Hotlines im Härtetest: Stichproben beim Telefonservice bekannter Hersteller

Wie helfen die Kundenbetreuer der Hersteller dem Anwender bei Problemen mit ihren Produkten? TOS fühlte dem Hotline-Service namhafter Firmen anonym auf den Zahn.

Die Auswahl der Firmen erfolgte zufällig. Allerdings achteten wir darauf, möglichst viele Hard- und Softwarebereiche abzudecken. Unter einem Decknamen nahmen wir den telefonischen Hotline-Service in Anspruch.

Dabei gaben wir vor, das entsprechende Produkt erst vor wenigen Tagen erworben zu haben und ließen durchblicken, mit der Materie Computer ausschließlich als Hobby-Anwender vertraut zu sein. Bei der Auswahl der »Probleme« griffen wir größtenteils auf Fragen unserer Leser, aber auch auf eigene Erfahrungen zurück. Erfreulicherweise verwies uns keine der getesteten Firmen auf einen bestimmten Hotline-Termin, in jedem Fall verband man uns umgehend mit einem zuständigen Mitarbeiter. Wichtig für das Gespräch Hersteller-Anwender waren uns folgende Faktoren:

Steinberg: Kompetenz und rasche Hilfe

Als Anwender des Kawai K1-Editors »Synthworks K1« in der Version 1.1 bitten wir den Hersteller Steinberg in Hamburg um Hilfe. Das Programm weigert sich trotz den im Handbuch genannten Voreinstellungen und korrekter MIDI-Verkabelung, Soundbänke an den K1 -Synthesizer zu übertragen, während das Senden einzelner Sounds problemlos funktioniert. Unser Gesprächspartner hört sich unsere Fragen geduldig an und geht anschließend mit uns die MIDI-Verkabelung sowie die Einstellungen im Programm und am Synthesizer durch. Nachdem sich herausstellt, daß von unserer Seite kein Bedienungsfehler vorliegt, folgt nach einer kurzen Denkpause die entscheidende Frage nach der Versionsnummer.

Der Steinberg-Mitarbeiter gerät aufs richtige Gleis: »Und wahrscheinlich handelt es sich bei Ihrem K1 auch um ein älteres Modell? Dann ist alles klar. Das alte Synthworks 1.1 kommt mit den unterschiedlichen Betriebssystemversionen der K1-Systemsoftware nicht klar.« Es folgen einige auch für Einsteiger verständliche Erklärungen zu den verwendeten Fachbegriffen. Auf die Frage, ob wir unser Synthworks-Programm nun beim Händler Umtauschen müssen, antwortet der Steinberg-Mitarbeiter spontan: »Machen Sie sich doch keine Umstände. Ich schicke Ihnen heute noch die aktuelle Version 1.51 zu.« Tatsächlich liegt schon am nächsten Tag eine Diskette mit dem neuen Synthworks im Briefkasten - der Steinberg-Mitarbeiter hat Wort gehalten.

Lob an die Firma Steinberg für die kompetente Beratung und die rasche Hilfe.

Steinberg, Billwerder Neuer Deich 228, 2000 Hamburg 26, Tel. 040/789 85 16

Atari: Unfreundliche Beratung

In der Atari-Telefonzentrale werden wir zunächst abgewimmelt, da wir kein Händler, sondern »nur« Anwender sind. Erst nach dem Hinweis, der Händler selbst habe uns an Atari verwiesen, verbindet uns die gestresst wirkende Telefonistin mit der Hotline-Abteilung. Unser Gesprächspartner macht während des gesamten Gesprächs einen ungeduldigen, fast schon unhöflichen Eindruck. Kurz und prägnant schildern wir unser Problem m it der Textverarbeitung »1st Word Plus«: Das Programm weigert sich, einen auf einer PD-Diskette gespeicherten ASCII-Text von 80 auf 40 Zeichen pro Zeile zu formatieren. Der WP-Modus ist eingeschaltet, das Programm führt die Formatierungsfunktion nur leider erfolglos aus.

Ohne lang zu überlegen schneidet uns der Atari-Mitarbeiter mitten im letzten Satz das Wort ab: »Ja, da machen Sie jetzt was, das im ersten Moment ziemlich unlogisch klingt. Ersetzen Sie jedes Leerzeichen durch ein Leerzeichen, dann funktioniert’s.« Obwohl er mit diesem Tip genau ins Schwarze trifft, gibt der Hotline-Betreuer keine einleuchtende Begründung ab: »1st Word Plus erkennt halt manche Leerzeichen in ASCII-Texten nicht. Aber jetzt wissen Sie das Gegenmittel.« Damit ist für den Atari-Mitarbeiter die Angelegenheit erledigt, und er hat es merklich eilig, das Gespräch zu beenden. Erklärung der weiteren Vorgehensweise? Fehlanzeige.

