Geniestreich: Tascam MIDI-Studio 688

Das Tascam 688 ist die musikelektronische Variante des berühmten eierlegenden Universal-Schweins: ein 10/20-Kanal-Mischpult mit integriertem 8-Spur-Kassettenrekorder, MIDI-Synchronizer und programmierbarem Signal-Router. Alles, was des Homerecordlers Herz begehrt?

Aller Anfang ist im Fall MIDI ausnahmsweise leicht. Auf dem Schreibtisch steht bereits ein Computer mit MIDI-Ports, Sequenzer-Software gibt's in reicher Auswahl. Fehlt nur noch ein Synthesizer.

Doch irgendwann wollen Sie mehr. Bei dem selbstkomponierten Hobby-Hit fehlen noch Gesang und ein fetziges (echtes) E-Gitarren-Solo. Oder das Arrangement verlangt nach mehr Stimmen und Instrumenten gleichzeitig. Oder...

Das ist der Zeitpunkt, an dem Sie um einen Mehrspur-Rekorder, ein dazu passendes Mischpult und einen Synchronizer nicht mehr vorbeikommen. Zuviel Geld soll's auch nicht kosten, aber trotzdem nicht billig klingen. Gibt's nicht? Gibt's doch. Heißt Tascam 688, Untertitel: »MIDI-Studio«.

All die obengenannten Geräte sind kompakt in einem 61 cm breiten, 55 cm tiefen und 15 cm flachen, mattschwarzen Gehäuse untergebracht. Das robuste Metallchassis sowie der integrierte Netztransformator tragen erheblich zu dem Gesamtgewicht von knapp 18 Kilogramm bei. Verkleidet ist das 688 zum größten Teil mit Kunststoff-Blenden.

Die Mischpultsektion besteht aus einem 10-Kanal Hauptmischer, einem 10-Kanal Dual-Mischer, vier Stereo-Gruppen-Reglern, zwei Aux-Send-Kanälen, vier Aux-Returns sowie einem Monitor-Abschnitt mit 8-Kanal-Mischer.

Jeder Kanalzug des Hauptmischers verfügt über folgende Elemente:

Die zehn Kanäle können Sie den vier Stereo-Gruppen beliebig zuordnen. Eine »Gruppe« ist nichts anderes als eine von acht Kassetten-Aufnahmespuren. Die Gruppen-Regler bestimmen also den Aufnahme-Pegel des Kassetten-Rekorders, wobei die Spuren 1/2, 3/4, 5/6 sowie 7/8 zu Stereo-Gruppen zusammengefaßt sind und gemeinsam geregelt werden.

Ein Kanalzug des Dual-Mischers besteht lediglich aus einem Lautstärke-Drehregler sowie einem Panorama-Regler, läßt also keine Klangbeeinflussung zu. Der Mikrofon-Eingangsempfindlichkeits-Regler des Hauptmischers wirkt auch auf den Dual-Mischer. Das regelbare Stereo-Summensignal des Dual-Mischers können Sie zu jeder der vier Stereo-Gruppen hinzumischen.

In der Monitor-Sektion bestimmen Sie per Tastendruck, welche Signalquelle Sie abhören wollen: Stereo-Gruppe 1/2, Aux-Send 1, Aux-Send 2, Dual-Mischer oder Monitor-Mischer. Der Monitor-Mischer bildet ein Stereo-Signal aus den acht Kassetten-Spuren, wobei Lautstärke und Stereo-Panorama jeder Spur einstellbar sind.

Damit die Aussteuerung nicht zum Blindflug ausartet, besitzt das 688 eine neigbare Anzeigeeinheit mit je einer LED-Leiste für die acht Kassetten-Spuren und zwei Leisten für die Monitor-Sektion.

Sichtgeschützt und doch gut zugänglich befinden sich hinter dieser Anzeigeeinheit die folgenden Audio-Ein- und Ausgänge:

Der Mehrspur-Rekorder kann auf eine normale Chromdioxyd-Kompakt-Kassette acht Tonspuren in beeindruckender Qualität aufzeichnen (Frequenzgang: 40 Hz bis 16 kHz +/-3 dB; Gleichlauf: 0,04% WRMS). Die Kassette wird dazu nur in einer Richtung bespielt und läuft mit doppelter Geschwindigkeit (9,5 cm/s); dies ergibt den vierfachen Bandverbrauch.

