Von der Idee zum gefüllten Konto: Goldene Regeln für PD-Programmierer

Wollen Sie Ihr selbstgeschriebenes Programm als Public Domain oder Shareware veröffentlichen? Wir sagen Ihnen, was Sie dabei beachten müssen, und geben praktische Tips, damit die Ihnen zustehenden Honorare nicht auf sich warten lassen.

»Warum soll ich eigentlich meine harte Arbeit umsonst unters Volk werfen«, meinte unlängst ein Programmierer auf unsere Frage, ob er sein Programm nicht als Public Domain zur Verfügung stellen wolle. »Shareware ist fair, weil jeder das Programm in Ruhe zuhause testen kann«, meinen dagegen Gereon Steffens und Stefan Eissing, die sich mit ihrer alternativen grafischen Benutzeroberfläche »Gemini« vor rund eineinhalb Jahren einen Namen in den PD-Szenen im In- und Ausland machten. »Uns sitzt kein Vertrieb im Nacken, der uns wegen neuer Versionen in Zugzwang bringt. Die Weiterentwicklung des Programms ist allein unsere Entscheidung«, äußerte Stefan Eissing in einem Interview in TOS 8/90.

Er nennt damit nur eines der vielen Argumente, die für eine Programmveröffentlichung als Public Domain oder Shareware sprechen. Der Programmierer ist beispielsweise nicht an irgendwelche Serviceleistungen gebunden oder muß sich durch den dichten Zahlendschungel auf den Abrechnungen des Vertriebspartners kämpfen. Andere wiederum stellen ihre Software aus ideologischen Gründen umsonst zur Verfügung. In den USA hat sich das PD-Prinzip längst durchgesetzt, und auch bei uns braucht sich qualitativ hochwertige Umsonst-Software oft nicht hinter den kommerziellen Programmen verstecken.

Planung

Der Aufstieg und Fall eines Programms in der Gunst der Anwender beginnt bereits bei der Planung. Erfahrungsgemäß entstehen die wenigsten Programme ausschließlich aus Eigenbedarf. Also überlegen wir zunächst, welcher Kategorie unser Programm angehören soll. Gesättigt ist der PD-Markt derzeit an Datenverwaltungen für Adressen, Videofilme und Compact Discs, Disketten- und Dateikopierern, Etikettendruckern, RAM-Disks, Desktop-Utilities wie Bildschirmschoner oder Uhrzeiteinsteller, Funktionsplottern, Digisounddemos, Breakout- und Tetris-Varianten. Wenn solch ein Programm Erfolg haben soll, muß es schon über bahnbrechende Neuerungen verfügen. Beispielsweise macht die Kompatibilität zu einer verbreiteten Datenbank-Software wie »Adimens« oder »Phoenix« eine biedere Adreßverwaltung wieder interessant.

Wenn man eine spezielle Anwendung sucht, dient der PD-Markt als riesige Fundgrube. Vorsicht ist allerdings bei zu spezieller Software geboten. Was bringen dem Hobby-Programmierer letztendlich die vielen durch programmierten Nächte, wenn kaum jemand ein multitaskingfähiges GEM-Programm zur Messung des Verschmutzungsgrads von violetten Sweatshirts mit grafischer Auswertung und Adimens-Schnittstelle benötigt?

Vorsicht ist bei fachspezifischen Anwendungen wie Lohnsteuerberechnungen oder Abrechungshilfen für Handwerker geboten. Der Programmierer sollte mit dem entsprechenden Fachgebiet vertraut sein und die Anforderungen der Zielgruppe genau kennen.

Realisierung

Auch bei der Entwicklung gibt es einige Dinge zu beachten, die später mitunter entscheiden, ob der Anwender mit unserem Programm regelmäßig arbeiten will. Dazu gehört beispielsweise die Benutzerführung. Das Programm sollte GEM-unterstützt arbeiten, also eine Menüleiste und Dialogboxen besitzen. Sofern entsprechende Programmierkenntnisse vorhanden sind, empfiehlt sich auch eine parallele Steuerung über Tastatur. Legen Sie Wert auf schnelle Ablaufgeschwindigkeit und Sicherheitsabfragen. Gehen Sie beim Funktionsumfang nicht nur von Ihren eigenen Bedürfnissen aus. Was nützt dem bisher treuen »Tempus«-Anwender Ihr innovatives Textverarbeitungssystem mit DTP-Funktionen und MIDI-Fernbedienung, wenn er mangels einer ASCII-Importroutine seine nahezu fertige Diplomarbeit nicht laden kann? Zögern Sie nicht, Freunde, Kollegen und andere Programmierer um Vorschläge zu bitten. Je mehr Ansprüche ein Programm von vornherein befriedigt, desto größer wird später seine Verbreitung sein. Auch eine gute grafische Aufmachung weckt das Interesse des Benutzers. Bedenken Sie auch, daß sich nicht jeder so gut mit dem Computer auskennt wie Sie. Spätestens wenn der frischgebackene ST-Besitzer auf Funktionen wie »Enter Scroll Speed Selection System« oder »Digital Harddisc File Commander« stößt, wählt er entsetzt den Menüpunkt »Terminate System« (Bezeichnung eines Kopierprogramms für die Quit-Funktion) an.

