Plastische Animation: Die Verbindung zwischen Computeranimation und Holographie

Bisher war die plastische Darstellung in der Holographie stets an feste Objekte gebunden. Ulrich Roth und Detlev Abendroth gingen einen Schritt weiter und verwandelten eine Computeranimation in ein Hologramm.

Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine typische dreidimensionale Computergrafik. Eine gitterförmige Ebene, darauf futuristische Gebilde wie ein Roboterarm, zwei Türme oder eine Raumkapsel. Durch die Holographie-Technik wirkt die Grafik für den Betrachter räumlich, fast möchte man die einzelnen Objekte berühren. Doch die Hand taucht ins Leere. Im ersten Moment eine der bekannten Täuschungen des in der Gehirnschale jedes Menschen untergebrachten Mikrocomputers, ein Hologramm wie viele andere. Genauso unauffällig ist der kleine Ball in der rechten oberen Ecke.

Die Bildfolge zeigt sechs der insgesamt 78 Einzelbilder, die als Vorlage für das Animations-Hologramm dienten, das Sie auf der nächsten Seite sehen

»Behalten Sie das Hologramm im Auge und gehen Sie langsam von rechts nach links«, rät mir Ulrich G. Roth, der an der Entstehung dieses und noch vieler anderer Hologramme maßgeblich beteiligt ist. Neugierig befolge ich seine Anweisungen. Wahrscheinlich verwandelt sich einer der Türme gleich in einen anderen Gegenstand, eines der häufigsten Phänomene der Holographie-Technik, das immer wieder für langanhaltendes Staunen sorgt. Weit gefehlt, Turm bleibt Turm, Kapsel bleibt Kapsel. Dafür setzt sich plötzlich der kleine Ball in Bewegung. Er trifft auf die Spitze des rechten Turms, setzt seinen Weg fort zwischen der Raumkapsel und dem linken Turm, schlägt noch einmal auf der Ebene auf und verschwindet im linken Bildrand. Hätte ich einen Bildschirm vor mir, würde ich das Geschehen als gewöhnliche Computeranimation abtun. Doch der Hersteller hat den gesamten Vorgang in einem Hologramm untergebracht, einer Technik, die sich bisher nur auf feste, stehende Körper anwenden ließ. Holographie (griechisch: »holos« = ganz, vollständig) ist eine Technik zur Aufzeichnung dreidimensionaler Bilder. Sie wurde 1947 von dem ungarischen Physiker Denis Garbor entwickelt. Die wichtigste Voraussetzung zur Herstellung von Hologrammen ist kohärentes Laserlicht, die am häufigsten vorkommende Hologrammart sind die »Weißlicht-Hologramme«. Der haarfeine Laserstrahl wird dabei mit Hilfe eines Spezialspiegels -einem »Strahlteiler« - in zwei gleichförmige Strahlen gesplittet, die wiederum mit Hilfe von Optiken an Weite gewinnen.

Einer dieser beiden Strahlen trifft die fotografische Platte direkt, die das fertige Hologramm aufnimmt. Hier spricht man vom »Referenzstrahl«. Der andere Strahl wird über Umwege dazu benutzt, das Objekt zu beleuchten. Das vom Objekt reflektierte Licht nennt man »Objektstrahl«. Er trifft sich in der Ebene der fotografischen Platte mit dem Licht des Referenzstrahls und zeichnet in der Emulsionsebene ein Interferenzmuster (Überlagerungen) auf.

Nach der so erfolgten Belichtung muß man die fotografische Platte nur noch mit denen in der Fotografie üblichen Prozessen entwickeln. Zur Rekonstruktion des Objekts läßt man das Licht einer weißen Punktlichtquelle von vorne oben im gleichen Winkel auf die Platte fallen, in dem der Referenzstrahl bei der Aufnahme die Platte traf. Dieser Winkel liegt in der Regel zwischen 40 und 50 Grad. So rekonstruiert das Hologramm ein dreidimensionales Bild des aufgenommenen Objektes.

