Damit die Chemie stimmt: »Chemplot« und »Chemograph plus«, zwei Zeichenwerkzeuge für Chemiker

Weitgehend unbeachtet von der Mehrzahl der Anwender findet der ST Arbeitsgebiete in speziellen wissenschaftlichen Bereichen. Die Zeichenarbeit in der Chemie gehört dazu. Zwei Kandidaten, Chemplot und Chemograph, stehen bereit. Gewaltige Unterschiede der beiden Programme finden sich dabei nicht nur im Preis.

»Chemplot 2.0« ist ein Programm zum Zeichnen chemischer Strukturformeln. Das bereits 1989 im Heim-Verlag erschienene Programm wies damals in der Version 1.0 noch einige gravierende Mängel auf, wurde aber bald durch die Version 1.1 abgelöst und mit kleinen Verbesserungen bis zur Version 1.1 F weiterentwickelt. Seit kurzem gibt es die Version 2.0, die folgende wichtige Neuerungen bietet: nachladbare Zeichensätze, Zeichnen von Orbitalen, Erweiterung der Druckertreiberpalette um einen HP-kompatiblen Laserjet-Treiber, Preview-Funktion, Konvertierung von CPL-Grafiken in GEM-Metafiles beziehungsweise GEM-Image-Dateien, Online-Hilfe.

Zum Lieferumfang von Chemplot 2.0 gehören jetzt zwei Disketten sowie ein überarbeitetes, 130 Seiten starkes Handbuch in einem DIN-A5-Ringordner. Neben dem Zeichenprogramm und den Druckprogrammen finden sich einige Hilfsprogramme auf den Disketten, unter anderem auch ein Programm zum Konvertieren von Grafiken der Version 1.1 in das Format der Version 2.0. Erfreulicherweise ist durch die umfangreiche Erweiterung des Programms die bereits in der Version 1.1 hohe Betriebssicherheit nicht beeinträchtigt, außerdem haben die Programmierer die Geschwindigkeit des Bildschirmaufbaus erheblich gesteigert.

Bild 1. Alle Zeichenwerkzeuge auf einen Blick zeigt Chemplot 2.0

Nach dem Starten von Chemplot präsentiert sich dem Anwender eine funktionelle und übersichtliche Benutzeroberfläche, die alle Zeichenfunktionen über Piktogramme bereitstellt (Bild 1). Nach Anklicken des entsprechenden Sinnbilds nimmt der Mauszeiger dessen Gestalt an, und die Zeichenfunktion läßt sich mit der Maus ausführen. Die Größe des jeweiligen Objektes ist dabei entweder voreingestellt oder variiert mausgesteuert. An Zeichenfunktionen stellt Chemplot verschiedene Einfachbindungen bereit, die sich auch nachträglich ineinander überführen lassen. Als vorgefertigte Strukturen sind Benzol- und Furanringe, n-Ecke, Cyclohexan-, Norbornan- und Steroidgerüste verfügbar. Alkankette, Polymerschlange, Orbitale, freie Elektronenpaare sowie Ladungen, Radikale und verschiedene Reaktionspfeile runden die Zeichenfunktionen ab. Mehrfachbindungen lassen sich einfach durch Übereinanderlegen mehrerer Einfachbindungen erzeugen, Doppelbindungen mit verkürzter zweiter Bindung lassen sich auch direkt zeichnen. Ferner steht eine komfortable Fragmentverwaltung für eigene und vorgefertigte Strukturen zur Verfügung.

Beim Zeichnen einer Stuktur macht sich besonders der Fangradius angenehm bemerkbar. Er bewirkt, daß sich beispielsweise neue Bindungen an bestehende anhängen, wenn der Mauszeiger sich in einem bestimmten Abstand (eben dem Fangradius) zum entsprechenden Atom befindet. Da alle gezeichneten Strukturen intern als Vektoren vorliegen, sind einzelne Atome eines Moleküls auch nachträglich ohne Bindungsbruch beliebig verschiebbar.

