Mit Zeichensätzen Zeichen setzen: Grundlagen der Schriftgestaltung und Typografie, Teil 3

Der letzte Teil unseres Kurses beschäftigt sich mit dem Einsatz von Schrift bei der Gestaltung von Logotypes. Logotypes kennt jeder, sie begegnen uns auf fast allen Drucksachen, auf Stempeln, Kugelschreibern, Streichholzbriefchen, auf Autobeschriftungen, Leuchtreklamen, Hausfassaden, Plakatwänden, Flugzeugen, Schiffen und natürlich auf dem täglichen Gegenüber: dem Computer.

Logotypes sind dieZeichen, mit denen sich Firmen präsentieren. Auf Deutsch heißen sie übrigens »Wortbildzeichen«, gerne auch »Logo« oder »Signet« genannt. Das Signet war übrigens ursprünglich ein Drucker- oder Verlegerzeichen, dessen Bedeutung sich im Laufe der Zeit änderte. So entwickelte sich aus dem Zeichen des Druckers oder Verlegers eine Schutzmarke des Herstellers und das Aushängeschild des Unternehmens.

Der fürchterlich amtlich klingende Begriff Wortbildzeichen beschreibt recht gut, worum es geht. Eine möglichst einmalige Gestaltung eines Wortes oder Kürzels in Verbindung mit Bildelementen oder grafischen Beigaben. In der Regel handelt es sich um Firmen- oder Produktnamen, die durch ein Logotype einprägsam und werbewirksam präsentiert werden. Ähnlich wie die Wappen der alten Rittersleut, dürfen Logotypes nur vom rechtmäßigen Eigentümer (oder Produkt) getragen werden. Neben der Werbewirkung eines Logotypes, der Präsentation von Markenware oder Firma, stellt das Wortbildzeichen auch einen rechtlichen Schutz vor Mitbewerbern im Dschungel der Marktwirtschaft dar.

Im letzten Jahrhundert üblich: Illustrative Logotypes. Im heutigen Konkurrenzkampf eignen sich solche dekorativen Zeichen lediglich für Produkt-Logos, weniger für Firmen-Signets.

So richtig schön wird die Schutzwirkung eines Logotypes natürlich erst, wenn der große Bruder Rechtsstaat seine Unterstützung gegen Mißbrauch gewährt. Dies geht tatsächlich, wenn ein Logotype beim Patentamt als geschütztes Wortbildzeichen (Trademark, Schutzmarke) eingetragen ist. Das Logotype bekommt mit dem dann ehrenvoll verliehenen »R« den Schutz des Staates gegen Mißbrauch, Fälschung und ähnliche Gemeinheiten der Konkurrenz.

Wie bei Behörden üblich, ist die Anerkennung eines Wortbildzeichens als schützenswertes Kulturgut von zahlreichen Bestimmungen, Gebühren und jeder Menge Papierkrieg abhängig. Wesentlichste Forderung der Patentschützer ist wohl die Einmaligkeit des Entwurfes. Einmalig ist hierbei übrigens nicht mit gestalterischer Qualität gleichzusetzen. Bereits die Ähnlichkeit eines Zeichens mit schon geschützten Signets führt zur erbarmungslosen Ablehnung des Patentamtes. Die Aufgabe des Logotype-Entwerfers ist damit bereits definiert. Es gilt, ein Zeichen zu entwickeln, das in jeder Größe (vom Kugelschreiberaufdruck bis zur Fassadenbemalung) schnell erkennbar, werbewirksam und einprägsam und zudem ästhetisch, einmalig und schützenswert ist. Eine Aufgabe, die gerne unterschätzt wird (... machen Sie mir doch mal eben ein Firmenzeichen... ) und deren Arbeitsaufwand bei spezialisierten Agenturen (wie »Henrion« in London) zu durchaus gerechtfertigten Honorarbeträgen führt, die sich nur Großunternehmen leisten können.

Um ein ästhetisch ausgewogenes Logotype zu gestalten, sollten die Grundlagen der Schriftgestaltung (Kurs Teil 1) ebenso bekannt sein, wie die verschiedenen Schriftfamilien (Kurs Teil 2). Nur ausgewogene Typografie befähigt ein Logotype, sich mehrere Jahrzehnte zu bewähren. Ausgehend vom bereits oben erwähnten Wappen, entwickelten sich das Firmen- und das Produkt-Logo zunächst sehr dicht am ritterlichen Vorbild. Erste Logotypes waren sehr bildhaft und detailreich ausgearbeitet. Sie dienten ausschließlich der würdevollen Präsentation und waren nicht der heute üblichen Massen-Konkurrenz ausgesetzt.

