Was hatten sie mir nicht alles erzählt, jene Computerfans, die noch nachts um zwei mit roten Augen hinter ihren Kisten sitzen, ihren Lebenszweck in der Kommunikation mit anderen Computern sehen und deren Telefonrechnung jeden Monat mit dem durchschnittlichen Umsatz eines Kleinunternehmers konkurriert. Von nächtelangen Ausflügen in ferne Mailboxen schwärmen sie, vom Programmaustausch mit Gleichgesinnten in Hamburg oder Hongkong, von der Faszination, sich die ganze Welt auf den heimischen Monitor zu holen.
Nein, nicht von Hackern ist hier die Rede - die haben sich spätestens seit »Wargames« und dem »KGB-Hack« kleinlaut in den Untergrund verzogen. Ganz »normale« Computeranwender sind gemeint, die ihren Computer hauptsächlich zur Datenfernübertragung (DFÜ) verwenden.
Hauptanlaufstelle sind dabei die sogenannten Mailboxen, zu deutsch etwa »elektronische Briefkästen«. Hinter diesem Briefkasten steckt nichts anderes als ein Computer, der über einen oder mehrere Anschlüsse mit dem Telefonnetz verbunden ist. Mit seiner Hilfe versenden die Benutzer ihre elektronische Post, tauschen Programme und spielen sogar.
Leider läßt sich der Computer nicht ohne weiteres an die postalische Telefonbuchse stecken. Schließlich sind die Leitungen des gelben Riesen zur Übermittlung von Sprache vorgesehen, nicht aber zum Transfer von Computerdaten. Doch Hilfe ist schnell gefunden. So wie ein Telefon die Sprache in elektrische Spannungen umwandelt bzw. diese Spannungen über einen Lautsprecher wieder hörbar macht, gibt es auch »Telefone« für den Computer. Diese Geräte heißen Modem oder Akustikkoppler, und man schaltet sie zwischen den Computer und die Telefonbuchse. Sie wandeln die Datenströme des Computers in hörbare Töne um, die sich problemlos über das Telefonnetz übertragen lassen. Am anderen Ende der Leitung steht wieder so ein Gerät, das die Töne in für den Computer verständliche Datenfolgen zurückverwandelt.
Für Techniker: Der Computer setzt seine Daten nur aus zwei Werten zusammen, logisch 0 oder 1. Diese beiden Zustände sind durch Spannungen (0 bzw. 5 Volt) repräsentiert. Ein Modem oder Akustikkoppler übersetzt diese beiden Werte in Frequenzen, nämlich die 0 in 980 Hertz und die 1 in 1180 Hertz. Diese Frequenzen lassen sich über die Telefonleitung verschicken. Am anderen Ende der Leitung analysiert ein entsprechendes Gerät die Frequenzen und wandelt sie wieder in eine Spannungsfolge von 0 und 1 zurück. War diese Art der Kommunikation vor einigen Jahren noch als exotische Spinnerei verschrieen, tauschen mittlerweile immer mehr Computerbenutzer ihre Daten via Telefonleitung aus - schließlich sind die Preise für die nötige Hard- und Software gehörig in den Keller gerutscht. Tja, und irgendwann, nachdem ich selbst einmal beim Stöbern in einer Mailbox dabei war, hat der DFÜ-Virus dann auch mich erfaßt, und ich beschloß spontan, mir eine entsprechende Ausrüstung zuzulegen.
Die wichtigste Frage ist natürlich die nach der Hardware - schließlich bestimmt sie maßgeblich die Leistungsfähigkeit und auch den Preis des ganzen DFÜ-Systems. Zwei Gerätetypen gilt es dabei zu unterscheiden:
Da wären zunächst einmal die Akustikkoppler. Ihr charakteristisches Kennzeichen sind die beiden großen Kunststoff-Muffen. Dorthinein pressen Sie den Hörer Ihres Telefons - Computer und Telefonleitung sind dadurch akustisch miteinander verbunden. Das ganze hat jedoch einige Nachteile: Ihr Telefon paßt nicht auf den Koppler, wenn Sie eine moderne Fernsprecheinheit mit eckigen Muscheln besitzen. Außerdem ist die akustische Verbindung sehr anfällig gegenüber Störeinflüssen - einmal laut niesen genügt, und Ihre Datenreise findet ein jähes Ende. Um einigermaßen sicher Daten zu übertragen, arbeiten die Koppler nur mit einer geringen Übertragungsrate, d.h. sie verschicken relativ wenig Daten pro Sekunde. Das Ergebnis sind lange und teure Telefonate.