Obwohl die Atari-Hotline unser Problem lösen konnte, stellt sich die Frage, warum man den Anwender so unfreundlich behandelt. Außerdem war die für die Lösung gelieferte Begründung unzureichend.

Atari-Computer GmbH, Postfach 1213, 6096 Raunheim, Tel. 061 42/2090

Tommy-Software: Beratung nach Denkhilfe

Unser Problem mit »MegaPaint« soll der Hersteller Tommy-Software in Berlin beheben. Das Zeichenprogramm kopiert auf einem Mega ST2 mit 2 MByte RAM die linke Hälfte einer vollen hochkanten DIN-A4-Seite mittels der üblichen Blockfunktion nicht auf die rechte Hälfte, auf der Kopie fehlt das untere Drittel. Allerdings meldet MegaPaint keinen Fehler.

Der Hotline-Betreuer des Berliner Softwarehauses lauscht unserem Hilferuf geduldig, findet zunächst aber keine Lösung. »Also sowas hatten wir noch nie. Gehen Sie auch wirklich wie im Handbuch beschrieben vor?« ln den folgenden zwei Minuten erklären wir unserem Gesprächspartner nochmals Punkt für Punkt unsere genaue Vorgehensweise - vergeblich, der Mann kann keine Lösung anbieten. Dennoch bleibt er ständig geduldig und höflich.

Wir geben dem Tommy-Software-Mitarbeiter einen Wink mit dem Zaunpfahl: Auf einem Mega ST4 beim Fachhändler arbeitet die MegaPaint-Blockkopierfunktion einwandfrei. Jetzt zündet beim Hotline-Betreuer der Funke: »Ach ja, natürlich! Möglich, daß auf Ihrem Computer mangels Speicherplatz zuwenig Puffer zur Verfügung steht. Dann paßt nämlich der Ausschnitt nicht vollständig in den Zwischenspeicher.« Anschließend erklärt er ausführlich und auf leicht verständliche Weise die Pufferfunktion und die weitere Vorgehensweise im Programm. Die Erläuterungen hätte auch ein Computerneuling ohne Probleme verstanden.

Schade, daß unserem Gesprächspartner diese einfache Lösung nicht auch ohne Denkhilfe eingefallen ist.

Tommy-Software, Selchower Str. 32,1000 Berlin 44, Tel. 030/621 4063

DMC: Fast perfekte Beratung

Wegen einer Schwierigkeit mit dem Desktop-Publishing-Programm »Calamus« wenden wir uns an den Hersteller DMC in Walluf: Nach dem Importieren einer mit 1st Word Plus geschriebenen und als ASCII gespeicherten Datei verweigert Calamus die Ausgabe des »ß«-Zeichens auf dem Ausdruck. Im Texteditor ist die Datei allerdings komplett.

Eine freundliche Dame will sich zunächst selbst über unser Problem informieren, stellt dann aber umgehend zu einem Kollegen durch. Auch dieser erweckt einen freundlichen und zuvorkommenden Eindruck. Geduldig lauscht er unserem Hilferuf und stellt anschließend ein paar direkte Fragen zu unserer genauen Vorgehensweise: »Gehen wir die Sache mal in aller Ruhe Schritt für Schritt durch.« Nach einer kurzen Denkpause hat der DMC-Mitarbeiter unser Problem im Griff: »Da gibt's eigentlich nur eine Möglichkeit. Calamus kennt zwei verschiedene 'ß'. Diese müssen Sie gegeneinander austauschen.«

Anschließend erklärt unser Gesprächspartner geduldig in allen Details, mit welchen Funktionen die Zeichen vertauscht werden. Als wir einmal nicht schnell genug »Ja« sagen, kommt prompt die Frage »Haben Sie das nicht verstanden? Kein Problem, also nochmal«, gefolgt von einer erneuten Erklärung. Leider war sich der DMC-Mitarbeiter nicht im klaren, ob wir das erste »ß« gegen das zweite »ß« tauschen müssen oder umgekehrt: »Da bin ich momentan nicht sicher, aber das müssen Sie halt ausprobieren.« Sonst hätte sich die DMC-Hotline die Note »sehr gut« verdient.

