Wildwest-Methoden im Software-Support: Nach Gutdünken bringen Software-Hersteller neue Versionen ihrer Programme kostenlos oder zu Fantasie-Preisen unters Anwender-Volk. Im Zweifelsfall ist immer der Kunde der Dumme. Auch die Frage der Hersteller-Haftung bei Programmfehlern scheint unbeantwortet, obwohl die Lage rechtlich längst geklärt ist.
Wer einen Liter saure Milch kauft oder sich einen kaputten Fernseher andrehen läßt, kommt in Deutschland schnell zu seinem Recht: Käufer-Reklamationen bei mangelhafter Ware werden in der Regel materiell oder finanziell Folge geleistet. Doch was so klar im richtigen Leben geregelt ist, trifft noch lange nicht auf die verrückte Computerwelt zu. Und schon gar nicht auf die Software. Auch wenn hier formell alles in Ordnung scheint. Denn mit dem Kauf einer Standard-Software haben Sie den gleichen gesetzlichen Garantie-, Reklamations- und Umtausch-Anspruch wie bei jedem anderen Produkt. Das ist schon seit drei Jahren höchstrichterlich abgesegnet.
Nach einem Urteil des BGH vom 4.11.1987 (AZ VIII ZR 314/86) gelten für den Kauf von Computerprogrammen die Vorschriften über die kaufrechtliche Gewährleistung. Danach hat der Käufer ein Recht auf Vertragswandlung, die unter bestimmten Umständen auch die Hardware umfaßt, wenn die Software Mängel aufweist. Nach einem Urteil des OLG München vom 15.2.89 gilt das Kaufrecht für Standard-Software sogar dann, wenn sie zusammen mit einer Anpassung geliefert wird. Beispiel: »Adimens« mit einer individuellen Datenbank-Anwendung. Hersteller oder Handel sind also regreßpflichtig, auch wenn sie dies nur ungern hören. Wie ungern, das belegt die chronische Misere der Softwarepflege. In welcher Anleitung steht schon etwas über die Garantie-Leistungen des Herstellers, welches Softwarehaus erklärte sich je für die Folgen massiver Programmfehler haftbar?
Klassisches Beispiel: Atari und seine Oldtimer-Textverarbeitung »1st Word Plus«. Wie viele Jahre ist der massive Fußnotenfehler des Programms bekannt und trotzdem unbehandelt, wie viele Magisterarbeiten hat das siechende Fußnotengift bereits auf dem Gewissen? Die Frage der Produkthaftung für ein Programm, das trotz wissentlicher Fehler im Vertrieb bleibt, liegt auf der Hand. Doch Atari gelang es, die aufziehende Katastrophe geschickt auszusitzen. Selbst das übliche Update-Verfahren machte sich Atari gar nicht oder nur mangelhaft zunutze. Mit dem Kauf eines Anwendungsprogramms bekommt jeder Kunde in der Regel eine »Registrierungs-Karte«, die er zum Hersteller zurückschickt. Der versorgt ihn dann künftig mit neuen Versionen dieses Programms. So sollte es zumindest sein.
Es gibt grundsätzlich zwei Bezeichnungen für neue Versionen eines Programms: Updates und Upgrades. Ein Update ist die überarbeitete Fassung eines Programms, bei der erkannte Fehler beseitigt sind, ohne daß sich der Funktionsumfang nennenswert verändert. Upgrades schließen darüber hinaus zusätzliche neue Funktionen des Programms mit ein. Während ein Update also nur die Betriebssicherheit des Programms verbessert, steigern Upgrades die Leistungsfähigkeit dieses Software-Produkts.
Das Spektrum der Update-Praxis reicht von »nicht vorhanden« bis »mustergültig«. Während bei »1st Word«-Registrierkarten der zustellende Postbote offensichtlich der letzte ist, der einen Blick auf diese Karten wirft, bemühen sich beispielsweise Software-Häuser aus dem MIDI-Sektor wie Steinberg oder C-Lab um eine lehrbuchmäßige Kundenbetreuung.