Zu einem guten Programm gehört auch eine kurze Dokumentation, die die ersten Bedienungsschritte erklärt und Aufschluß über die benötigte Hardware-Konfiguration gibt. Legen Sie Ihrem Programm den Quelltext bei, achten Sie auf verständliche Variablennamen. Die Variable »vollkorn« sagt mehr aus als die Variable »v«. Und vergessen Sie nicht, daß ein gutes Programm nicht unbedingt lang sein muß. Weitere Tips für Programmierer finden Sie auf Seite 86 in dieser Ausgabe.

Programmstatus

Ist das Werk fertig, müssen wir uns über den Programmstatus klarwerden. Zur Wahl steht dabei Public Domain und Shareware. Obwohl man diese Begriffe oft fälschlicherweise gleichsetzt, meinen sie doch verschiedene Konzepte.

Der Begriff der Public Domain Software stammt ursprünglich aus den USA. Dort fördert der Staat die Softwareforschung unter der Bedingung, daß die Programmierer das Ergebnis ihrer Arbeit der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stellen. Der Autor behält lediglich das Urheberrecht und darf einen Copyrightvermerk in der Software eintragen, jeder darf das Programm beliebig oft kopieren, benutzen und in unverändertem Zustand weitergeben. Der Copyrightvermerk darf dabei nicht entfernt werden. In der Regel enthält ein PD-Programm die Bitte an den Anwender, dem Entwickler bei regelmäßiger Nutzung seines Programms doch freiwillig einen geringen Obolus zukommen zu lassen - in der Regel ein Betrag zwischen 10 und 50 Mark.

Auch ein Shareware-Programm darf der Anwender frei kopieren und weitergeben. Im Gegensatz zur PD-Software ist hier die Zahlung des Honorars bei regelmäßiger Nutzung Pflicht. Shareware beruht also auf gegenseitigem Vertrauen. Der Autor stellt dem Anwendersein Werk zum Testen umsonst zur Verfügung - sobald dieser aber das Programm auch tatsächlich einsetzt, ist das Honorar fällig, der Autor hat darauf einen Rechtsanspruch. Mit der Zahlung ist der Anwender beim Programmierer registriert und erhält oftmals als Gegenleistung eine ausführliche Anleitung, eine neue Version oder die Erlaubnis zur Inanspruchnahme einer telefonischen Hotline. Vorteil für den Anwender: Er muß nicht die berühmte Katze im Sack kaufen. Nachteil für den Programmierer: Viele Anwender denken sich leider »Ich hab's, also warum soll ich noch dafür zahlen« und bezahlen die Registrierungsgebühr (meist zwischen 20 und 80 Mark) nicht. Das ist äußerst unfair und fördert nicht gerade die Motivation der Shareware-Programmierer.

Die Freeware ist heute identisch mit Public Domain. Bis vor einigen Jahren galt Public Domain als Oberbegriff für Freeware und Shareware, wobei Freeware die gleiche Bedeutung hatte wie heutzutage Public Domain.

Bild 3. Durch die Bibliotheks-Funktion hebt sich »Sagrotan« von anderen Virenkillern ab

Bild 1. So sieht eine optimale Info-Box aus

Bild 2. Ein Beispiel für gute Benutzerführung

Eigenvertrieb

Unabhängig vom Programmstatus wollen wir natürlich, daß sich unser Programm möglichst schnell und stark verbreitet. Schließlich steigen in der Regel die Honorarzahlungen proportional zur Größe des Anwenderkreises an. Um unsere Software »an den Mann« zu bringen, gibt es mehrere Möglichkeiten, die Sie beliebig kombinieren können - und sollen.

Der erste und zugleich kostenintensivste Weg ist der Eigenvertrieb. Dazu müssen wir zunächst eine möglichst breite Masse von der Existenz unseres Programms in Kenntnis setzen. Hier bieten sich Anzeigen in Fachmagazinen für das jeweilige Computersystem an. Eine private Kleinanzeige kostet zwischen 2 und 6 Mark pro Zeile. Einige Zeitschriften veröffentlichen private Angebote sogar kostenlos. Für gewerbliche Inserenten liegt der Zeilenpreis meist zwischen 8 und 15 Mark zuzüglich Mehrwertsteuer.

