Obwohl dieses Thema eigentlich für alle Computer gilt, wollen wir uns speziell auf dem Atari ST an-sehen, welche neuen Chancen durch Computer in der Schule erwachsen.
Heute wird wohl kein Pädagoge mehr vor Angst um seinen Arbeitsplatz zittern, wenn er das Reizwort Computervernimmt. Noch vor wenigen Jahren war es für viele Lehrer wirklich ein Alptraum, sich vorzustellen, eines Tages würde der Unterrichtsstoff von einem allmächtigen Rechnergehirn didaktisch wohlkontrolliert nach kybernetischen Modellen den Schülern eingeflößt. Nach vielen Unterrichtsstunden am Computer wird wohl heute niemand mehr dem Glauben verfallen, ein solches Gerät allein könnte auf längere Zeit den Lernerfolg, vor allem im sozialen Bereich, gewährleisten. Dennoch sind die Einsatzmöglichkeiten im schulischen Bereich sehr vielfältig und bei weitem noch nicht ausreichend untersucht. Es steht fest, der Computer stellt die größte Revolution im Klassenzimmer dar, nach dem Erscheinen des Overheadprojektors und dem Untergang der Sprachlabors. Bild 1 zeigt skizzenhaft das Auftreten des Computers in der Schule.
An diese Sparte denkt man wohl zuerst, wenn man Schule und Computer hört. Die hauptsächlich von den Bildungsministerien angestrebte Fertigkeit war das Programmieren. Nicht ganz zu unrecht, begegnen uns doch Eingaben, Ausgaben, Wertzuweisungen, Schleifen oder Bedingungsabfragen nicht nur in Programmiersprachen, sie sind wesentliche Arbeitsmerkmale des Computers, die man auch bei Anwenderprogrammen wieder findet. Dennoch zeigte sich sehr schnell, daß dieser ursprüngliche Computerbereich immer mehr durch den Umgang mit Standardsoftware zurückgedrängt wird. Die meisten Schulabgänger finden an ihren späteren Arbeitsplätzen als hilfreichen Gesellen den Computer, der mit einer Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Datenbank oder einem Grafikprogramm bedient werden möchte, um die anfallende Arbeit in der immer kürzeren Arbeitszeit überhaupt noch zu bewältigen. Grundlagen-Vermittlung unter dem Anwenderaspekt werden deshalb immer dringlicher.
Hier sollte man bitte nicht gleich an Visionen eines computergesteuerten Unterrichts denken. Im Gegensatz zum erstgenannten Einsatzgebiet trifft der Computer als neues Medium die Schulen noch unvorbereiteter, als er es als Unterrichtsgegenstand schon tat. Immer noch gibt es zu diesem Bereich so gut wie gar keine Untersuchungen oder Handreichnungen für den Lehrer. Der Computer kann als Hilfsmittel für den Unterricht neue Verfahren in der Wissensvermittlung aufzeigen. Dies wird zukünftig sicher dazu, daß man einige stellen im Lehrplan neu schreiben muß. Am leichtesten mag man sich den Einsatz als simples Übungsgerät vorstellen. Monotones Vokabelpauken und Rechnungenüben praktizieren die Schüler derzeit schon vor allem zu Hause. Der Computer ersetzt die nichtvorhandene ältere Schwester beim Sprachtraining, bietet eine neue Art der Chancengleichheit für alle. Aber auch innerhalb des Unterrichts steht der Computer dem Lehrer zur Seite, um Lernvorgänge zu verdeutlichen. Denken wir an die Demonstration bewegter Vorgänge durch Trickfilme (TOS 9/91 »Die Didaktik lernt das Laufen«). In der Mathematik ergeben sich neue Erklärungsmöglichkeiten. So läßt sich in der Klasse 5 das Zweiersystem erheblich deutlicher am Computer als an der Tafel erklären. Haben wir früher zur Demonstration eine Reihe aus acht LEDs am Userport des C-64 betrieben, so verwenden wir heute ein kleines GFA-Basic-Programm für den Unterricht. An 10 Geräten läßt sich damit ein höherer Lernerfolg erzielen, als mit der zwar natürlicheren Darstellung durch LEDs, die aber die Schüler aus der zweiten Reihe schon nicht mehr sehen. Dieses Programm (»Zweiersy.Prg«) finden Sie auf der Diskette zu dieser Ausgabe.
