»The Game«, Spiele selbst entwerfen: Do it yourself

Wohl jeder, der seinen ST nicht nur für »ernste« Anwendungen nutzt, hat schon einmal davon geträumt, eigene Spiele zu entwerfen. Mit »The Game« lassen sich anspruchsvolle Spiele auch ohne große Programmierkenntnisse realisieren.

Ansätze in diese Richtung gab es auf dem ST schon mehrmals, etwa »STOS« oder die Omikron »Games Library«. Beides waren jedoch auf Spiele abgestimmte Programmiersprachen. Mit »The Game« aus dem Heim-Verlag lassen sich nun Spiele im Baukastenprinzip ohne eine Zeile Programm-Code zusammensetzen. Als Vorbild standen dabei offensichtlich die Spiele »Oxyd« und »Esprit« von Meinolf Schneider Pate: Es dreht sich nämlich alles um einen kleinen Ball, den Sie durch diverse Level steuern. Dabei müssen Sie bestimmte Steine berühren und anderen aus-weichen. Dieses Grundprinzip ist in allen mit The Game konzipierten Spielen gleich.

Bild 1. Aus diesen Elementen bauen Sie Ihr Spielfeld

Ausgangsbasis ist ein Spielfeld mit 19*12 Feldern. Darauf setzen Sie Steine, von denen The Game 228 verschiedene Arten zur Verfügung stellt. Die Steine lassen sich bei Bedarf grafisch ändern und durch Neue ergänzen. Dazu gibt es einen eigenen kleinen Grafikeditor namens »Gustav«, der über ansehnliche Fähigkeiten verfügt.

Die Spielkugel, deren Aussehen Sie übrigens auch bestimmen, muß die Steine überrollen. Je nachdem, welche Eigenschaft der Stein hat, tritt darauf ein Ereignis ein oder auch nicht.

Haben Sie die gewünschten Steine auf dem aktuellen Level plaziert, geht es darum, die jeweiligen Eigenschaften zu definieren. Dies geschieht im automatischen Logikeditor. So können sich Steine bei Berührung in einen anderen Stein verwandeln, bestimmte Aktionen auslösen (z.B. den Ball auf ein anderes Feld transportieren) oder andere Felder beeinflussen wie etwa Magneten aktivieren, die den Ball anziehen. Rätselsteine muß der Spieler in einer bestimmten Reihenfolge berühren. Die Steine geben dabei jedesmal Buchstaben preis, die zusammen ein Wort bilden. Bleibt der Ball zu lange auf einem Feld, bricht der Boden ein und die Kugel stürzt in einen Abgrund. Sie sehen schon an dieser kleinen Auswahl die Vielfalt der Kombinationen, die auch komplexe Spielsituationen erlaubt.

Um das Spiel zusätzlich zu erschweren, sind auch Gegner zugelassen, hier ein Verfolgerstein. Er verfolgt die Spielkugel und wenn er sie erwischt, dann ist wieder ein Leben futsch. Das Verhalten des Verfolgers ist allerdings nicht sonderlich intelligent und beruht auf reinem Koordinatenvergleich. In einem Labyrinth-artig aufgebauten Spielfeld hat der Verfolger deshalb keine Chance. Letztendlich muß der Ball selbst natürlich auch noch Eigenschaften haben, beispielsweise Maus-Sensibilität, Beschleunigung, Reibung des Bodens und ähnliches.

Das Zuweisen von Eigenschaften geht im Dialog mit dem Computer sehr flott vor sich - kein Vergleich jedenfalls mit einer »zu-Fuß-Programmierung«. Um etwa einen Killer-Stein zu definieren, wählen Sie das entsprechende Feld, weisen

Bild 2. Die mitgelieferten Programme zeigen was in The Game steckt

ihm die Eigenschaft »Totenkopfstein« zu und bestimmen, ob dazu noch eine weitere Aktion (Sound, Ausgabe einer Meldung etc.) geschieht. Mühsam ist nur, daß man jeden Stein einzeln definieren muß, eine Aktion also nicht gleich auf mehrere Steine einer Gattung wirkt. So müssen Sie auch in jedem neuen Level mit der Programmierung wieder von vorne anfangen. Das Aussehen der Spielstufen läßt sich jedoch übernehmen.