Mehr Beachtung finden allerdings die großformatigen Anzeigen, die Sie selbst nach Belieben gestalten können. Der Verlag erhält dann die fertige Druckvorlage. Lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, die erste Anzeige frei nach dem Motto »Wozu DTP, ich hab' doch mein 1st Word Plus« zu entwerfen. Billig und nachlässig aussehende Anzeigen ziehen mehr Belustigung als ernsthaftes Interesse auf sich. Leider hat die künstlerische Freiheit auch ihren Preis, der sich für Privatleute in der Regel nicht lohnt. Ein sogenanntes »Mini« im Format 58 x 74 mm kostet bereits zwischen 300 und 360 Mark.

Für alle Anzeigenaktionen gilt: Vorsicht, der Hobby-Programmierer gerät hier schnell aufs Gewerbegleis. Ein Informationsgespräch mit dem Steuerberater schafft Klarheit. Manchmal lohnt es sich auch, das Programm an die Redaktionen der Fachmagazine zu schicken. Die meisten Computerzeitschriften für den Atari ST - auch TOS - stellen regelmäßig neue Public-Domain-Software vor. Seit einiger Zeit gibt es sogar spezielle Magazine, die sich ausschließlich auf Public Domain und Shareware konzentrieren. Vergessen Sie die Sicherheitskopie nicht, denn kaum eine Redaktion schickt die eingesandten Disketten wieder zurück.

Wenn Ihr Programm auf großes Interesse stößt, kommt viel Arbeit auf Sie zu. Jede Bestellung ist einzeln zu bearbeiten. Dazu gehört das Kopieren und Verpacken von Disketten, das sorgfältige Führen einer Anwenderkartei und der tägliche Gang zum Postamt. Vergessen Sie nicht, daß jeder registrierte Anwender zu Recht auch eine ordentliche Betreuung Ihrerseits erwartet. Nicht selten muß ein Programmierer auf seine Sonntagsruhe verzichten, weil ein verzweifelter Anwender versehentlich die Funktion »Erase all Data« an wählte, ohne das automatische Backup zu aktivieren. Bedenken Sie auch, daß die Anwender Sie über eventuelle Programmfehler informieren und deshalb in absehbarer Zeit ein Update erwarten.

Mailboxen

Durch den hohen Beliebtheitsgrad von Datenfernübertragung (DFÜ) gibt es mittlerweile zahlreiche Mailboxen. Darunter versteht man einen mit dem Telefonnetz verbundenen Computer, in dem die Benutzer (User) Informationen und Programme hinterlassen und abrufen. Allein in Deutschland gibt es über 500 dieser elektronischen Briefkästen. Unser Programm legen wir in einem der öffentlichen Bretter ab, einige Mailboxen verfügen sogar über spezielle PD-Bretter. Jetzt kann sich jeder Teilnehmer das Programm nach Hause holen. Das Verfahren kostet nur die normalen Telefonkosten, die allerdings bei umfangreichen Programmen oder weiter entfernten Mailboxen schnell in schwindelerregende Höhen steigen. Wenn Sie selbst kein Modem oder Akustikkoppler besitzen, überspielen die meisten Mailbox-Betreiber das Programm kostenlos in den elektronischen Briefkasten.

PD-Händler

Dieses Verfahren kostet nur die Portogebühren und ist zugleich das effektivste. Wir schicken unser Programm an möglichst viele kommerzielle PD-Versender mit der Bitte um Aufnahme in deren Sortiment. Erfahrungsgemäß besorgen sich die meisten Anwender ihre PD-Programme beim Händler, weil er die größte Auswahl bietet. Der Händler führt das Programm in seinem Katalog auf, einige sogar mit Kurzbeschreibung, und bewerben die Software in Anzeigen. Die Aufnahme in sein Angebot führt in jedem Fall zur größten Verbreitung unseres Programms - entsprechende Qualität und sinnvoller Nutzen einmal vorausgesetzt.

Die Vorteile für den Programmierer liegt auf der Hand: Werbung, Versand, Verwaltung und Diskettenumtauschservice erledigt der Händler.