Kennen Sie noch die Aufgaben zu den Rotationskörpern? Man bekommt eine Linie im Koordinatensystem gezeigt und darf sich überlegen, welche Körper bei der Rotation um die x- bzw. y- Achse entstehen. Dabei teilen sich die Schüler in zwei Gruppen, nämlich jene, die sich das vorstellen können und jene, denen eben diese Vorstellung versagt bleibt. Es hat sich gezeigt, daß dreidimensionale Bilder der Objekte eine gute Vorstellungshilfe darstellen, die sich verhältnismäßig leicht beispielsweise mit CAD-3D erstellen lassen. Ein weiteres Beispiel aus dem Mathematikunterricht der Klasse 10 stellt der Satz des Cavalieri dar. Der Satz läßt sich nicht beweisen, doch er dient zur Herleitung der Kegelformel. Stattdessen läßt sich hier ein 3-D-Montecarlo-Verfahren (ebenfalls als Programm auf der Diskette) anwenden, um die Formel zu nähern. Daß dieses Verfahren nur eine Näherung darstellt, demonstriert das Programm »Mon-te-Carlo« gleich selbst (ebenfalls auf der TOS-Diskette).
Will man schnell im Unterricht die Veränderungen eines Graphen y=a*sin(b * x) von den Variablen a und b zeigen, so erleichtert ein Funtionsplotter die Arbeit sehr, zumal dann, wenn ein LC-Display das Ergebnis über den Tageslichtprojektor allen Schülern sofort zugänglich macht. Wer in der Physik den radioaktiven Zerfall demonstrieren möchte, der tut sich leichter, wenn ein Programm diesen Zerfall zeigt (vgl. Bild 2). Moleküle lassen sich mit dem PD-Programm »Molekül« gleich so plastisch darstellen, wie mit dem Elementebaukasten.
Der Einsatz bleibt natürlich nicht nur auf die rein naturwissenschaftlichen Fächer beschränkt. Geographie wird durch eine sich drehende Weltkugel und einem Abfrageprogramm nach den Hauptstädten Europas erst so richtig abwechslungsreich. Die MIDI-Fähigkeiten eines Atari ST geben dem Musikunterricht neue Würze. In Gemeinschaftskunde läßt sich eine Wahl in der Klasse nach dem d'Hondschen Verfahren und dem Verfahren nach Hare-Niemeyer auswerten. Stellt man die Ergebnisse dann noch im Balkendiagramm mit einer Tabellenkalkulation dar, kommt richtiges WahInachtfeeling auf. Ein Demoarbeitsblatt hierzu für »LDW« finden Sie ebenfalls auf der TOS-Diskette (vgl. Bild 3).
Die gute alte Schreibmaschine gehört nicht nur in den Büros der Vergangenheit an, die Schreibmaschinenkurse an den Schulen werden mehr und mehr über die schulischen Computeranlagen abgewickelt. Mit der richtigen Software versorgt, spart das viel Geld und Platz in den Schulen. Selbst in den Arbeitsgemeinschaften macht sich der Computer nützlich. Die schuleigene Schülerzeitung entsteht mit einer Textverarbeitung schneller und sauberer auf den Rechnern. Längst haben viele Lehrer die Vorteile des Computereinsatzes erkannt. Die Noten lassen sich mit einem Computer viel effektiver verwalten, als mit dem Notenbuch.
