentlichen Anteil an der Leistungssteigerung beisteuert. Die Tests, die nicht ausschließlich die Leistungen der Karte wiederspiegeln, sind in der Tabelle gesondert gekennzeichnet.
Die uns bereitgestellte Karte ließe sich noch mit dem MC68882 Coprozessor, der sich durch einen eigenen Quarz mit bis zu 60 MHz takten läßt, ausbauen. Außerdem steht einem 4- bzw. 16-MByte-Speicherausbau (32-Bit) nichts im Wege, der ganz nebenbei für eine Performance-Steigerung sorgen würde. In diesem Fall liegt der Speicher im ST dann allerdings brach. Mega ST 1 -Besitzer erhalten beim Speicherausbau ein MByte ST-RAM und den Rest als TT-RAM, während Mega ST2/4s immer zuerst 4 MByte ST-RAM zugeteilt bekommen.
Ohne nun auf einzelne Programme eingehen zu wollen, sei in Sachen Kompatibilität soviel gesagt, daß von der Hardware her alle Programme, die auf einem Atari TT laufen, sich auch mit der Beschleunigerkarte vertragen müssen. Anders sieht die Sache bei Verwendung des EOS-Betriebssystems aus. Nach dem Motto »hundertprozentig kompatibel ist nur das Orginal« läßt sich mit Sicherheit ein Programm finden, das sich mit EOS nicht verträgt. Inwieweit diese Programme einen Hinderungsgrund für die Verwendung von EOS darstellen, ist - wie so oft -reine Geschmacksache. Immerhin läßt sich nicht leugnen, daß EOS in der vorliegenden Version einen sehr sicheren Eindruck hinterläßt. Ein vielleicht noch viel wichtigerer Aspekt ist, daß EOS in vielen Funktionen wesentlich schneller als sein Original ist.
Ohne Frage ist das Turbo 30 Board eine echte Alternative zum TT. Ausgerüstet mit 60 MHz FPU, 4 MByte ST-RAM und 12 MByte TT-RAM, fallen auch bei aufwendigen CAD-oder DTP-Aufgaben keine größeren Pausen mehr an. Berücksichtigt man aber, daß bei einem ST eventuell der Kauf einer Grafikkarte mit Bildschirm noch hinzukommt, erreicht man schnell den Preis, der für einen gut ausgerüsteten TT zu opfern ist. So läßt sich zusammenfassend sagen: Wer mit kleinem Geldbeutel einen schnelleren Rechner will, den Besitz eines ST(E) vorausgesetzt, erhält mit dem knapp 2000 Mark teuren Tiny-Board einen um den Faktor 6 leistungsfähigeren Rechner. Wer dagegen über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, macht mit rund 5000 DM seinen ST(E) zum derzeit schnellsten Atari-Rechner.(ah)
Bezugsadresse: MAKRO C.D.E., Schillerring 19, D-8751 Großwallstadt
Name: Turbo 30
Prozessor: MC68030 und MC68000
Takt: 40 oder 50 MHz
Cache: 32 Kb + 8Kb vom Prozessor
Betriebsarten: mit oder ohne Cache □ MC68000 mit 8 MHz
Preis: 40 MHz (full: 2198.-, tiny: 1989.-) □ 50 MHz, MMU (2998.-)
Betriebssystem: EOS 30 oder TT-TOS
Erweiterungen: FPU von 33 bis 60 MHz □ 4 MByte (798.-) oder 16 MByte (1998.-)
Stärken: sehr schnell □ leichter Einbau □ günstige Grundversion □ arbeitet zuverlässig
Schwächen: RAM-Ausbau teuer □ geringe Desktop-Funktionen □ ungünstige RAM-Konfiguration
Fazit: Für alle ST(E) Besitzer und DTP-oder CAD-Anwender eine echte Alternative zum Atari TT