Die inflationäre Verbreitung gedruckter Information zog natürlich eine Veränderung der Logotype-Gestaltung nach sich. Heute muß ein Logo vor allem »schnell« sein, ln Bruchteilen einer Sekunde entscheidet sich, ob ein Logotype beim schnellen Durchblättern einer Zeitschrift gesehen wird oder nicht. Ebenso schnell muß man das Logo auf einem vorüberfahrenden PKW erkennen. Ein Logotype soll aus großer Entfernung auf einer Plakatwand oder dem Leitwerk eines Flugzeuges deutlich sichtbar sein. Ästhetisch muß sich das Zeichen sowohl auf dem zwei Millimeter hohen Kugelschreiberaufdruck bewähren, als auch auf der 20 Meter hohen Hausfassade.

Im Laufe des letzten Jahrhunderts entwickelten sich deshalb die Firmen- und Produkt-Zeichen von feingezeichneten Illustrationen zu stark reduzierten grafischen Zeichen. War beispielsweise zur Zeit unserer Großväter der Wappenvogel eines bekannten Füllfederhalter-Produzenten sehr illustrativ dargestellt, so reduzierte sich der Vogel von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zu einem grafisch wohlausgewogenen Zeichen, ohne jedoch seine Identität zu verlieren. Die Fluggesellschaft »KLM« ließ sich die Reduzierung ihrer Krone im Logotype ein kleines Vermögen kosten, die meßbar erhöhte Werbewirkung des neuen, sehr grafischen Zeichens brachte die Ausgaben schnell wieder ins Haus. Gestalter sprechen hier übrigens nicht von Reduzierung, sondern vom gesteigerten »Iconizitätsgrad« (mit zunehmender Reduzierung der grafischen Elemente steigt die Iconizität des Logotypes, treffend hierzu der englische Begriff »Icon« für ein Pictogramm).

Die Entwicklung des Logotypes führte immer mehr zum völligen Verzicht auf Bildelemente im Signet. Grafische Elemente, wie Linie, Kreis, Quadrat oder Dreieck kombiniert man in modernen Logotypes mit Schrift. Soll ausschließlich Schrift eingesetzt werden, dann muß der Schriftzug so einmalig gestaltet sein, daß er unverwechselbar und im Sinne des Patentamtes schutzfähig ist. Das beste Beispiel für ein gelungenes rein typografisches Logotype ist der zeitlose Coca-Cola-Schriftzug.

Die landläufige Meinung, gute Logotypes entstünden durch kreative Eingabe sozusagen über Nacht, trifft auf die wenigsten Zeichen zu. Die Entwicklung eines Logotypes dauert nicht selten ein halbes oder auch ganzes Jahr. Der typische Arbeitsablauf für die Logoty-pe-Gestaltung sieht so aus:

Schritt 1: Problemdefinition
Was soll das Logo aussagen. Wo wird es eingesetzt. Für wen oder was steht das Logotype.

Schritt 2: Ideenfindung
Basis für eine lange Entwurfsphase. Hier ist der enge Kontakt zwischen Auftraggeber und Entwerfer wünschenswert. Zumindest sollte ein klar umrissenes »Briefing« (exakte schriftliche Aufgabenstellung des Auftraggebers) vorliegen.

Schritt 3: Findung der Grundform
Zunächst ist eine Analyse der Firma oder des Produktes nötig. Die Form des Zeichens soll den Charakter des Unternehmens bzw. der Ware wiederspiegeln. In einer ausgiebigen Entwicklungsphase versucht man, die ideale Form/Schrift- oder Bild/Schrift-Kombination zu finden.

Schritt 4: Überprüfen der Entwürfe relativ zum Gesamtkonzept
Natürlich steht ein Logotype nicht allein. Das Firmenzeichen steht für die »Corporate Identity« (das einheitliche Erscheinungsbild) der Firma oder des Produktes. Man muß also darauf achten, daß sich der Entwurf besonders gut in das Gesamtkonzept einbinden läßt. Schritt 5: Endgültige Form des Logotypes Aus den Vorentwürfen wählt der Auftraggeber das endgültige Logotype aus.

Schritt 6: Die erste Reinzeichnung
Das Logotype wird nach den Regeln der Typografie überarbeitet und als Druckvorlage aufbereitet.

Schritt 7: Findung der Grundformen für die relevanten Medien
Jedes Medium hat seine Eigenheiten, das Logo im Vierfarbdruck einer Hochglanzbroschüre wirkt natürlich anders als schwarz-weiß in der Tageszeitung, aus Folie geschnitten auf dem Firmenwagen, unscharf auf Stempel und Freistempler und so weiter. Für jedes geplante Einsatzgebiet muß das Zeichen optimal angepaßt sein, auch an die drucktechnischen Gegebenheiten (Stempel- und Siebdrucktaugliche Strichstärken, Rastervorgaben etc.)