Gegen lästiges Bandrauschen hilft das für die Spuren 1 bis 4 und 5 bis 8 getrennt zuschaltbare dbx-System (Signal-/Rauschabstand 93 dB, IHF A bewertet). Da die dbx-Logik achtfach vorhanden ist, können Sie auch auf alle acht Spuren gleichzeitig aufnehmen.

Das Drei-Motoren-Laufwerk ist computergesteuert und wird über Tipptasten bedient. Neben den üblichen Laufwerks-Funktionen bewegt ein Shuttle-Knopf das Band auf Wunsch mit variabler Geschwindigkeit vor- und zurück, um eine Bandstelle exakt anzufahren. Ein LC-Display zeigt den Bandzählwerkstand sowie eine von zwei speicherbaren Positionen.

Wenn Sie einen bestimmten Teil inmitten einer bestehenden Aufnahme überspielen wollen, erlaubt das Tascam 688 eine vollständige Automatisierung dieses Vorgangs, indem Sie einfach bei laufendem Band per Tasten- oder Fußtasterdruck den Ein- und Ausstiegspunkt festlegen. Der Rekorder simuliert nun auf Wunsch beliebig oft die Aufnahme, so daß Sie genau hören, ob versehentlich Wichtiges überspielt würde.

Alle Funktionen können Sie sogar per Computer und seriellem Kabel steuern, da der 688 über eine RS-232-Schnittstelle verfügt.

Wer den Mehrspur-Rekorder mit seiner Sequenzer-Software synchronisieren will, muß nur zwei MIDI-Kabel vom Computer zum 688 legen. Der integrierte Synchronizer wandelt das MIDI-Clock-Signal in eine Tonfolge und zeichnet diese auf Spur 8 des Rekorders auf. Umgekehrt liest die Einheit bei der Wiedergabe dieses Signal, wandelt es zurück und steuert dadurch das Tempo des Sequenzers. Haben Sie vorher etwas aufgenommen, so läuft dies nun im Gleichtakt mit dem Sequenzer, der die nächsten aufzunehmenden Spuren spielt.

Wer andere Synchronizer (zum Beispiel SMPTE-Interfaces) besitzt, kann das 688 auch über diese mit dem Sequenzer synchronisieren. Den letzten Funktionsblock im Tascam 688 stellt schließlich der elektronische Signal-Router dar. Sie bestimmen per Tastendruck und sehen auf einem großflächigen LC-Display, welche Signalquelle an welchem Mischpult-Kanal anliegt, welcher Mischpult-Kanal welcher Gruppe zugeordnet ist, zu welchen Gruppen die Aux-Returns und die Dual-Summe gemischt werden und welcher Kanal stummgeschaltet ist. Ein solches Sammelsurium an Einstellungen entspricht jeweils einer bestimmten Aufnahme-, Abmisch- oder Wiedergabe-Situation und wird »Scene« genannt. 99 solcher Scenes können Sie programmieren.

Die Kanal-Stummschaltung sowie das Abrufen einer Scene sind über MIDI automatisierbar.

Es ist überwältigend, welche Funktionsvielfalt das 688-MlDI-Studio besitzt. Mischpult und Rekorder lassen bezüglich Bedienung, Verarbeitung, Ausstattung und Klangqualität keine Wünsche offen. Der programmierbare und zum Teil MIDI-steuerbare Signal-Router ist im Heimbereich ein Novum, der auch so mancher Profi-Anlage gut zu Gesicht stehen würde. Schade, daß das Kassetten-Fenster sowie die beiden LC-Displays nicht hintergrundbeleuchtet sind - dann wäre das Tascam 688 nicht nur vom Konzept, sondern auch von der Ausführung her ein hundertprozentig gelungener Geniestreich.

WERTUNG

Name: MIDI-Studio 688
Hersteller: Tascam
Preis: ca. 6500 Mark

Stärken: Zahlreiche Eingänge und Mischpult-Kanäle □ programmierbarer Signal-Router □ computergesteuertes 8-Spur-Laufwerk □ LED-Aussteuerungs-Anzeigen □ Tonqualität □ Bedienung □ Verarbeitung

Schwächen: LC-Displays und Kassettenfenster nicht beleuchtet

Fazit: Nach der Einarbeitungszeit ein komfortabel und flexibel zu bedienendes Homerecording-Komplettsystem


Toni Schwaiger
Aus: TOS 08 / 1991, Seite 123

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