Hans im Glück gegen das Doppelte Lottchen - Terminalprogramme im Vergleich: Rufus contra STalker/STeno

Nein, dieses seltsame Duell ist nicht etwa eine Paarung in einer neuen Phantasy-Fußballsimulation, sondern das Motto für unseren Terminalprogramm Vergleichstest. Wir ließen das beliebte brandneuen Version des Sharewareprogramms »Rufus« gegen die Kombination »STalker/STeno« antreten. Der Vergleich brachte einige interessante Aspekte, die man bei der Bewertung von Software nur selten berücksichtigt. Vor allem das Preis-Leistungsverhältnis geht häufig schnell aus dem Blickfeld. Hier allerdings ist das ganz und gar nicht so.

Sie fragen sich sicherlich, weshalb wir - anscheinend von allen guten Geistern verlassen - ein einzelnes Programm, zudem noch Shareware, gegen ein »professionelles« Doppel ins Rennen schicken. »Fair Play« heißt die verblüffend einfache Antwort auf Ihr verständliches Unbehagen. Während der Autor Michael Bernards »Rufus« bereits einen internen flotten Schreiberling verpaßte, ist der Kontrahent »STalker« aus der Feder von Eric Rosenquist auf Hilfe von außen in Form des Accessories »STeno« angewiesen. STeno und STalker machen sich also das bei Accessories mögliche Software-Pipelining zunutze.

STalker

Bei beiden Programmen haben Sie die freie Wahl, ob Sie sie als stets residentes Accessory oder als normale Applikation nutzen möchten. Der Betrieb als Accessory bietet den Vorteil, STalker im Hintergrund arbeiten zu lassen, um so z.B. automatisch Ihre Lieblingsmailbox alle zwei Stunden nach neuen Nachrichten zu durchforsten. Die dafür notwendige Programmierung erfolgt über »Back-TALK«, die umfangreiche Kommandosprache STalkers. Eingebaut ist in diesem Fall allerdings nicht der richtige Ausdruck, da in Back-TALK geschriebene Script-Dateien - in ihrer Syntax übrigens sehr C ähnlich - vor ihrem ersten Einsatz zu compilieren sind. Der dazu erforderliche Compiler liegt auf der Programmdiskette vor und verrichtet seine Arbeit auf Wunsch ebenfalls als Accessory.

Anwender, die mit 1 MByte RAM auskommen müssen, verzichten höchstwahrscheinlich auf den flotten Accessory-Dreier, der doch immerhin stattliche 220 KByte RAM für sich in Anspruch nimmt. Außerdem belegt dieses Dreigestirn bereits die Hälfte aller zur Verfügung stehenden Accessory-Slots, so daß bei vielen sicherlich der Einsatz eines Accessory-erweiternden Utilities unumgänglich ist. Hervorragend gelöst ist die »Menüfrage« bei STalker und STeno. Beide Programme bedienen sich im Normalbetrieb der GEM-Menüleiste. Diese steht bei Accessories aber bekanntlich nicht zur Verfügung. So ergäbe sich im Normalfall eine starke Divergenz in der Benutzerführung, die im schlimmsten Fall in einer reinen Tastatur-Shortcut Bedienung mündet. Nicht jedoch bei unseren beiden Probanten, die als Accessory einfach eine, der GEM-Version bis aufs I-Tüpfelchen gleichende, nachgemachte Menüleiste am oberen Fensterrand besitzen. Einziger Unterschied zum Original: Sie müssen einen Menüeintrag anklicken, bevor er ausklappt. Eine im übrigen von vielen Anwendern bevorzugte Arbeitsweise. Doch halt! Es gibt noch einen weiteren Unterschied: Befindet sich STalker bzw. STeno zu weit am unteren Bildschirmrand, so daß eine komplette Darstellung des Menüs nicht mehr erfolgen kann, klappen die Einträge einfach nach oben. Eine ebenso einfache wie geniale Lösung.

