Stichwort Bildschirmstrahlung: Gesetze, Gefahren, Gegenmittel

Dipl. Ing. G. Dziambor, TÜV Rheinland: „Strahlungsarmut hat sich beim Anwender als Qualitätsmerkmal durchgesetzt“
Ing. J. Heinrich, TÜV Product Service: „Gesetzliche Grenzwerte für Strahlungsarmut gibt es in Deutschland nicht“
W. Egelkraut, DAG: „Für schwangere Frauen muß es im Betrieb alternative Arbeitsplätze geben“
B. Wießner, NEC Deutschland: „Noch dieses Jahr stellen wir unsere Monitorpalette auf strahlungsarm um“

Wie gefährlich ist die Arbeit am Bildschirm wirklich? Mit welchen Spätfolgen muß der Anwender rechnen? Welche Sicherheitsprüfungen muß ein Monitor in Deutschland bestehen? Welchen Einfluß haben die schwedischen Empfehlungen? Wie reagieren die Hersteller? TOS befragte kompetente Fachleute. (tb)

Doktor Michael Kundi vom Institut für Umwelthygiene in Wien hat sich mit dem Thema Bildschirmstrahlung beschäftigt und erläutert die Gefahren für den Anwender:

»Bei der Bildschirmstrahlung unterscheidet man zwischen mehreren Komponenten. Zunächst gibt es die Röntgenstrahlung, die beim Bildschirm allerdings unbedeutend gering ist. Auch die verschiedenen Komponenten des Lichtes sind eine elektromagnetische Strahlung. Hier gibt es neben dem sichtbaren noch den Infrarot- und den UV-Bereich, von denen allerdings auch nur eine unbedeutend geringe Strahlung ausgeht.

Das statische elektromagnetische Feld entsteht auf der Bildschirmvorderseite durch den Elektronenbeschuß. Es kann indirekt gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge haben, weil es die in der Luft eventuell vorhandenen Allergene (Allergieerreger) auf den Anwender schleudert. Das führt unter Umständen zu Entzündungen oder allergischen Erscheinungen. Auf den Staubteilchen sitzende Mikroorganismen können die Ursache für Infektionen sein.

Die nächste Komponente, das elektromagnetische Wechselfeld, entsteht durch den Zeilentransformator bzw. durch die horizontale Ablenkung und besteht aus einem elektrischen und einem magnetischen Teil. Der elektrische Teil ist im Vergleich zu den elektrischen Quellen des menschlichen Organismus - beispielsweise das Herzaktionspotential - viel zu schwach, um biologische Effekte auszulösen. Vom magnetischen Teil allerdings könnte eine gewisse Gefährdung ausgehen. Hier gibt es verschiedene Untersuchungen, sowohl am Tier als auch am Menschen, die das Vorhandensein eines biologischen Effektes zeigen. Diesen versteht man bis jetzt noch nicht in allen Einzelheiten und Konsequenzen. Trotzdem veranlassen uns die Untersuchungen zu empfehlen, die magnetische Komponente auszuschalten oder so weit zu reduzieren, daß keine Gefährdung von ihr ausgeht. Was im Organismus im einzelnen vorgeht, läßt sich bislang nur theoretisch belegen, weil diese Effekte nur am lebenden Organismus auftreten. Ein Beispiel dafür sind Wirbelströme oder Effekte auf die Zellkommunikation. Naturgemäß sind die Effekte dort am stärksten, wo sich Zellen teilen, beispielsweise bei der Entwicklung eines Embryos. Deshalb gibt es auch einige Untersuchungen mit Föten, zum Beispiel mit trächtigen Mäusen. Sie zeigen, daß biologische Wirkungen durch das elektromagnetische Wechselfeld nicht ausgeschlossen sind.

Wie schlimm diese Auswirkungen sein können, darüber kann man bisher nur spekulieren. Denkbar sind hier aber Abgänge bei Schwangeren und Mißbildungen bei den Neugeborenen.

