»Zugabe!«, das ist nicht der begeisterte Ruf des Autors nach Beendigung dieses Softwaretests, sondern die Übersetzung von »Encore«, dem Namen des neuen Notendruckprogramms aus dem Hause Passport. Wir wollten wissen, wie die Umsetzung der Macintosh-Version gelungen ist.
Das wichtigste Kriterium bei der Beurteilung von Notendrucksoftware muß sein, ob es den Autoren gelungen ist, größtmögliche Funktionsvielfalt mit gelungener Benutzerführung zu vereinen.
Ohne dem Testergebnis zu weit vorauszugreifen sei festgehalten, daß die Passport-Programmierer hier Vorbildliches geleistet haben. Die kinderleichte Handhabung vieler leistungsstarker Funktionen machte die Arbeit mit Encore während der Testphase zum fast ungetrübten Vergnügen. Zum Betrieb des Programms ist eine Festplatte Voraussetzung.
Die Hauptseite von Encore präsentiert sich in bester GEM-Manier: Neben der obligaten Menüleiste entdeckt man ein noch leeres Fenster für die Notendarstellung sowie ein schmales Fenster mit der Bezeichnung »Notes«, in dem die diversen Notensymbole ihrer Aktivierung harren. Um das leere Notenfenster mit musikalischem Inhalt zu füllen, gibt es verschiedene Wege. Entweder laden Sie eine bereits fertige Notendatei, oder Sie spielen in Real-time bzw. Step-by-Step Ihre Musik mit einem MIDI-Instrument ein.
Auch steht der Bearbeitung von Sequenzerdateien (Passport-Sequenzer und MIDI-Standard-File-Format) oder der manuellen Eingabe per Maus nichts im Wege. Bis zu 64 Systeme pro Seite haben Sie dabei zur Verfügung, wobei Encore die Darstellung von vier melodisch-rhythmisch unabhängigen Stimmen pro System gestattet. Entscheiden Sie sich für die Arbeit mit MIDI-Standard-Files, dann erscheinen die Noten zuerst ohne Hinweis auf ihre rhythmischen Werte. Erst nach der frei konfigurierbaren Quantisierung per »Guess Duration« stellt Encore auch die rhythmischen Strukturen da. Diese Quantisierung funktioniert ebenso hervorragend wie das automatische Balkensetzen durch »Beam on Beat«. Alle vom Programm unterbreiteten Vorschläge lassen sich zusätzlich manuell umgestalten. Möchten Sie in einer Sechzehntelgruppe z. B. die Behalsungsrichtung ändern, markieren Sie die entsprechenden Noten mit der Maus und wählen »Sterns Up« aus der Menüleiste. Alle Funktionen sind auch über die Tastatur zu erreichen, so daß der geübte Encore-Profi flott vorankommt.
Die Transformation von einem Ml-Dl-File in ein erstes Rohnotenbild nimmt aufgrund der gelungenen Benutzerführung nur wenige Minuten in Anspruch. Doch auch die Kosmetik am Notentext ist dank umfangreicher Nachbearbeitungsbefehle kein großes Problem. Schon das sichtbare Notensymbolfenster, im Encore-Jargon »Palette« genannt, läßt bei näherer Betrachtung erahnen, daß hier mit Symbolen nicht gegeizt wird. Von der 128tel Note und Pause bis zur frei wählbaren n-Tolen Darstellung findet sich alles, was das Herz begehrt. Weitere Symbole und Grafikfunktionen erhält man durch Umschalten der Palette. Dies geschieht durch einfachen Mausklick auf den Fenstertitel oder in der Menüleiste. Die Aufzählung der diversen Sonderzeichen sei unseren Lesern an dieser Stelle erspart: Es fehlt einfach nichts. Sogar die von vielen Programmen sträflich vernachlässigten Vorschläge beherrscht Encore meisterlich. Ebenso selbstverständlich ist für das Programm auch die Darstellung von Drumnotation oder Flageoletts. Sechs verschiedene Notenkopfarten stehen dem Anwender zur Wahl. Und ausgefallene Sonderzeichen sollten sich dank der integrierten einfachen Malfunktionen problemlos produzieren lassen. Daß so profane Dinge wie Halslänge und der Abstand Vorzeichen-Note ganz dem Geschmack des Musikers unterliegen, erscheint angesichts der gebotenen Funktionen kaum noch erwähnenswert.
