Es ist immer wieder das gleiche Lied vom allmächtigen Fortschritt. Nachdem der Computer Arbeitsplatz, Privatsphäre und Kinderzimmer erobert hat, setzt er seinen Feldzug sogar in den heiligen Klassenzimmern fort. Teils freudig begrüßt, teils vehement bekämpft, hat er sich auch hier eingenistet.
Von den meisten Empfehlungen der Kultusministerien Deutschlands schlichtweg vergessen, gibt es doch einige Schule in unserem Land, deren Ausstattung aus Atari ST Rechnern bestehen. Die meisten dieser Schulen haben ihre Geräte bereits vor einigen Jahren angeschafft und die Lehrer sind mit ihrer damaligen Entscheidung immer noch höchst zufrieden. Die Empfehlungen der Kultusministerien dagegen lauten fast einhellig auf MS-DOS-Rechner. Bald schon, nachdem man den Computern die Schultüren öffnete, bemerkte man: Zumindestens bis zur Klasse 10 kann es nicht die Hauptaufgabe computertechnischer Grundbildung sein, den Schülern nur das Programmieren beizubringen. Die wenigsten Entlaßschüler aus Haupt- und Realschule werden zum Programmieren an die Rechner gesetzt.
Stattdessen erwartet sie im rauhen Berufsleben ein Arbeitsplatz mit Textverarbeitung, Dateiverwaltung oder Tabellenkalkulation, kurz Anwendersoftware. Die Kehrtwendung zu diesen Anwenderprogrammen brachte auch eine Kehrtwendung bei der Hardware mit sich. Gerade bei den Anwenderprogrammen jedoch begegnet uns wieder freudestrahlend der Atari ST. Legt man heutzutage wirklich Wert auf industrienahe Anwenderprogramme, so läßt sich feststellen: Bei der Textverarbeitung weitverbreitet im MS-DOS-Bereich finden wir WordPerfect. Ein Programm, das sich selbst mit Schulkonditionen nicht unter 400 Mark beschaffen läßt. Wordperfect für den Atari ST wurde vor Jahresfrist Z.T. an Schulen verschenkt, oder läßt sich pro Einzellizenz für ca. 150 Mark anschaffen. Im Bereich der Datenbanken würde man zwar nicht unbedingt auf den Veteranen »dBASE« zurückgreifen, doch wer unbedingt den Standard wahren möchte, findet mit »dBman« ein Äquivalent. Daneben finden wir ST-Programme, wie Adimens, die zwischenzeitlich ihren Siegeszug im MS-DOS-Bereich angetreten haben. Für die Preisrelation mag wieder ähnliches wie oben gelten. In der Tabellenkalkulation betrat soeben der Altmeister »Lotus 1-2-3« in einem neuen Gewand den PC-Ring: Unter Windows gibt es die Mausbedienung. »LDW« leistet dies schon seit Jahren auf dem Atari ST zu einem Preis von ca. 350 Mark Grafikprogramme sind dem ST sowieso auf den Leib geschnitten, einen Vergleich zum MS-DOS-Bereich sparen wir uns deshalb gleich.
Sicher hat auch der Programmierbereich seine Berechtigung in der Schule. Lernen doch hier die Schüler den Grundumgang mit dem Computer, Schleifen, Bedingungen, Ein- und Ausgaben. Bei Programmiersprachen greift man gerne auf Comal und Pascal zurück. Comal ist eine Programmiersprache aus Dänemark, die strukturiertes Programmieren ermöglicht und eine Stellung zwischen Basic und Pascal einnimmt. Pascal ist die wohl beliebteste Sprache im gymnasialen Bereich. Als Alternative bietet sich auch GFA-Basic an. Es fegte nicht nur eine Menge der Kritikpunkte vom Tisch, denen sich Basic generell gegenüber sah, als Programmiersprache läßt sich GFA-Basic durchaus mit Comal vergleichen. War es in der Anfangszeit noch ein häufig beklagtes Problem, daß für den Atari ST Turbo Pascal höchstens über CP/M verfügbar war, so demonstriert heute Maxon-Pascal Turbo Pascal-Feeling auf dem Atari ST.
Diese aufgezählten Beispiele verdeutlichen schon, daß eine Reihe bekannter Programme sowohl in der MS-DOS- als auch der Atari-Welt existieren. Umgekehrt möchte man sogar eher einflechten, daß ein Umsteiger von WordPerfect zu Word auf einem MS-DOS-Rech-ner größere Probleme haben kann, alsein Umsteiger von WordPerfect (Atari) auf WordPerfect (MS-DOS). Die Schule bringt es sicher nicht fertig, die Schüler gerade auf den Programmen zu schulen, mit denen sie später im Berufsleben umgehen müssen. Das kann aber auch nicht Aufgabe der Schule sein. Die Allgemeinbildung muß darin zu suchen sein, daß ein Schüler mit fast allen Textprogrammen Blöcke bilden, kopieren und verschieben kann. Mit allen Tabellenkalkulationsprogrammen soll er Berechnungen durch Formeleingabe auslösen. Und er muß wissen, warum sich eine große Datenmenge viel leichter mit einem Datenprogramm verwalten läßt, als mit einer Hängeregistratur. Das Erlernen der Feinheiten muß dann am Arbeitsplatz erfolgen.
Viel wichtiger als das Betriebssystem wird immer mehr das Vorhandensein einer grafischen Benutzeroberfläche, mit der ein Anwender zunächst in Berührung kommt. Wer einen Apple Macintosh mit Finder bedienen kann, findet sich nach kurzer Zeit mit dem GEM des Atari ST zurecht oder mit der Maus auf dem Amiga. Wie richtig und unumkehrbar der Trend ist, zeigt der große Erfolg von Windows im MS-DOS Bereich. Diese grafischen Benutzeroberflächen stellen eine neue Art der Standardisierung bei den Computern dar. Sie mindern auch die Angst bzw. die Einstiegshemmungen vor dem Computer. Nach unseren Beobachtungen gehen vor allem Schülerinnen viel ungehemmter mit Computern mit grafischer Benutzeroberfläche um als ohne diese Hilfe. Ein weiterer Vorteil liegt darin, daß Programme diese Möglichkeiten ausnutzen und Ähnlichkeiten in der Bedienung zeigen.
Man muß kein großer Prophet sein, um die zukünftige Entwicklung abzuschätzen. Computer werden ihren sicheren Platz in der Schule nicht nur behaupten, sondern auch ausbauen. In einigen Bundesländern sind Überlegungen im Gange, Informatik sogar als eigenständiges Unterrichtsfach einzuführen. Die dabei verwendeten Geräte werden immer leistungsfähiger und eine grafische Benutzeroberfläche obligatorisch vorhanden sein. Vielleicht fallen auch die mühsam eingerichteten Computerräume den steigenden Schülerzahlen wieder zum Opfer, zumal sich eventuell installierte Netze nur in den seltensten Fällen bewährt haben. Wenn die Entwicklung tatsächlich so verläuft, dann werden die vorhandenen Computer vielleicht tragbaren Lösungen in Form von Laptops (vielleicht als Klassensatz) weichen. Welche Rolle Atari dabei in der Schule spielt, wird nicht zuletzt durch Atari selbst bestimmt. Trotz der recht eindeutigen Empfehlungen seitens der Kultusministerien haben engagierte Lehrer immer noch Chancen bei der individuellen Beschaffung. (wk)