Ein Weißlichthologramm hat übrigens eine Auflösung von bis zu 5000 Linien pro Millimeter. Deshalb ist die Aufnahmeapparatur extrem empfindlich gegen Erschütterungen. Ein aufwendiges Labor besitzt üblicherweise einen tonnenschweren Tisch und führt die Aufnahmen tief in der Nacht durch, wenn durch den verringerten Straßen- und Fluglärm in der Regel minimale Erschütterungen zu erwarten sind.

»Das soll nicht heißen, daß die faszinierende Holographie-Technik nur betuchten Profis Vorbehalten ist«, wehrt Ulrich Roth meine schüchterne Frage nach den Gesamtkosten des Laborinventars ab. »Wer im Basteln und in der Elektrotechnik fit ist und sich die einzelnen Teile bei Elektronikhändlern zusammenkauft, kann mit geringem finanziellen Aufwand bereits einfache Hologramme herstellen. Bereits für knapp 1300 Mark gibt's die nötige Grundausstattung zum Selbstbauen.«

Ulrich Roth spricht aus Erfahrung. Der 36jährige gelernte Augenoptiker entdeckte vor ca. zehn Jahren seine Begeisterung für die Holographie. »Damals sah man die Dinger immer nur in Ausstellungen. Also suchte ich nach einem Weg, Hologramme jedermann zugänglich zu machen.« Er gibt seinen Beruf auf und beginnt mit einfachsten Mitteln erste Experimente. »Literatur gab's damals leider so gut wie überhaupt keine.«

Auf einer Münchner Elektronik-Fachmesse lernt er 1985 den gleichaltrigen Detlev Abendroth kennen, der bereits mehrere Hologramme hergestellt hatte. Der Handwerker hatte sich als Autodidakt in seiner Freizeit in die Holographie eingearbeitet. »Mir war sofort klar, daß ich niemals mit Detlev gleichziehen konnte. Was er machte, war einfach fantastisch«, lobt Roth seinen Partner.

Kurze Zeit später tun sich die beiden zusammen. Während Detlev Abendroth in seinem Labor in Essen die Hologramme herstellt, kümmert sich Ulrich Roth von seinem Büro in Reutlingen aus um Marketing und Versand. Auch Detlev Abendroth hat inzwischen sein Hobby zum festen Beruf gemacht. Die Hologramme entstehen meistens nach Vorlagen der Kunden. Dabei gibt es drei Aufnahmeverfahren: Bei »Real Image« dienen als Vorlage Gegenstände im Maßstab 1:1. Wenn ein Objekt zu groß oder zu klein ist, muß man ein Modell anfertigen. »Deshalb sollte jemand, der sich mit Holographie beschäftigt, auch gut basteln können«, meint Ulrich Roth. Dient als Vorlage eine Filmaufnahme, zum Beispiel ein Foto, spricht man von einem »Multi-Stereogramm«. Bei der »Computer Aided Holographie« liefert der Computer mit einer 3D-Grafik die passende Vorlage. Nach welchem Aufnahmeverfahren das Hologramm produziert wird, entscheidet Ulrich Roth im Gespräch mit dem Auftraggeber.

Ulrich Roth: »In den nächsten Jahrzehnten kommt im Bereich Holographie noch einiges auf uns zu. Vor allem die Verbindung von Computer-Animation und Holographie wird noch stärker ausgeprägt sein.«

Viel Zeit kostet es, wenn Farbe in's Hologramm kommen soll

In der Kundenliste finden sich zahlreiche im Elektronik-, Haushaltsgeräte- und Nahrungsmittelbereich bekannte Firmen wieder, die sich für Messen und Ausstellungen Hologramme von ihren Produkten anfertigen lassen. In einem der Regale in Roths Büro entdecke ich zahlreiche kleine Hologramme mit verschiedenen Motiven von der Muschel bis zur Pharaonenmaske im Taschenformat. »Diese Hologramme können Sie in jedem Geschenkartikelladen für 10 bis 30 Mark kaufen.«