Von den sogenannten ,strahlungsarmen Monitoren' geht keine Gefährdung aus, sofern sie vom TÜV Rheinland nach den schwedischen Richtlinien überprüft wurden. Hier ist dann das magnetische Feld bis auf wenige Restschwankungen nicht mehr vorhanden.«

Doktor Michael Flick, Betriebsarzt für mehrere Münchner Unternehmen, erklärt, welche Belastungssymptome bei der Bildschirmarbeit auftauchen können:

»Die Hauptarbeit bei der Bildschirmarbeit leistet das Auge. Die Augenmuskeln tätigen rund 20000 Blickänderungen pro Tag. Auch der Ringmuskel, der die Nah-und Ferneinstellung übernimmt, ist permanent im Einsatz. Schon ab vier Stunden Bildschirmarbeit pro Tag ermüden diese Muskeln, und es kommt zu Überlastungserscheinungen wie brennenden, rötelnden Augen oder Kopfschmerzen. Ein weiteres Problem ist die Überlastung der Haltemuskulatur, was auf Dauer zu Gelenk- und Gliederschmerzen führen kann.

Zum Thema Bildschirmstrahlung hat sich herausgestellt, daß auf dem heutigen Stand der Technik nur die magnetischen Felder unter Umständen eine Gefahr darstellen. Versuche mit Tieren und teilweise auch mit Menschen belegen, daß man diese Felder bewußt oder unbewußt wahrnimmt. Dadurch kommt man eventuell sogar aus dem seelischen Gleichgewicht, wenn man durch diese Felder gestört wird.«

Wolfgang Egelkraut, bei der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) zuständig für Fragen des technischen Wandels und Humanisierung der Arbeit, nennt die Forderungen der DAG an Arbeit-und Gesetzgeber:

»In der Bundesrepublik arbeiten rund 6,5 Millionen Beschäftigte an Bildschirmarbeitsplätzen, im Jahr 2000 werden ungefähr 70 Prozent aller Arbeitsplätze in Büro und Verwaltung mit Computern und Bildschirmen ausgestattet sein. Momentan sind noch sehr viele ältere Geräte im Einsatz, bei denen die Emission bezüglich Röntgenstrahlung, elektrischem und elektromagnetischem Feld weitgehend unbekannt sind.

Die DAG fordert vom Gesetzgeber, die für die Bundesrepublik gültigen Grenzwerte für Bildschirmgeräte am aktuellen Stand der Technik zu orientieren und nicht etwa an den nationalen Produktionslinien. Zumindest müssen die Grenzwerte mit den schwedischen Empfehlungen gleichziehen.

Die Arbeitgeber sollen jeden Arbeitsplatz nach ergonomischen Gesichtspunkten gestalten: Für schwangere Frauen muß es im Betrieb alternative Arbeitsplätze geben.

Grundsätzlich begrüßt die DAG jeden Schritt, der die Belastungen durch Bildschirme reduziert. Darunter fallen auch die strahlungsarmen Monitore.«

Ing. Johann Heinrich, Abteilungsleiter für Büro- und Lasergeräte beim TÜV Product Service in München, erläutert die gesetzlichen Verordnungen bei Monitoren:

»Hier gibt es drei unterschiedliche Bereiche. Der erste ist der Sicherheitsbereich mit der Ergonomie. Dieser ist geregelt über das Gerätesicherheitsgesetz und muß somit von jedem Hersteller eingehalten werden. Darüber hinaus gibt es die Postverordnung für den Funkschutz. Damit haben wir die gesetzlichen Vorschriften abgedeckt. Dann gibt es noch auf freiwilliger Basis die sogenannten strahlungsarmen Monitore in Bezug auf die elektrostatischen und elektromagnetischen Felder. Für diese Anforderungen gibt es keine gesetzlichen Standards, sondern von den Schweden erarbeitete Empfehlungen für Grenzwerte. Diese messen wir auf Wunsch und bescheinigen gegebenenfalls deren Einhaltung. Eine gesetzliche Prüfpflicht gibt es aber für den ganzen Monitor nicht. Es gibt nur eine Bestimmung über die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften mit den ergonomischen Gesichtspunkten wie Flimmerfreiheit, Kontrast oder Röntgenstrahlung sowie der Postverfügung für den Funkschutz. Gesetzliche Grenzwerte für die Strahlungsarmut eines Monitors gibt es in Deutschland nicht.«

Dipl.-Ing. (TH) Gerd Dziambor von der Prüfstelle für Gerätesicherheit beim TÜV Rheinland äußert sich zu Sicherheitsprüfungen und Bildschirmergonomie:

»Im Rahmen unserer Prüftätigkeiten - die GS-Prüfung für Büromaschinen ('GS' = Geprüfte Sicherheit; Anmerkung der Redaktion) -ist auch die Ergonomie ein Thema, abgestützt auf das Gerätesicherheitsgesetz. Ein GS-Zeichen an einem Bildschirm bedeutet: 'Dieses Gerät erfüllt die in Deutschland gültigen Normen, Sicherheitsregeln und gesetzlichen Vorschriften bezüglich Sicherheit und Ergonomie.' Ergonomie beim Bildschirm sind Dinge wie zum Beispiel Zeichenschärfe oder Verstellbarkeit.