DMC, Schöne Aussicht 41, 6229 Walluf, Tel. 061 23/71250

NEC: Hilfe auch für Einsteiger

Mit einem Problem zum Drucker NEC P6 wenden wir uns an die NEC-Hotline. Erfreulicherweise erreichen wir auch am späten Nachmittag noch einen Ansprechpartner. Der Drucker verwandelt beim Ausdruck eines C-Listings vom Desktop aus die geschweiften Klammern »{« und »}« in Umlaute, wodurch der Ausdruck unbrauchbar wird. Beim Drucken aus der Textverarbeitung 1st Word Plus funktioniert aber alles einwandfrei. Der Hotline-Betreuer hört uns geduldig zu und will anschließend wissen, ob es sich um groß- oder kleingeschriebene Umlaute handelt. Er überlegt kurz, erklärt die Funktion der DIP-Schalter und fragt nach deren Einstellungen an unserem Drucker. Daraus erkennt er richtig, daß wir den deutschen Zeichensatz eingeschaltet haben. »Wenn Sie jetzt den amerikanischen Zeichensatz einstellen, erscheinen statt der Umlaute wieder die Klammern, da in diesem Zeichensatz keine Umlaute enthalten sind.« Er läßt uns auch nicht mit dem 1st Word Plus-Mysterium allein und klärt uns auf, daß diese Textverarbeitung mit eigenen Zeichentabellen arbeitet. Der NEC-Mitarbeiter erläutert noch kurz die nötigen Einstellungen und bietet an, ihn bei weiteren Problemen nochmals anzurufen.

Auch die NEC-Hotline erkannte unser Problem und konnte sofort weiterhelfen. Erwähnenswert ist, daß sich der Mitarbeiter für seine Erläuterungen ausreichend Zeit nahm. Dabei erklärte er alles auf eine so leicht verständliche Weise, daß auch Computer-Einsteiger aus den Tips lernen können und nicht mit den Fachbegriffen allein dastehen.

NEC, Klausenburger Str. 4, 8000 München 80, Tel. 0 89/90 5009 33

Omikron: Hilfe nur gegen Bezahlung

Eine programmiertechnische Frage zum »Omikron-Basic 3.0« ist Anlaß für den Anruf bei der Firma Omikron in Pforzheim. Unser Gesprächspartner scheint sich zunächst selbst nicht sicher, ob er für die Programmierung zuständig ist oder nicht, hört sich aber in Ruhe unsere Frage an.

Unser Problem: Wir wollen den Joystickport des Atari ST abfragen. Nach einer kurzen Denkpause glauben wir zunächst, Erfolg zu haben: »Ja, da gibt es durchaus einen Weg. Wie Sie vielleicht wissen, existieren im Omikron-Basic 3.0 einige undokumentierte Befehle, darunter das Kommando JOYSTICK. Ach ja, vorher müssen Sie noch den Tastatur-Prozessor abfragen.« Genauere Erklärungen spart sich der Omikron-Mitarbeiter: »Das Thema ist viel zu kompliziert, um es hier am Telefon zu erläutern.« Literatur zu den undokumentierten Befehlen? »Für 10,50 Mark erhalten Sie per Nachnahme von uns eine genaue Liste. Da steht dann alles nötige drin.« Zum Bestellen verbindet er uns noch mit der Versandabteilung, die freundlich unseren Auftrag entgegennimmt.

Die nach fünf Tagen eintreffenden Listen (übrigens gegen 12,50 Mark einschließlich Nachnahmegebühr) enthalten tatsächlich die für uns wichtigen Informationen. Aber warum muß der Anwender für diese aus einem dünnen DIN-A6-Heftchen bestehende Hilfeleistung über 10 Mark bezahlen? Der DIN-A5-Umschlag aus Pforzheim war übrigens prall gefüllt. Leider bestand der Inhalt neben dem erwähnten Heftchen nur aus Prospekten und Werbematerial zu weiteren Omikron-Produkten.

Omikron, Sponheimstr. 12, 7530 Pforzheim, Tel. 0 72 31 /356033

Vortex: Mehr Schein als Sein

Als stolzer Besitzer der Festplatte HD-30 Plus wenden wir uns an den Hersteller Vortex und geben vor, nicht mehr auf die selbstbootende Platte zugreifen zu können, da ein Reset den Bootvorgang unterbricht. Beim ersten Anruf hört sich eine freundliche Dame geduldig unser Problem an, kann dann aber doch nicht weiterhelfen, da sie »erst den Kollegen zu Rate ziehen muß«, der aber leider gerade telefoniert. Sie wirkt sehr zuversichtlich: »Ich bin sicher, daß wir Ihr Problem heute noch in den Griff bekommen werden. Rufen Sie am besten in ein paar Minuten nochmal an.« Zehn Minuten später unser zweiter Anruf. Der zuständige Kollege telefoniert immer noch, deshalb bitten wir um dringenden Rückruf. Doch unser Telefon bleibt stumm. Nach einer dreiviertel Stunde vergeblichen Wartens rufen wir erneut an, diesmal mit Erfolg: Der benötigte Vortex-Mitarbeiter geht persönlich an den Apparat. Allerdings behandelt er uns längst nicht so freundlich und zuvorkommend wie seine Kollegin. Ungeduldig hört er sich unser Problem an und stellt dann diverse falsche Vermutungen in Richtung defekter Sektoren auf der Festplatte an. Erst als wir ihn buchstäblich mit der Nase auf ein vermutlich fehlerhaftes Accessory stoßen, erläuterte er kurz das Abbrechen des Bootvorgangs und das Umbennenen der ACC- in ACX-Dateien. Nach der Bemerkung »Das steht übrigens auch alles in Ihrem Handbuch« hat er es merklich eilig, das Gespräch zu beenden.