Der Bogen des Kunden-Supports reicht weit. Und nicht selten gelingt es den Softwarehäusern, diesen Bogen zu überspannen. Denn nirgends ist definiert, was den Software-Produzenten zu welchen Tarifen an Leistungen zur Produktpflege verbindlich obliegt. Wer schreibt Atari überhaupt vor, einen Update-Service anzubieten? Denn, wie geschehen, kann es sich Atari leisten zu sagen: »Updates lohnen sich für uns nicht. Neue Versionen kosten deshalb genau-soviel wie das Originalprogramm.« Tatsächlich unterliegen Software-Anbieter keiner rechtlichen Verpflichtung, überhaupt einen Software-Support anzubieten, denn es gibt keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Standard-Software und anderen Produkten. Updates sind eine freiwillige Leistung der Hersteller, zu denen sie prinzipiell nicht verpflichtet sind.
Mach dem Kaufrecht gilt jedoch auch für Standard-Software eine sechsmonatige Gewährleistungsdauer. Treten in diesem Zeitraum Mängel auf, so hat der Kunde ein Recht auf Wandlung oder Minderung und gegebenenfalls Schadensersatz. Der große Haken: Einen Anspruch auf Nachbesserung gibt es nicht. Exekutiert »1 st Word« aufgrund eines Programmfehlers Ihr 100seitiges Manuskript, so handelt es sich um einen Mangelfolgeschaden, den Atari bestenfalls durch die Übernahme der Kosten eines Schreibbüros übernimmt. Sie können von einem Anbieter nicht verlangen, einen Programmfehler bis zu einem bestimmten Termin beseitigt zu haben.
Bei anderen Herstellern sieht es nicht besser aus, der Kunde steht als dummer August da. DMC brachte nach der Markteinführung von »Calamus« den gutwilligen Nutzern alle paar Tage ein Update ins Haus. Was DMC als beispielhaften Kunden-Service proklamierte, ließ sich schon damals als Verballhornung der Kundschaft mit einem noch lange nicht serientauglichen Produkt interpretieren. Ebenso könnte sich Skoda rühmen, einen Prototypen samt Techniker auszuliefern, weil häufig die Türen herausfallen und der Motor auf die Straße plumst.
Doch DMC befindet sich in bester Gesellschaft weiterer Firmen, die Updates als Mittel der Software-Entwicklung mißbrauchen. Wie wenig Bedeutung man der Fairness gegenüber dem Kunden einräumt, läßt sich auch an Update/Upgrade-Gebühren nur unschwer ablesen: Die neuen Version eines allseits bekannten Grafikprogramms bietet der Hersteller zum alten Preis an. Nur treue Kunden haben 106 Mark zu berappen, um an dieses Upgrade zu kommen. Neukunden zahlen 798 Mark, Alt-Nutzer 904 Mark inklusive »Upgrade-Strafe«; rechtlich völlig in Ordnung, nur ist das fair? Das Programm heißt in diesem Beispiel übrigens »Megapaint« und stammt von Tommy Software. Daß die Gebühren die reinen Handling-Kosten überschreiten, kommt zwar auch bei anderen Firmen vor, macht die Sache aber nicht weniger unverschämt.
Aber es geht auch anders, wie Steinberg und C-Lab demonstrieren. Beide Softwarehäuser unterrichten Ihre Kunde von bevorstehenden Upgrades schriftlich. Steinberg-Kunden erhielten kürzlich für 60 Mark ein erheblich leistungsfähigeres »Cubase 2.0« einschließlich Handbuch, gleiches gilt für C-Labs »Notator 3.0«, dessen üppige Ausstattung die 80 Mark Upgrade Gebühren nur mal gerade eben decken dürfte. Altkunden beider Firmen erfreuen sich im übrigen eines Preisvorteils gegenüber Neu-Einsteigern.
Wild-West Methoden in der Kunden-Betreuung darf sich kein Softwarehaus mehr leisten. Ein gutes Programm kommt heute keiner Lizenz zum Gelddrucken mehr gleich, denn die Investition endet nicht mit der Entwicklung eines Programms. Vernünftiger Kunden-Support und ein reibungsloser Update-Service sind Leistungen, ohne die ein Software-Anbieter schon dem alltäglichen Konkurrenzdruck kaum mehr standhält.
Bei gutem Service ist der Kauf der Anfang einer vielleicht langjährigen Markentreue.
Im ersten Teil dieses Update-Specials erläutern wir die Problematik und präsentieren Ihnen die Ergebnisse einer Umfrage unter Software-Häusern.
Im zweiten Teil haben Sie das Wort: Was stellen Sie sich unter guter Produktpflege vor? Berichten Sie uns von Ihren Erfahrungen.