In letzter Zeit ist zunehmend das Thema Strahlung in die öffentliche Diskussion gekommen. Der offizielle Standpunkt in Deutschland besagt: 'Unsere gültigen Grenzwerte sind ausreichend.' Es gibt zum Beispiel die Grenzwerte vom VDE, die allerdings mehr ein Thema dafür sind, daß das Gerät keine anderen Geräte stört. Hier ist aber der Mensch nicht angesprochen als derjenige, der beeinflußt wird. Man weiß auch nicht sehr viel über die biologischen Effekte, die sich möglicherweise ergeben. Aber die hierzulande zuständigen Arbeitsmediziner meinen, die Grenzwerte seien ausreichend.

Die Schweden gehen hier einen Schritt weiter und empfehlen schärfere Werte. Und dies muß man ein bißchen differenziert sehen. Bei den elektrostatischen Feldern hat man auf jeden Fall einen Komfortaspekt. Der Bildschirm lädt sich nicht mehr so hoch auf, das heißt, die Staubanziehungskraft und damit die Polarisation zwischen Bildschirm und Benutzer ist nicht so ausgeprägt. Wenn man diese Ziele mit einem erträglichen Aufwand erreichen kann, sollte man es auch durchführen. Dieser Umstand hat sich auch inzwischen auf dem Markt und beim Anwender als Qualitätsmerkmal durchgesetzt.

Was die niederfrequenten Magnetfelder angeht, haben auch die Schweden das technisch Machbare gefordert. Hier befindet man sich in einer Grauzone, denn der Einfluß auf das Thema Gesundheit ist hier nicht vollständig erwiesen. Natürlich sind geringere Werte besser. Ich glaube aber nicht, daß man die deutschen Grenzwerte in absehbarer Zeit an die schwedischen Empfehlungen anpaßt. Die deutschen offiziellen Vertreter vom Fachausschuß sehen hier überhaupt keinen Handlungsbedarf und wehren sich sogar dagegen, daß der TÜV Rheinland Monitore in Richtung Bildschirmstrahlung testet. Sie halten das Thema nicht für stichhaltig und wollen deshalb auch nicht, daß es in der Öffentlichkeit breitgetreten wird. Gegen den Vorsorgeaspekt ist aber unserer Meinung nach nichts einzuwenden.

Übrigens: Die schwedischen Empfehlungen laufen bei uns oft unter den Begriffen 'Schweden-Norm' oder 'SSI-Norm'. Das ist alles falsch, es handelt sich nur um Empfehlungen. Der TÜV Rheinland hat jetzt ein neues Prüfzeichen für Ergonomie entwickelt, das auch die Prüfung nach den schwedischen Empfehlungen einschließt.«

Die Firma JVC etablierte die strahlungsarmen Monitore in Deutschland. Hans-Wolfram Tismer vom deutschen JVC-Exklusivvertrieb Computer 2000 AG erläutert die beschwerlichen Anfänge:

»Nach dem ersten Multisync-Monitor waren die strahlungsarmen Monitore die zweite JVC-Basisentwicklung. Hier war man sich am Anfang nicht sicher, ob dies nur ein Marketing-Gag werden sollte oder nicht. Am Anfang wollte man ausschließlich den schwedischen Markt erobern. Die strahlungsarmen Eigenschaften empfand die Computer 2000 AG als sehr wichtiges Argument, um die JVC-Monitore in Deutschland zu etablieren. Zur Markteinführung Anfang 1989 wurden wir nur belächelt. Allerdings betonten die Arbeitsmediziner immer wieder, daß es nicht erwiesen ist, ob die elektromagnetische Strahlung auf den Körper Folgen haben kann oder nicht. Versuche mit Mäusen ergaben allerdings, daß zwischen der Strahlung und der Mißbildung von Föten ein Zusammenhang besteht. Bereits im September 1989 boten wir die 14-Zoll-Monitore nur noch strahlungsarm an. Die Umstellung bei den 16- und 20-Zoll-Geräten war viel schwieriger, weil man hier intern Kompensationsspulen anbringen muß, um das Abstrahlen der elektromagnetischen Strahlung zu kompensieren, ohne die Bildqualität zu beeinflussen. Diese Großbildschirme sind seit November letzten Jahres auch strahlungsarm verfügbar. Ab Februar 1991 bieten wir nur noch strahlungsarme Monitore an.«