War es dem Vortex-Spezialisten etwa peinlich, daß er nicht von selbst auf die Lösung dieses simplen Einsteiger-Problems kam?

Vortex GmbH, Falterstr. 51-53, 7101 Flein bei Heilbronn, Tel. 071 31 /597 20

Markt & Technik: An den Autor verwiesen

Wegen Schwierigkeiten mit dem DTP-Programm »Publishing Partner« wenden wir uns an den deutschen Vertrieb Markt & Technik. Die Software stürzt nach Aufruf der Druckroutine ab. Bis wir endlich an der richtigen Stelle sind, werden wir immerhin viermal verbunden. Unser Gesprächspartner hört sich zunächst unsere Geschichte geduldig an, überrascht dann aber mit dem Hinweis, daß er »von dem Programm überhaupt keine Ahnung« hat, da es sich »seit kurzer Zeit nicht mehr im Vertrieb des Markt & Technik-Verlags befindet.« Gibt es vielleicht eine neue Anlaufstelle oder sonst jemand, der uns weiterhelfen kann? Fehlanzeige. Wir geben Markt & Technik eine zweite Chance und stellen eine dringende Frage zur Druckroutine der Tabellenkalkulation »LDW Power Calc«. Hier verweist der Mitarbeiter auf »einen anderen Kollegen, der heute nicht im Hause ist.« Als wir am nächsten Tag anrufen, hört sich auch dieser Hotline-Betreuer geduldig unser Problem an, erwidert aber dann nach einigen Gegenfragen und falschen Vermutungen freundlich: »Leider kann ich Ihnen in diesem speziellen Fall nicht weiterhelfen.« Ein anderer Kollege vielleicht? Wieder Fehlanzeige. Dafür bietet uns der Markt & Technik-Mitarbeiter an, das Problem schriftlich einzureichen, damit er es »an die Programmautoren weiterleiten kann«. Die Firma LDW ist übrigens in der Schweiz ansässig, der Programmierer lebt in Polen. Bis unser Problem bis zum Autor vordringt, dieser eine Lösung anbietet und sein Schreiben in unserem Briefkasten landet, hat der Anwender wahrscheinlich die Lust an LDW Power Calc verloren.

Markt & Technik Verlag, Hans-Pinsel-Str. 2, 8013 Haar, Tel. 089/461 30

Application Systems: Nichts fOr Einsteiger

Wegen einer ungewohnten Eigenschaft der Textverarbeitung »Script«, die man leicht als Programmfehler deuten kann, bitten wir den Hersteller Application Systems um Rat. Blättert man mit der Maus und dem Scrollbalken durch einen Text, läuft der Cursor nicht mit. Bei einem Schreibversuch an einer anderen Textstelle springt Script wieder an die letzte Cursorposition zurück. Auch hier hört sich zunächst eine leicht gestresst wirkende Dame unser Problem an, bevor Sie uns mit dem zuständigen Mitarbeiter verbindet. Dieser schenkt uns geduldig seine Aufmerksamkeit, kann uns dann beruhigen: »Ja ja, die Frage hören wir öfter. Aber keine Angst, das ist eine normale Script-Funktion.« Abhilfe? »Vor dem Schreiben mit der Maus an die gewünschte Position klicken, damit setzen Sie den Cursor neu.«

Zweite Frage: Script weigert sich, eine Tabelle inklusive Tabulatoren im ASCII-Format zu speichern, damit wir die Datei auf dem PC weiterverarbeiten können. Dabei lassen wir einen Bedienungsfehler durchblicken. Der ASH-Mitarbeiter stutzt einen Moment, schätzt die Situation dann aber richtig ein: »Also irgendwas machen Sie falsch. Sagen Sie mir nochmal der Reihe nach, wie Sie vorgehen.« Wir erzählen unsere Geschichte ein zweites Mal. Unser Gesprächspartner stellt freundlich ein paar Gegenfragen und klärt uns über unseren Bedienungsfehler auf. Dabei fallen auch einige Fachbegriffe, auf deren Erläuterung der ASH-Mitarbeiter leider verzichtet. Computerneulinge Und reine Hobby-Anwender stehen hier hilflos im Dunkeln.

Application Systems, Englerstr. 3, 6900 Heidelberg 1, Tel. 06221 /30 0003


Thomas Bosch
Aus: TOS 02 / 1991, Seite 18

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