Porträt der Firma Soft Arts: Quicklebendig

Die Firmen, die es geschafft haben, sich gegen die beiden MIDI-Riesen aus Hamburg zu behaupten, lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Soft Arts aus Berlin gehört dazu. Wir sprachen mit Firmenchefin Michaelle Frey.

TOS: Wann kam es zur Gründung von Soft Arts?

Michaelle Frey: Das war 1987. Damals waren wir noch zu dritt, der Olaf Blum, Peter Sturm und ich. Wir arbeiteten zu der Zeit alle bei einem anderen Musik-Softwarehaus in Berlin und dachten uns, das können wir eigentlich auch selber. Aber nach dem Prinzip der zehn kleinen Negerlein verließ einer nach dem anderen die Firma, so daß ich seit Anfang 1990 Soft Arts alleine leite.

TOS: Haben die Herren der Schöpfung nicht manchmal Probleme damit, daß ausgerechnet eine Softwarefirma, eigentlich eine Männer-Domäne, von einer Frau geleitet wird?

Michaelle Frey: Oh, ja. Es gibt wirklich heute noch Leute, die glauben, ich könnte eine 3,5- nicht von einer 5,25-Zoll-Diskette unterscheiden. Viele Männer können sich zudem einfach nicht vorstellen, mit einer Frau Geschäfte zu machen. Ganz schlimm sind da die Japaner, die reden noch nicht mal mit mir. Da muß ich dann immer einen meiner Programmierer mitnehmen. Das sieht dann so aus, daß ich rede und die Herren meinem Programmierer antworten, die gucken mich kaum an. Aber ich denke, daß gerade im Musik-Software-Business mehr Frauen gut täten. Da käme sicherlich noch einiges mehr an Intuition mit ins Spiel.

TOS: Dann gibt es sicherlich ein spezielles Soft-Arts-Konzept?

Michaelle Frey: Ein konkretes Soft -Arts-Konzept existiert seit Anfang 1990 - seit der Entwicklung des Live-Sequenzers. Wir bemühen uns schwerpunktmäßig um eine gute Benutzerführung in Verbindung mit "Live"-Ideen, im wahrsten Sinne des Wortes.

TOS: Was dürfen wir denn in Zukunft von Soft Arts erwarten. Gibt es Bemühungen, auch mal ein Produkt im High End-Bereich zu plazieren?

Michaelle Frey: Wir bemühen uns verstärkt, unsere Programme Hardware-unabhängig zu programmieren. Unser Ziel für die Zukunft ist es, möglichst universelle Tools mit gradliniger Benutzerführung anzubieten, die z.T. schon im High-End Bereich angesiedelt sein sollen - allerdings immer unter dem Gesichtspunkt, daß der Kunde noch damit arbeiten kann, einfach und schnell. Ich hoffe ja, daß Live einmal ganz oben mitlaufen wird.

TOS: Dementsprechend gibt es also schon konkrete Pläne, Software auch für andere Rechner zu entwickeln?

Michaelle Frey: Ja! Gibt es.

TOS: Und darf man fragen, über welche Projekte für welchen Computer nachgedacht wird? Dürfen sich vielleicht PC-Besitzer demnächst über eine Live-Umsetzung freuen?

Michaelle Frey: Nein, eine Portierung von Live ist direkt nicht im Gespräch, wir denken allerdings an einen Sequenzer für den PC. Weiterhin haben wir auch noch den Mac im Auge.

TOS: Wie beurteilt Soft Arts die Zukunft des Atari in der Musikwelt?

Michaelle Frey: Der ST ist nach wie vor ein Rechner mit unschlagbarem Preis-/Leistungsverhältnis. Es gibt keinen Computer in Europa, für den im Musikbereich so eine große Auswahl an phantastischer Software zu derart günstigen Preisen existiert. Zudem hat sich gerade im Musikbereich ein unheimliches Know-How für diesem Rechner angesammelt. Ich hoffe daher natürlich, daß Atari den Markt nicht aus den Augen verliert und entsprechend reagiert. Es trifft schließlich in erster Linie den User, wenn sich der Markt verändert.

TOS: Und in welche Richtung wird sich der Musiksoftware-Markt im Großen und Ganzen in nächster Zeit entwickeln?

Michaelle Frey: Der Trend geht meiner Ansicht nach ganz klar in Richtung universell anwendbarer Anwendungen und Tools. In jedem Fall rückläufig ist die Entwicklung von Editorsoftware. Angesichts des ständig schwankenden Marktes lohnt sich die mehrmonatige Arbeit an einem großen Editorkonzept einfach nicht mehr. Auch bei den Kunden ist eine gewisse Marktmüdigkeit zu spüren.

TOS: Eine letzte Frage: Was ist am Musiksoftware-Markt besonders ärgerlich?

Michaelle Frey: Der ewige Preisverfall durch Dumping-Anbieter und die Raubkopiererei.


Kai Schwirzke
Aus: TOS 02 / 1992, Seite 54

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