Ziehen die Monitorhersteller aus der Marktentwicklung und den sich ändernden Kundenbedürfnissen irgendwelche Konsequenzen? TOS bat einige Firmen um ihre Einstellung zu strahlungsarmen Monitoren.

Bernd Wießner, NEC Deutschland GmbH:
»Wir halten strahlungsarme Monitore für sehr sinnvoll und sind davon überzeugt, daß den Sicherheitsbedürfnissen der Anwender auch dann entsprochen werden sollte, wenn keine eindeutige Gefährdung durch Bildschirmstrahlung nachgewiesen ist. Bisher sind die beiden Multisync-Monitore Typ 2A und Typ 3D auch in einer strahlungsarmen Version erhältlich, die deutlich unter den Werten der 'schwedischen Empfehlungen SSI' liegt. In Anbetracht der Marktentwicklung und der sich ändernden Kundenbedürfnisse stellen wir aber noch im Laufe dieses Jahres unsere gesamte Monitorpalette, also auch die Multisync-Modelle 4D und 5D, auf strahlungsarm um. Modelle, die nicht den schwedischen Empfehlungen entsprechen, wird die Firma NEC Deutschland dann nicht mehr vertreiben.«

Jürgen Schulz, Marketing Protar Elektronik:
»Natürlich sind wir strahlungsarmen Monitoren gegenüber positiv eingestellt. Derzeit bieten wir allerdings nur einen 19-Zoll-Schwarzweiß-Monitor für den Atari TT an.

Dieser ist strahlungsarm, wir bemühen uns gerade um das SSI-Prüfzeichen, das wir voraussichtlich im Mai dieses Jahres auch erhalten. Wenn unsere Monitorpalette weiter ausgebaut wird, dann entsprechen alle Geräte selbstverständlich der schwedischen Norm. Neben der Marktentwicklung spielt schließlich die Gesundheit eine wichtige Rolle. Wenn ein Hersteller über auftretende Langzeitschäden informiert wird, muß er seinen Kunden in jedem Fall eine Lösung anbieten.«

Peter Henseleit, Atari Computer GmbH:
»Strahlungsarme Monitore sind bei uns aktuell. Allerdings stammen die Monitore von Zulieferern, wobei wir derzeit mit den Lieferanten verhandeln. Wir warten auch noch auf die Zustimmung aus den USA. Ziel ist es, dem Kunden eines oder mehrere nach der schwedischen Norm strahlungsarme Geräte anzubieten. Die Umstellung ist allerdings nicht unbedingt unsere alleinige Entscheidung. Vielmehr haben Marktuntersuchungen ergeben, daß wir ab Mitte diesen Jahres nicht mehr am Thema strahlungsarme Monitore vorbeikommen.« Martin Stanscheit, Pressesprecher bei Commodore:

»Strahlungsarme Monitore sind unheimlich wichtig. In Schweden sind sie nach den dort geltenden Arbeitsrichtlinien eigentlich schon Vorschrift, und in den nächsten Jahren wird die Ergonomie immer mehr ein Thema werden, nicht nur bei Monitoren, sondern beispielsweise auch in bezug auf die Geräuschentwicklung bei Tischgeräten. Deshalb denke ich auch, daß die nächsten Jahre in der Bundesrepublik zeigen werden, daß strahlungsarme Monitore immer mehr in den Vordergrund rücken. Ich denke, man muß sich langfristig darüber Gedanken machen, wie man dem Ziel gerecht wird, keine nicht-strahlungsarmen Monitore mehr anzubieten.«



Aus: TOS 03 / 1991, Seite 42

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