Teile einer Zeichnung lassen sich mit einer Rubberbox oder per Scherenschnitt selektieren, um verschiedene Operationen anzuwenden, die auch für die gesamte Grafik verfügbar sind. Zu diesen Operationen gehört das Löschen, Spiegeln (horizontal und vertikal sowie an einer Bindung), Verschieben, Drehen sowie das Vergrößern und Verkleinern.

Durch einfaches Anklicken von Atomen ordnen Sie diesen Symbole (beispielsweise N, O, CI etc.) zu. Zum Lieferumfang gehören nachladbare Zeichensätze, um diese Symbole, wie auch frei plazierten Text in beliebiger Größe und mit den üblichen Attributen darzustellen. Eine gute Hilfe für den Anwender ist dabei die wahlweise automatische Anpassung der Symbolgrößen an die Bindungslängen. Ein Fonteditor für eigene Zeichensätze und zum Konvertieren von Signum-Zeichensätzen ist ebenfalls direkt beim Autor von Chemplot erhältlich.

Neu in der Version 2.0 ist das komfortable horizontale und vertikale Ausrichten einzelner Moleküle auf ein Bezugsatom. Auf diese Weise lassen sich auch komplexe Reaktionsschemen übersichtlich gestalten. Eine integrierte Preview-Funktion gestattet eine schnelle Layout-Überprüfung. Alle Program mparameter und Suchpfade lassen sich einstellen und in einer Datei speichern, die das Programm beim Start automatisch mitlädt.

Bild 2. Ein Original-Ausdruck mit Chemplot 2.0 auf HP-Laserdrucker

Der Ausdruck auf 9- oder 24-Nadeldruckern sowie auf HP-kompatiblen Laserdruckern ist durch eigenständige Druckprogramme realisiert, die man aus dem Hauptprogramm aufruft. Bild 2 zeigt einen Original-HP-Laserausdruck. Ein Treiber für den Atari-Laserdrucker ist leider nicht verfügbar. Nachteilig sind die langen Druckzeiten bei allen Treibern.

Für die Übernahme der Grafiken in Text- oder DTP-Programme stehen mehrere Verfahren zur Verfügung: Konvertieren einer vollständigen Chemplot-Grafik-Seite in eine beliebig große GEM-Image-Datei, Aufteilen einer Chemplot-Grafik in mehrere jeweils bildschirmgroße Pixel-Dateien (IMG- oder PAC-Format), Konvertieren einer Chemplot-Grafik in das GEM-Metafile-Format, was leider mit Qualitätseinbußen verbunden ist.

Chemplot 2.0 arbeitet fehlerfrei auf allen STs mit mindestens 1 MByte Speicher und Monochrom-Monitor sowie auf dem Mega STE und dem TT. Die neue Version kostet 148 Mark. Registrierte Anwender der Version 1.1 x erhalten das Update mit einem neuen Handbuch für 50 Mark. Nach mehrwöchigem Einsatz in der Praxis verbleibt ein positiver Gesamteindruck. Zur Verwendung in Publikationen sind allerdings geringfügige Nachbearbeitungen mit einem Grafikprogramm nötig. Mit Chemplot 2.0 erhalten alle, die chemische Strukturformeln zeichnen müssen, ein brauchbares Werkzeug zu einem überzeugenden Preis.

Ein weiteres Programm zum Zeichnen chemischer Strukturformeln ist »Chemograph plus 4.31«. Zum Lieferumfang gehören acht Disketten sowie ein DIN-A4-Ringordner, der ein 90 Seiten umfassendes Handbuch enthält. Alle Zeichenfunktionen rufen Sie bei Chemograph über insgesamt elf Pull-Down-Menüs sowie ein Pop-Up-Menü auf (Bild 3 und 4). Das Pop-Up-Menü enthält gängige chemische Grafikelemente, die man mit der Maus aktiviert. Alle Zeichenfunktionen sind auch über Tastaturkommandos zu erreichen. Zum Programm gehört eine umfangreiche Struktursammlung, deren Moleküle in einigen Fällen leider der Nachbearbeitung bedürfen. Trotzdem sind die auf Tastendruck erreichbaren Fragmente eine wesentliche Zeichenhilfe.