Nur Positives gibt es auch von der Kommunikation zwischen STalker und STeno zu berichten. Als Accessory installiert, läßt sich problemlos zwischen beiden Programmen per Tastendruck hin- und herschalten, transferieren Sie Texte von STalker nach STeno und umgekehrt oder protokollieren Ihre Sitzungen automatisch in STeno. STeno verfügt dabei für einen Editor über ausreichende Funktionsfülle, so daß Sie alle anfallenden Textprobleme angemessen meistern. Schade ist allerdings, daß STeno nicht Zeilen- sondern halbseitenweise scrollt, was zu-mindestens anfangs gewöhnungsbedürftig ist. Funktionenvielfalt der gehobenen Klasse bietet STalker. Neben den üblichen Menüpunkten zum Konfigurieren der RS232-Schnittstelle verwandeln Sie Ihren ST bei Bedarf in eine Mini-Mailbox. So haben entweder Ihre Bekannten Gelegenheit, Ihnen auf Ihrem ST eine Nachricht zu hinterlassen, oder aber Sie steuern Ihren Computer per Telefon fern. Zu diesem Zweck gibt Ihnen STeno nach Eingabe des richtigen Passworts einen Command-Line-Interpreter (CLI) zur Benutzung frei. Ein PD-CLI mit ausführlicher Anleitung befindet sich auf der STalker-Diskette. Komfortabel gerät mit STalker das Anwählen von Mailboxen. Für jede Mailbox legen Sie getrennt Modem- und Schnittstellenparameter fest und bestimmen, ob STalker nach erfolgreichem Log-In eine BackTALK-Datei ausführen soll. Sie automatisieren so bei Bedarf Ihren kompletten Aufenthalt in einer Mailbox. Soll STalker einfach nur das Einloggen erledigen, tragen Sie in einer Dialogbox die von der Box gestellten Fragen und Ihre Antworten ein, z.B.: Name und Passwort. Weiterhin können Sie für jeden Eintrag in der Telefonliste die »Kosten pro Stunde« eingeben, sowie einen maximalen Betrag, den Sie pro Box und Sitzung zu vertelefonieren bereit sind. Überschreiten Sie diesen Betrag, warnt Sie STalker entsprechend. Für den Dateitransfer bietet STalker die gängigen Protokolle X-, Y- und ZModem in allen denkbaren Varianten an. Zusätzlich lassen sich auch noch die wichtigsten Parameter für jede Übertragungsart individuell festlegen. STalker beherrscht die Emulation von drei Terminaltypen: VT52, VT100 sowie PC-ANSI. Zwar sind theoretisch noch mehr Emulationen denkbar, doch sollten Sie im Normalfall mit der hier getroffenen Auswahl problemlos zurecht kommen. Wie es sich für ein anständiges DFU-Programm gehört, gestattet STalker auch die freie Belegung der Funktionstasten. Im Gegensatz zu vielen anderen Terminalprogrammen erlaubt STalker jedoch die Verkettung mehrerer Funktionstasten. So belegen Sie z.B. F10 mit dem Aufruf von F1 und F5. Auch BackTALK-Dateien lassen sich in eine Funktionstasten-Sequenz mit einbeziehen.

Insgesamt ist das Paket STalker/STeno eine runde Sache. Angesichts des Preises muß sich aber jeder „normale" DFÜ-Anwender fragen, ob er denn wirklich all die Features benötigt, mit denen sich STalker/STeno schmückt, oder ob er nicht einiges sparen kann.

Bild 1. STalker und STeno im trauten Accessory-Miteinander. Wenn's nicht mehr passt, klappt das Menü nach oben.
Bild 2. STalkers Mini-Mailbox macht mobil.
Bild 3. Backtalk, die Programmiersprache zu STalker erinnert stark an C
## WERTUNG

Name: STalker
Preis: 179 Mark
Hersteller: Strata Software, Vertrieb Computerware Sender

Stärken: als Accessory lauffähig □ Menüleiste auch bei Accessory □ arbeitet im Hintergrund □ Mini-Mailbox □ Programmiersprache »Backtalk«.

Schwächen: Editor nur als zusätzliches Accessory

Name: STeno
Preis: 69 Mark
Hersteller: Strata Software, Vertrieb Computerware Sender

Stärken: kleiner, handlicher Editor □ auflösungsunabhängig □ als Accessory beinahe immer zur Hand

Schwächen: nur ein Text □ nur halbseitiges Scrolling □ keine Spalten/Zeilen-Anzeige online □ Zeilenlänge nicht einstellbar;

Fazit: Beide Programme sind einzeln gut, mit teilweise einzigartigen Features (bei STalker), aber im Vergleich relativ im Vergleich zu Rufus ebenfalls zu teuer.