Das Tempo ist aber das wichtigste bei der DFÜ. Angegeben wird es in der Einheit Baud, was soviel bedeutet wie »Bits pro Sekunde«. Bei 2400 Baud werden demnach pro Sekunde ebensoviele Bits verschickt, das entspricht 2400/8*300 Bytes. Tatsächlich ist die Zahl der übertragenen Zeichen niedriger, da einige Bytes zur internen Kontrolle nötig sind. Durchschnittlich überträgt man etwa 230 Zeichen pro Sekunde bei 2400 Baud. Bis vor etwa zwei Jahren galten 300 Baud als Standard, eine Zahl, mit der fast alle Akustikkoppler arbeiten. Doch der Wunsch nach immer mehr Datenübertragung bei akzeptablen Kosten brachte die Entwicklung weiter.
Ein anderer Gerätetyp, das »Modem«, bewältigt heute bereits Übertragungen bis zu 19200 Baud. Der Standard liegt zur Zeit bei 2400 Baud. Modem ist ein Kunstwort für »Modulator/Demodulator«. Dieses Gerät wandelt die digitalen Informationen des Computers direkt in Leitungsimpulse für das Telefonnetz um. Infolgedessen schließen Sie das Gerät auch direkt an das Postnetz an.
Einen Haken gibt es allerdings auch hier: Da das Modem ein Datenendgerät am Fernmeldenetz ist, benötigen die Geräte für den legalen Betrieb eine Postzulassung (ZZF-Nummer, früher FTZ). Da der gelbe Riese mit solchen Zulassungen aber äußerst sparsam umgeht, besitzen die meisten der in Deutschland angebotenen Modems, häufig Importe, diese Zulassung nicht. Die Post hat selbst einige Geräte im Angebot - zu astronomischen Preisen. Technisch gibt es keinerlei Unterschiede zu Geräten mit Zulassungsnummer. Im Gegenteil, die meisten Importgeräte verstehen einen international anerkannten Befehlssatz, der lediglich im Geltungsbereich der Bundespost verboten ist. Die Post nutzt hier ihr Monopol voll aus und stellt den Betrieb am öffentlichen Netz unter Strafe - was aber kaum jemanden davon abhält, diese Geräte trotzdem zu benutzen. Spätestens mit der Einführung des europäischen Binnenmarktes 1992 fällt diese Vorschrift weg, und der Betrieb ist dann auch offiziell legalisiert. Modems mit ZZF-Nummer gibt es jetzt schon - sie sind aber ebenso selten wie teuer.
2400-Baud-Modem ca. 400 Mark
DFÜ-Programm Rufus (Shareware) 50 Mark
Serielles Kabel ca. 45 Mark
Telefonadapter RJ11 - TAE6 ca. 10 Mark
Zusammen ca. 505 Mark
Und für die ganz Eiligen, die die nächste Ausgabe gar nicht erwarten können, hier vorab schon einmal ein paar ausgewählte Mailboxnummern des Maus-Netzes:
Maus Berlin 0 30 - 7 85 00 89
Maus Hamburg 0 40 - 5 3816 57
Maus Köln-Porz 0 2203-1 2400
Maus München 0 89-65 47 08
Wenn die Verbindung hergestellt ist, beantworten Sie die beiden Fragen der Mailbox jeweils mit N (für Nein). Danach können Sie sich als Gast etwa eine Viertelstunde in der Box umschauen.