Dabei ist es vollkommen unwichtig, ob man hierzu auf fertige Lösungen zurückgreift oder mit Hilfe einer Tabellenkalkulation eigene Lösungen sucht. Die eigentliche Arbeit findet mit der Namenseingabe zu Schuljahresbeginn statt, am Schuljahresende, wenn die Kollegen in Hektik verfallen, braucht man selbst nur noch die fertigen Noten abrufen. Zwischenstände lassen sich ebenfalls jederzeit abrufen. Beherrscht man seine Tabellenkalkulation, so lassen sich die Endnoten sogar in ein weiteres Arbeitsblatt laden, das dann alle Noten berechn ungen für den Durchschnitt erledigt und natürlich die Zeugnisse druckt. Ein LDW-Arbeitsblatt, das hier als Anregung gelten mag, liegt der TOS-Diskette bei. Im Makroteil finden Sie allen Befehle, um mit der Tabelle zu arbeiten - viel Spaß beim Knobeln. Leider genehmigen noch nicht alle Kultusministerien aus Datenschutzgründen die Notenspeicherung zu Hause, doch ein Umdenken in dieser Richtung ist erkennbar, schließlich sind paßwortgeschützte Computerdaten immer noch sicherer, als Klartextnoten im Notenbuch. Klassenarbeiten, mit Hilfe einer Textverarbeitung angefertigt, sind für bestimmte Fächer sehr flexibel, wenn man wieder darauf zurückgreifen möchte. Sei es für geringfügige Änderungen bei einem Nachschreibtermin oder wenn sich eine Aufgabe nicht bewährt hat. Die Änderung ist schnell ausgeführt, ohne daß man die gesamte Arbeit neu schreiben muß. Selbst die schon in Vergessenheit geratenen Umdruckmatrizen kommen durch den Computer zu neuem Glanz. Nach dem Computerausdruck auf Papier für den eigenen Ordner läßt sich die Matrize mit dem Nadeldrucker bedrucken, und nach dem Umdruckvorgang getrost wegwerfen. Das »Original« steckt ja noch sicher vewahrt im Disketten kästen. Und die ungeliebten Arbeitsblätter lassen sich mit Hilfe eines Malprogrammes viel schöner gestalten (vgl. Bild 4).
Doch mit den gekonnt gemachten Arbeitsblättern wird sich der ein oder andere Pädagoge nicht zufrieden geben. Dank der heimischen Computeranlage tauchen mehr und mehr eigene Unterrichtswerke der Lehrer in den Schulen auf. Selbst für den Bereich der Korrektur sind arbeitsersparende Möglichkeiten mit dem Computer durchaus denkbar, auch wenn es hier noch wie Zukunftsmusik klingen mag. Stellen Sie sich vor, die Schüler tippen eine Klassenarbeit nach dem Multiple-Choice-Ver-fahren direkt in eine Tabellenkalkulation hinein, d.h. der Schüler macht im Prinzip nur bei den richtigen Antworten ein Kreuz. Zu Hause lädt der Lehrer das Blatt in ein anderes Arbeitsblatt, ein Makro vergleicht die Lösungen, berechnet die Note, trägt diese in die Klassentabelle ein und druckt die Arbeit aus. Kommen doch noch schöne Zeiten auf die Lehrer zu?
Sobald größere Daten mengen zu verwalten sind, kommt heute der Computer ins Spiel. Das gilt in der Schule genauso wie in der Industrie. Für die Erfassung der Schülerdaten eignet sich der Computer hervorragend. Doch spezielle Schulverwaltungs-Software ist zumeist für das MS-DOS-Betriebssystem erschienen. Möchte man den Atari ST verwenden, muß man sich seinen Wünschen entsprechend mit »Adimens«, »Phönix« oder einer anderen Datenbank eine eigene Lösung anfertigen. Die jährliche Statistik läßt sich wiederum einfach mit einer Tabellenkalkulation in den Griff bekommen. Möchte man die Schulsekretärin entlasten, dann bastelt man die Tabelle so zurecht, daß der Ausdruck direkt in die amtlichen Formulare erfolgt. Rundschreiben und Elternbriefe animieren erst mit »Signum« so richtig zum Lesen und Schülerhinweisplakate mit »STAD« finden beste Beachtung. Dennoch muß der Atari ST wieder passen, wenn man Software zur Deputatsverteilung oder für die Stundenplanerstellung sucht. Hier muß man auf MS-DOS Rechner zurückgreifen. Wie wir gesehen haben, ist moderne Schule ohne Computereinsatz heute nicht mehr vorstellbar. Sicher muß man auf vielen Gebieten noch intensiv über die effektivsten Einsatzformen nachdenken, wobei dieses Nachdenken immer auch beeinflußt sein muß von den rasanten Entwicklungen im Hard- und Softwarebereich. Ein Aspekt, mit dem sich die administrativen Strukturen einer Schulbehörde zwangsläufig immer schwertun. Es ist daher vor allem dem Engagement vieler Lehrkräfte zu verdanken, daß die Schüler heute einen verhältnismäßig zeitgemäßen Computerunterricht erhalten. (wk)