Rufus

Wie bereits unser erster Kandidat, verrichtet auch Rufus seine Arbeit entweder als Accessory oder als »ordentliches« Programm. Allerdings muß man im ersten Fall auf die gerade für Einsteiger nützliche GEM-Menüleiste verzichten, da sich Rufus dann mit Ausnahme der Telefonliste nur noch per Tastatur bedienen läßt. Im Prinzip kann Rufus all das, was auch sein kommerzieller Kollege beherrscht, allerdings mit einigen Ausnahmen. So beherbergt Rufus keine eingebaute Mailbox, sondern besitzt stattdessen einen einfachen BTX-Dekoder. Ist bei STalker ein externer Editor nötig, so ist dieser, wie bereits erwähnt, bei Rufus implementiert. Der ist zwar etwas schlichter gestrickt als STeno, erfüllt aber für DFÜ-Zwecke seine Aufgabe voll und ganz. Die in Rufus eingebaute Script-Sprache benötigt im Gegensatz zu Back-TALK keinen Compiler. Rufus arbeitet die Kommandosprache ähnlich einem Interpreter ab. Leider ist bei Rufus der Weg über diese Sprache die einzige Möglichkeit, das Log-In vom Computer ausführen zu lassen, eine Funktion zum Auto Log-In fehlt in der Version 1.1. Im Ausgleich hierzu weiß die Telefonliste von Rufus besser zu gefallen. Sie kommt in einem extra Fenster daher und glänzt mit zeitgemäßen Icons. Nummern, die sich außerhalb des gerade sichtbaren Bereichs befinden, erreichen Sie mühelos über die Scrollpfeile oder mit Hilfe der eingebauten Suchfunktion. Allerdings lassen sich bei Rufus nicht für jede Mailbox getrennte Terminal- und Modem-Einstellungen speichern. Dieser Mangel fällt jedoch nicht allzu schwer ins Gewicht, da die meisten Boxen heutzutage ohnehin mit einem weitgehend gleichen Parametersatz operieren. Von Haus aus beherrscht Rufus den Dateitransfer per X- und Y-Modem. Soll die Übertragung mit dem schnelleren und sichereren Z-Modem erfolgen, müssen Sie GSZRZ.ACC beim Booten laden, über das Rufus die ZModem-Kommunikation abwickelt. In der Praxis erwies sich Rufus als gut zu handhabende DFü-Software, die sich trotz des etwas geringeren Funktionsumfangs tadellos bewährte. Lediglich der Betrieb als Accessory setzt aufgrund der fehlenden Menüleiste bereits einiges an »Rufus-Know How« voraus. Das jedoch eignet sich jeder Anwender sehr schnell an. Wer es nicht glaubt, der sollte sich schnellstens die Software von der TOS-Diskette entpacken und einmal einen Probelauf starten. Es sei aber noch einmal dringend darauf hingewiesen, daß Rufus Shareware nicht Public Domain ist. Wer also das Programm öfter nutzt, der sollte die 50 Mark fairerweise zahlen, damit vielleicht noch mehr Softwareleistung dieses Niveaus auf den Markt kommt.

Super-Leistung zum Traumpreis

Und mit welchem Endergebnis trennen sich nun unsere Testkandidaten? Die Antwort fällt angesichts des zu berücksichtigenden Preis/Leistungsverhältnisses nicht weiter schwer. Hier hat Rufus ganz eindeutig die Nase vorn. Für 50 Mark bekommen Sie ein komfortables Terminalprogramm mit allem Drum und Dran, einschließlich einer umfangreichen Programmiersprache. Zwar trumpft STalker mit einer pfiffigen Menüleisten-Konstruktion im Accessorybetrieb auf und weiß durch das integrierte Z-Modem-Protokoll Pluspunkte zu sammeln, doch verfügt Rufus dafür über einen programminternen Editor, der bei STalker erst nach Installation von STeno bereit steht. Dadurch können Sie natürlich STeno auch losgelöst von der reinen DFÜ-Anwendung nutzen, doch kostet bereits STeno mehr, als der Shareware-Beitrag für Rufus.

Wer seinen Atari gelegentlich als Mini-Mailbox nutzen möchte, weiß sicherlich dieses Extra STalkers zu schätzen. Im Gegenzug kontert Rufus allerdings mit einem kleinen BTX-Decoder, der sicherlich noch mehr Freunde findet. Einen kleinen Vorsprung erringt STalker durch seine Fähigkeit, im Hintergrund Back-talk-Program me auszuführen und Dateien zu transferieren. Positiv schlägt auch die Möglichkeit des automatischen Log-Ins zu Buche, für das Sie bei Rufus die eingebaute Programmiersprache bemühen müssen. Dennoch gelingt es dem »Dynamic Duo« nicht, den enormen Preisvorsprung von Rufus wettzumachen, und so endet dieses Match klar 2:1 für Rufus. Doch soll das Ergebnis nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Team STalker/STeno einen patenten zweiten Sieger abgibt. (wk)

Computerware Senter, Weißer-Str. 76, 5000 Köln 50

Michael Bernards, Bussardweg 1, 5204 Lohmar 1

## WERTUNG

Name: Rufus 1.1

Preis: 50 Mark Shareware-Gebühr
Hersteller: Michael Bernards

Stärken: reichhaltige Funktionen □ eingebaute Programmiersprache □ läuft auch als Accessory □ BTX-Decoder □ integrierter Editor

Schwächen: Auto-Log-In etwas umständlich □ Z-Modem als externes Modul □ im Accessory-Betrieb größtenteils nur Tastaturbedienung

Fazit: Wer mehr bezahlt ist selber schuld.

Bild 4. Die Telefonliste gefällt durch gute Icons und gelungene Suchfunktionen
Bild 5. Rufus als Accessory macht's möglich: DFÜ in Pure C

Kai Schwirzke
Aus: TOS 02 / 1992, Seite 114

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