Aufgrund dieser Überlegungen entschloß ich mich schließlich für ein 2400 Baud-Modem, der Kostenpunkt lag bei etwa 400 Mark. Wer noch einmal zwei Hunderter drauflegt, bekommt diesen Gerätetyp auch in einer »MNP5«-Ausführung. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich die Fähigkeit eines Modems, Daten beim Versenden automatisch zu komprimieren. Dadurch erhöht sich die Übertragungsgeschwindigkeit bis zum Faktor 2. Entsprechend kürzer ist die benötigte Übermittlungszeit - die Telefonrechnung wird es Ihnen danken. Das ganze funktioniert natürlich nur, wenn Ihr Gegenüber auch MNP5 versteht. Eine automatische Fehlerkorrektur ist gleichfalls integriert.
Mit der Hardware allein ist es aber nicht getan. Zur DFÜ fehlt noch ein passendes Programm. Zwar liegt jedem ST ein sogenannter VT 52-Emulator zur Datenübertragung bei, jedoch ist dieses Programm für vernünftigen Komfort gänzlich ungeeignet. Etwas »Richtiges« mußte her, und da ich keinen Drang verspürte, noch einmal 100 bis 200 Mark auszugeben, sah ich mich auf dem PD-Markt um. Und dort finden sich in der Tat Programme, die auch höhere Ansprüche erfüllen: »Uniterm« beispielsweise glänzt mit einer Fülle von Befehlen, ist für den Einsteiger aber etwas zu komplex. Leichter zu durchschauen ist »RUFUS«, das sich durch vorbildliche GEM-Einbindung auszeichnet. Es ist allerdings kein echtes PD-Programm: Als Shareware kostet es die Registrationsgebühr von 50 Mark, die jeder ehrliche Anwender bezahlen sollte.
Drei Tage nach der Bestellung war es soweit, der Postbote brachte das langersehnte Modem. Also gleich auspacken, anschließen und... denkste! Irgendwie schienen die mitgelieferten Kabeln nicht zu stimmen. Ein Blick in die englische Anleitung - es handelt sich um ein amerikanisches Produkt - brachte Klarheit: »Für den Anschluß dieses Modems benötigen Sie eine serielle Schnittstelle sowie ein dazu passendes Kabel« stand da sinngemäß. Erstere zu finden war kein Problem. So viele Schnittstellen hat der ST nicht, und über einer der wenigen freien stand tatsächlich »Modem«. Mit dem Kabel tat ich mich schon schwerer. Also noch einmal zum Computerhändler und 45 Mark in ein »RS232-Kabel«, so die Fachbezeichnung, investiert. Der freundliche Verkäufer klärte mich auch gleich auf, daß ich wahrscheinlich noch ein passendes Telefonkabel bräuchte. Mein Einwand, dieses befände sich bereits im Lieferumfang des Modems, tat er zurecht ab: Schließlich läßt sich ein Kabel mit amerikanischem RJ11 -Telefonstecker schlecht in eine bundesdeutsche TAE6-Postbuchse stöpseln. Ein Adapter für 10 Mark löst dieses Problem. Hat sich die Deutsche Bundespost bei der Installation der Telefonbuchse allerdings nicht am Standort Ihres Schreibtisches orientiert, dann sollten Sie gleich ein neues, ausreichend langes Kabel besorgen. Die im Lieferumfang der Modems enthaltenen Stummel sind selten länger als 1 bis 2 Meter. Zu lang darf Ihre Verbindung aber auch nicht sein. Ab 6 bis 7 Metern ist Schluß, danach brauchen Sie eine speziell abgeschirmte Leitung.
Das waren dann insgesamt noch einmal 80 Mark.
In der nächsten Ausgabe erfahren Sie, was es mit den Kommunikationsparametern auf sich hat, ebenso Wissenswertes über den Umgang mit Mailboxen, Protokollen und Steuercodes. (wk)
Teil 1: DFÜ-Hardware-Grundlagen □ Benötigte Software
Teil 2: Kommunikationsparameter □ Umgang mit Mailboxen