Wer Aufmerksamkeit erregen will, läßt sich auf seine Visitenkarten seinen Kopf als Mini-Hologramm kleben. »Das hat allerdings seinen Preis«, gibt Roth zu bedenken. »Die meisten Leute denken bei Hologrammen gleich an irgendeine Spielerei. Daß die Herstellung der plastischen Bildchen sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, wissen die wenigsten. Je größer und komplexer das Hologramm, desto länger dauert seine Produktion, und umso höher ist der Endpreis.«

Ulrich Roth deutet auf das DIN-A4-Hologramm mit der Computeranimation: »Daran hat mein Partner rund 250 Stunden gearbeitet.« Die Arbeit hat sich gelohnt. Roth und Abendroth legen mit dem Animations-Hologramm ein im Holographiebereich bislang einmaliges Werk vor. Und doch ist es immer noch ein Prototyp: »Bis es perfekt ist, müssen wir noch viele Arbeitsstunden investieren. Schauen Sie sich nur die Ebene an.«

Ulrich Roth macht mich auf regelmäßige, kleine schwarze Felder in der Ebene aufmerksam. »Daran ist die Software schuld.«

Gemeint ist die Cyber-Serie von Antic. Detlev Abendroth entwickelte die Animation auf mehreren Atari STs mit der Software Cyber-Paint und Cyber-Control. »Wenn Detlev an mehreren Computern gleichzeitig arbeitet, kann er besser experimentieren, zum Beispiel auf jedem Bildschirm einen anderen Animationsschritt bearbeiten, um ständig die Übersicht zu behalten.«

Die gesamte Animation besteht derzeit aus 78 Einzelbildern. Jedes Bild gibt Abendroth auf dem Plotter aus und verwandelt es in ein Hologramm. Anschließend werden die Einzelbilder im Abstand von jeweils rund 0,5 cm übereinanderbelichtet. Da der Hintergrund immer gleich bleibt und nur der Ball auf jedem Bild eine andere Position einnimmt, entsteht für den Betrachter der Eindruck, daß sich der Ball bewegt.

»Ärgerlich sind die schwarzen Felder auf der Ebene. Cyber-Paint dreht die Einzelbilder nur in ganzen Grad-Schritten, dadurch entstehen zu große Abstände. Besser wären Viertelgrad-Schritte. Dann bekäme die Software das Prädikat ,Holographie-tauglich'.« Ein Maßstab für künftige Mal- und Animationsprogramme? »Die Verbindung Computeranimation - Holographie wird in der Zukunft noch stärker ausgeprägt sein.«

Das Bild links zeigt das mit Hilfe des Atari ST und der Cyber-Studio-Software produzierte Animations-Hologramm. Rechts: Ulrich Roth, der Partner des Holographie-Tüftlers Detlev Abendroth.

Ulrich Roth und Detlev Abendroth wollen mit dem Animations-Hologramm ein neues Holographie-Zeitalter einläuten. »Erstens können wir den ganzen Animationsprogrammen endlich einen Sinn geben. Zweitens eröffnen sich der Holographie neue Anwendungsgebiete.«

Denkbar wäre für Roth beispielsweise der Praxiseinsatz bei Chemikern oder Architekten, die sich ihre Entwürfe - Gebäude oder Molekularstrukturen - im Ganzen und nicht nur zweidimensional auf dem Papier ansehen wollen. Bei einer entsprechenden Nachfrage ließe sich dann auch der derzeit noch sehr hohe Preis senken.

»In den nächsten Jahrzehnten kommt im Bereich Holographie noch einiges auf uns zu. Mit dem Computer sind wir aber bestens gewappnet.«

Holographie Roth, Schmale Str. 5, 7410 Reutlingen

# Holographie live

Haben wir Sie ein wenig neugierig gemacht? Wer die Hologramme aus der Roth'schen Werkstatt sehen und erleben möchte, besucht am besten die Hobby & Elektronik '90 in Stuttgart. Die Messe dauert vom 8. bis 11. November 1990. Die Firma Holographie Roth finden Sie in Halle 10, Stand 1068. Zu sehen gibt's natürlich auch das neue Animations-Hologramm.


Thomas Bosch
Aus: TOS 11 / 1990, Seite 102

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