Wer nicht nur »Lieder ohne Worte« zum Ausdruck bringen möchte, freut sich über die »Lyric«-Funktion, die jeden Text passend unter die Noten verteilt. Aber auch normaler Text läßt sich, genauso wie Akkordsymbole, in der Partitur unterbringen.
Nicht minder professionell sind die zahlreichen Layout-Funktionen von Encore. Sowohl die Anzahl der Takte pro System als auch die Anzahl der Systeme pro Seite sind beliebig wählbar. Das Umsortieren von Systemen geschieht im »Staff-Sheet«-Fenster, in dem sich die Systeme auch neu benennen lassen. Außerdem ordnen Sie in diesem Fenster jedem System oder jeder Stimme im System einen MIDI-Kanal sowie MIDI-Volumen und Program-Change-Befehle zu. Das komplette Arrangement läßt sich dann via MIDI abspielen, so daß Sie in Verbindung mit der Realtime-Dateneingabe praktisch einen kleinen 32-Spur Sequenzer besitzen. Etwas umständlich ist hingegen das Isolieren eines einzelnen Systems z. B. für Big-Band-Arrangements. Dazu muß man auf die »Extract Part«-Funktion zurückgreifen, die in langer Rechenzeit das gewünschte System auf ein anderes Score-Window umkopiert. Sehr hilfreich ist wieder das »Preview«-Fenster, in dem Encore die Partitur in verkleinerter Ganzseitendarstellung zur Layoutkontrolle darstellt.
Steht das Werk in seiner endgültigen optischen Form, wird man ungeduldig den Druckbefehl aktivieren. Doch nun ist - je nach Drucker - Geduld gefordert. Encore druckt nämlich mit dem mitgelieferten »Ultrascript« der Firma Imagen. Ultrascript ist Postscript-kcynpatibel, und daher muß vor dem Druck der ersten Note einige Rechenarbeit erfolgen. Die exzellente Druckqualität entschädigt für die unter Umständen lange Wartezeit. Im Lieferumfang ist der ansprechende »Sonata Music Font« enthalten.
Unser abschließendes Urteil ist eindeutig: Encore ist ein äußerst professionelles Programm für den computerisierten Notensatz. Kein Programm in dieser Preisklasse bietet momentan solche Funktionsfülle bei gleichzeitig optimaler Benutzerführung. Allerdings wird der Preis von 998 Mark viele Notationswillige vom Kauf ab-schrecken, erhält man doch für diesen Preis bereits Sequenzer plus Notationsprogramm in einem. Für Musiker, die ihr Hauptaugenmerk auf den Notendruck legen, ist Encore eine ernstzunehmende Alternative, da allein die Benutzerführung der Konkurrenz um Längen voraus ist. Der Preis relativiert sich auch durch das Fehlen jeglichen Kopierschutzes: Passport vertraut voll und ganz auf die Einsicht seiner Kunden. Hier könnte sich die Konkurrenz durchaus eine Scheibe abschneiden. Abgesehen davon erhält man mit Encore noch das Postscript-Druckprogramm UltraScript, das sich auch unabhängig von Encore nutzen läßt. Die Begeisterung in der Testerloge für Encore ist jedenfalls ungebrochen: Bravo Bravissimo! (wk)
Hybrid Arts, Eschborner Landstr. 99-101, 6000 Frankfurt/ Main 90
Name: Encore
Preis: 998 Mark
Hersteller: Passport
Stärken: Ungeheure Funktionsvielfalt □ kompletter Sonderzeichensatz □ Vorschläge □ hervorragende Benutzerführung □ sehr guter Ausdruck (PostScript)
Schwächen: Einzelsysteme etwas umständlich zu isolieren □ Handbuch momentan nur in Englisch
Fazit: Encore ist ein Notensatzprogramm für Profis.