Dafür hat PD-Software von kommerziellen Versendern ihren Preis: Ein Händlervergleich in TOS 8/90 zeigte, daß für eine Diskette zwischen 6 und 12 Mark über den Ladentisch gehen, zuzüglich Verpackungs- und Versandkosten. Leerdisketten kauft ein Händler für rund eine Mark pro Stück ein, vom Nettogewinn trägt er den Verwaltungs- und Werbeaufwand. Die wenigsten Händler beteiligen die Programmierer am großen Gewinnkuchen. Einige, beispielsweise der PD-Pool, entschädigen die Autoren immerhin durch andere PD-Software, Leerdisketten oder Hauszeitschriften-Abonnements. Für den Endanwender entsteht allerdings der Eindruck, zweimal zahlen zu müssen: einmal beim Händler und einmal die Registrierungsgebühr beim Versender. Wer sich PD-Software für 20 Mark und mehr bestellt, ist erfahrungsgemäß weniger bereit, auch noch den einzelnen Autoren ihren wohlverdienten Obolus zukommen zu lassen. Weiterhin müssen Sie mit sich selbst abstimmen, ob Sie es dulden, daß die Händler mit Ihrer Arbeit Geld verdienen. Manche Programmierer sind damit nicht einverstanden, zum Beispiel Thomas Tempelmann.

Die Anschriften von PD-Händlern entnehmen wir den zahlreichen Anzeigen in den diversen Computermagazinen. Empfehlenswert sind auch Händlervereinigungen wie der PD-Pool, die ein gutes Programm automatisch an alle ihre Mitglieder weiterleiten. PD-Pool-Händler gibt es auch in Österreich und in der Schweiz, so daß eine Verbreitung des Programms auch im benachbarten Ausland gesichert ist.

Computerclubs

Nahezu jeder Computerclub besitzt eigene Software-Sammlungen, darunter meistens auch eine PD-Library. Auch hier lohnt es sich, wenn wir den Anwendergemeinschaften unser Programm kostenlos zur Verfügung stellen. Die Anschriften von rund 25 Computerclubs veröffentlichten wir in TOS 6/90, eine erweiterte und aktualisierte Liste finden Sie in einer der nächsten Ausgaben.

Weiterhin geben wir das Programm an alle Freunde und Bekannte weiter, die über den gleichen Computer verfügen wie wir.

Honorarzahlungen

Wer sein Programm mit der Einstellung weitergibt, bei seiner Freundin einen Monat später im Porsche 928 Turbo vorzufahren, wird meist enttäuscht. Der erwartete Rubel rollt nur langsam, und so mancher PD-Autor mußte schon akzeptieren, daß niemand sein Werk mit einem angemessenen Betrag würdigt. Von Public Domain kann man nicht leben - darin sind sich sämtliche mehr und weniger bekannte Programmierer einig. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Mancher PD-Entwickler wurde für seine Mühe schon mit einem neuen Computer oder gar einem Auto belohnt. Werfen Sie also nicht gleich die Flinte ins Korn, wenn die Honorarzahlungen nur sehr spärlich eintreffen. Oft klappt es auch erst beim zweiten oder dritten Anlauf.

Übrigens scheuen sich viele Leute, Geld mit der Post zu verschicken. Nennen Sie also im Programm selbst stets neben der vollständigen Anschrift auch Ihre Bankverbindung. Sie besteht aus dem Namen und Sitz des Geldinstituts, der Bankleitzahl und Ihrer Kontonummer. Und wenn Sie diesen Artikel als reiner Anwender lesen, dann vergessen Sie bitte nicht: Fairness ist bei PD und Shareware oberstes Gebot.

Aufstieg ins Profilager

Für manchen Entwickler war ein PD-Programm auch schon das Sprungbrett zur Karriere als Profi-Programmierer. Wenn Sie und andere der Meinung sind, daß Ihr Programm eine absolute Neuerung auf dem Softwaremarkt darstellt, dann warten Sie nicht, bis eines Tages der über das ganze Gesicht strahlende Chef eines großen Softwarehauses mit einem 10 Millionen-Dollar-Vertrag in der Tür steht. Schicken Sie Ihr Programm zusammen mit einer ausführlichen Anleitung und dem dokumentierten Quelltext an mehrere Firmen mit der Bitte, sich die Software einmal unverbindlich anzusehen. Stellen Sie keine Terminforderungen und halten Sie sich mit eigenen Beweihräucherungen zurück (»Nach langem Überlegen sind meine Eltern und ich überzeugt, daß mein RAM-Disk-Programm die genialste Neuerung auf dem Software-Weltmarkt darstellt...«). Stellen Sie unbedingt sicher, daß das Programm fehlerfrei arbeitet. Im Zweifelsfall mißbrauchen Sie Ihre Bekannten als Beta-Tester.

Abschließend bleibt uns nur noch, Ihnen für den Erfolg Ihres Programms viel Glück zu wünschen. Die Redaktion freut sich im übrigen immer über Erfahrungsberichte von PD-Programmierern. Aber auch die Anwender sind aufgerufen, ihre Erfahrungen mit der Software und dem Service der Autoren wiederzugeben.


Thomas Bosch
Aus: TOS 08 / 1991, Seite 26

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