Schritt 8: Überprüfen der Variationen relativ zum Gesamtkonzept
Die notwendigen Abweichungen für verschiedene Einsatzgebiete des Logos dürfen nicht die Gesamtkonzeption stören.

Schritt 9: Endgültige Form
Das Zeichen wird in allen Varianten definiert. Ein Manual legt fest, welche Zeichenvariante für welchen Zweck zum Einsatz kommt. Nur das strikte Befolgen eines solchen Manuals führt zu optimalem Erfolg des Logos.

Schritt 10: Abschließende Korrektur der Entwürfe
Die Raute wirkt wie eine Mischform aus dem seriös-statischen Rechteck und dem aufmerksamkeitsstarken Dreieck

Letzte typografische Feinarbeit führt zur abschließenden Reinzeichnung.

Schritt 11: Das Ende vom Lied
Die Präsentation des Logos und die Bewährungsprobe im alltäglichen Einsatz.

Für den Entwerfer am spannendsten sind die Schritte 1 bis 3 dieser Aufstellung. Hier finden die wesentlichsten Gestaltungs-Entscheidungen statt. Auf diese Arbeitsgänge gehe ich deshalb etwas näher ein. Haben Sie die Aufgabe, ein Logotype zu entwerfen, benötigen Sie folgende Basis-Überlegungen:

Welche Textbestandteile wollen Sie in das Logotype übernehmen? Zur Auswahl stehen das Wort, die Abkürzung, eine Wortgruppe oder die Kombination dieser Elemente. Haben Sie sich hier entschieden, müssen Sie eine passende Schriftgruppe (siehe Kursteil 2) auswählen. Welche Schriftklasse verkörpert am besten die Firma oder das Produkt? Sicherlich ist eine Fraktur nicht die beste Wahl für ein HighTech-Unternehmen. Sinnvoll ist die Zuhilfenahme eines Schriftmusterbuches. Standardwerke sind die kostenlose Linotype-Library (direkt vom Hersteller in Eschborn), der kostenlose Compugraphic-Schriftenkatalog (direkt von Compugraphic), der Letraset-Katalog (im grafischen Fachhandel), der URW-Schriftenkatalog (bei URW in Hamburg), der Berthold-Katalog (Berthold in Berlin) und für Atarianer der DMC-Classic-Types Katalog (DMC in Walluf).

Auch die Technik der Umsetzung muß man in die Überlegungen mit einbeziehen. Soll die nunmehr ausgewählte Schrift geschrieben, gezeichnet, gesetzt oder anders erzeugt werden? Haben Sie hier Ihre Wahl getroffen, legen Sie die Farbe fest. Beim Farbton entscheiden Sie zwischen hell, mittel und dunkel oder der Kombination. Beim Farbwert wählen Sie zwischen bunt, unbunt, gemischt und kombiniert. Auch Größe, Proportion, Fette, Neigung, Spationierung (eng oder weit gesetzt) etc. wollen bedacht sein, und noch immer sind Sie erst bei der Schrift.

Soll die Schrift mit einer Illustration kombiniert werden oder mit einer grafischen Form? Die Illustration verliert in Logotypes aus oben genannten Gründen mehr und mehr an Bedeutung. In der Regel ist also eine geometrische Form zur Schrift zu stellen. Ein Dreieck wirkt hierbei auffällig, aggressiv, belebend, prickelnd, aufmerksamkeitsstark - wenig geeignet für konservative Unternehmen wie Banken und Versicherungen, solche Zielgruppen lassen sich eher mit einem Quadrat oder Viereck im Logotype präsentieren. Vierecke wirken konservativ, statisch, bieder, konstant, seriös. Runde Formen (Kreis, Oval) wirken weich, weiblich, warm, sicher, behaglich aber auch mobil, beweglich... und sind damit für entsprechende Kunden oder Produkte einzusetzen.

Die Aussage der geometrischen Form darf natürlich nicht der Aussage der Schrift widersprechen. Haben Sie erst einmal begonnen, sich auf das Spiel mit Schrift, Form und Farbe einzulassen, ist die Entwicklung eines Logotypes eine sehr spannende und faszinierende Aufgabe. Hierbei wünsche ich Ihnen viel Spaß und Erfolg. (wk)

Dynamisch, mobil: der Kreis. Die kreuzförmig angeordnete Typografie steigert die Mobilität zusätzlich.
Statisch, konservativ, seriös: das Quadrat Die ,aufsteigende' Diagonale hebt die Statik des Quadrates ein wenig auf, so daß Dynamik ins Spiel kommt.

Kursübersicht

Teil 1: Schriftgestaltung □ optische Scheinwirkungen

Teil 2: Schriftklassifikation □ Typografie

Teil 3: Schrift im Logotype □ Logotype-Gestaltung


Rüdiger Morgenweck
Aus: TOS 01 / 1992, Seite 56

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