Alle Eigenschaften von Steinen speichert der »Game-Maker« in Logiksequenzen, einer zehnstelligen Ziffernfolge. Wer will, darf diese per Hand verändern und hat damit noch mehr Einfluß auf das Verhalten der Steine.

Haben Sie alle Details festgelegt, sollten Sieden Level probespielen. Fällt er zu Ihrer Zufriedenheit aus, geht es an die nächste Spielstufe, bis das ganze Spiel fertig ist. Bei 1 MByte Hauptspeicher stehen 50 Level zur Verfügung. Bei mehr RAM kommt man auf maximal 100 Etappen. Zum Start des fertigen Spiels benötigen Sie ein eigenes, mitgeliefertes Programm, den »Game-Player«. Diesen Runtime-Interpreter dürfen Sie zusammen mit Ihrem Spiel weitergeben, denn er ist Public Domain.

Was The Game nicht überwacht, sind logische Fehler: Wenn Sie den Ball also per Ereignis in einen Wandstein transportieren, sind Sie selbst Schuld. In so einem Fall kann es zum Absturz kommen. Das Handbuch rät deswegen, ein Spiel vor jedem Testlauf zu speichern. Letzteres entwickelt sich jedoch schnell zu einer nervenaufreibenden Angelegenheit, denn der Kopierschutz ist eine mittlere Katastrophe. Bei jedem Speichern des Spieles muß man im Handbuch aus 12000 Möglichkeiten eine magische Zahl eingeben. Und da man dies wegen der Gefahr logischer Fehler vor jedem neuen Probelauf tun sollte, verbringt man letztlich fast ebensoviel Zeit mit dem Zahlensuchen wie mit dem Programmieren.

Zum guten Spiel gehört der gute Ton. The Game enthält deswegen einen kleinen Soundeditor, mit dem Sie Samples bearbeiten. 14 recht interessante Toneffekte liefert das Programm bereits mit. Reicht das nicht, dann müssen Sie zum Sampler greifen. Das Programm verarbeitet 8- und 16-Bit-Sounds. Der Editor ersetzt zwar bei weitem keine professionelle Sample-Software, aber für seinen Zweck reicht er. Wer im Spiel zu viele Soundeffekte auf einmal verwendet, riskiert jedoch, die sonst sehr flotte Ausführungsgeschwindigkeit deutlich zu bremsen.

Nicht so gut wie das Programm ist das Handbuch gelungen. Die Erklärungen sind zwar ausreichend und durch viele Beispiele ergänzt, aber der Aufbau ist ungeschickt und setzt vom Leser oft Dinge voraus, die er erst viel später erläutert bekommt. Zum Lieferumfang gehören zwei Spiele, die recht eindrucksvoll verdeutlichen, was alles in The Game steckt.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Mit The Game entstehen Spiele nicht von alleine. Nach wie vor ist ein gehöriges Maß an Planung und Disziplin nötig, bis das Meisterwerk steht. Das Programmieren selbst geht jedoch sehr einfach vor sich und erfordert keinerlei Vorkenntnisse. Durch das Frage-und-Antwort-Prinzip übernimmt The Game eine Menge Arbeit. Und bietet dabei wesentlich mehr als ein reiner Leveleditor. Die Ergebnisse können sich sehen und hören lassen. So ist das Programm trotz kleinerer Schönheitsfehler (allen voran die Kopierschutz-Abfrage) jedem zu empfehlen, der Spiele auch ohne Programmierkurs entwerfen will. Der Preis von 98 Mark ist günstig. The Game benötigt 1 MByte RAM und läuft in monochromer Auflösung. (wk)

Heim-Verlag, Heidelberger Landstr 194 6100 Darmstadt-Eberstadt

WERTUNG

Name: The Game
Preis: 98 Mark
Hersteller: Heim-Verlag

Stärken: umfangreiche Funktionen □ einfaches Entwerfen □ integrierte Grafik- und Soundeditoren □ günstiger Preis

Schwächen: äußerst lästiger Kopier schütz □ Aufbau des Handbuchs □ stürzt bei logischen Fehlern ab

Fazit: Ein leistungsfähiges Spiele-Entwicklungspaket zu einem günstigen Preis


Marc Kowalsky
Aus: TOS 02 / 1992, Seite 26

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