Bild 3 und 4. Die Menüleiste ist dichtgedrängt, wichtige Zeichenwerkzeuge bringt Chemograph in einem Pop-Up-Menü unter

Der Funktionsumfang entspricht im wesentlichen dem von Chemplot. Vorteilhaft bei Chemograph ist, zwei getrennte Moleküle zu einem Gesamtmolekül mit einem oder mehreren gemeinsamen Atomen zu verbinden. Chemograph stellt darüberhinaus einen 3D-Teil zur Verfügung, mit dem man auch Rotationssequenzen zeichnen kann. Die dazu nötigen Atomlageparameter geben Sie entweder selbst ein oder rufen sie aus einer Bibliothek ab. Atome lassen sich zur besseren Unterscheidung mit verschiedenen Mustern belegen. Die erzeugten 3D-Grafiken sind beliebig zu drehen, in der Größe zu verändern, nachzubearbeiten und auch in den 2D-Teil zu übernehmen. Der sogenannte Formelmodus unterstützt die Eingabe längerer Formeln und setzt Indizes automatisch ab.

Atomsymbole und Texte erreichen durch die Verwendung des mitgelieferten GDOS eine hohe Ausdruckqualität. Bild 5 zeigt einen Original HP-Laserausdruck. Die Ausgabe der Grafiken erfolgt durch Druckertreiber für alle gängigen Drucker, für die die entsprechenden GDOS-Fonts verfügbar sind. Leider treten durch die GDOS-Unterstützung Probleme bei der Übernahme in andere Programme auf, die GDOS nicht unterstützen. Die Ausgabe einer kompletten Grafikseite in eine überbildschirmgroße GEM-Image-Datei ist nicht vorgesehen, hierzu verweist der Autor auf Hilfsprogramme anderer Hersteller. Dafür unterstützt das Programm die Ausgabe einer Grafikseite in das GEM-Metafile-Format und greift auch hier wieder auf GDOS zurück.

Chemograph arbeitet auf allen ST-, STE- und TT-Rechnern mit mindestens 1 MByte Speicher. Zur sinnvollen Nutzung sollten 2 MByte und eine Festplatte vorhanden sein. Das Programm kostet 680 Mark, Studenten zahlen die Hälfte. Das Arbeiten mit Chemograph bedarf einer längeren Gewöhnungsphase, was mit an der englischen Programmführung liegt. Das stellenweise knappe Handbuch ist aber in deutsch gehalten. Leider ist die Betriebssicherheit des Programms nicht ausgereift, wenngleich die Ausgabequalität über einen Systemabsturz hinwegzutrösten mag. (wk)

Bild 5. Ein Original-Ausdruck mit Chemograph auf einem HP-Laserdrucker

WERTUNG

Name: Chemplot 2.0
Hersteller: Heim-Verlag
Preis: 148 Mark, Update 50 Mark

Stärken: Übersichtliche Benutzeroberfläche □ hohe Betriebssicherheit □ niedriger Preis

Schwächen: Gewöhnungsbedürftige Dateiauswahlbox □ lange Druckzeiten □ kein Treiber für Atari-Laserdrucker

Fazit: Ein brauchbares Programm mit ausgezeichnetem Preis/Leistungs-Verhältnis

Name: Chemograph plus 3.41
Hersteller: Chemosoft
Preis: 680 Mark, Studenten 340 Mark

Stärken: Hohe Ausgabequalität □ umfangreiche Bibliothek □ 3D-Teil

Schwächen: Niedrige Betriebssicherheit □ hoher Preis

Fazit: Noch nicht ganz ausgereiftes Produkt mit großem Funktionsumfang

Stefan Grutke und Günter Wartusch



Aus: TOS 07 / 1991, Seite 44

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