Wo es für sichtbares Licht kein Durchkommen gibt, suchen Forscher das Weltall nach Radiowellen ab, um neue Erkenntnisse über Sterne und Galaxien zu gewinnen. Die Auswertung der Datenflut erledigen leistungsfähige Computer. Im Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn stehen zahlreiche STs den Großrechnern zur Seite.
Der Ort: Bonn-Endenich, Institut für Radioastronomie der Max-Planck-Gesellschaft. Der Gesprächspartner: Dr. J. Baars, Leiter der Abteilung Submillimetertechnologie. Der Anlaß: Atari STs in rauhen Mengen. »Kommen Sie herein«, schallt es mir aus dem Arbeitszimmer von Dr. Baars entgegen, als ich im Institut für Radioastronomie an seine Tür klopfe. Er selbst sitzt, wie könnte es passender sein, gerade am ST und beendet ein Programm. Dr. J.Baars, Niederländer, 53 Jahre, ist Leiter der Abteilung für Submillimetertechnologie am Institut und gleichzeitig Projektmanager für die Entwicklung eines neuen Radioteleskops. Bereitwillig gibt er Auskunft über die Radioastronomie, das Institut und natürlich über die unterschiedlichen Einsatzbereiche des STs in der täglichen Arbeit.
Astronomie, die Lehre von den Sternen war schon im Mittelalter eine bedeutende Wissenschaft. Männer wie Kopernikus oder Keplerveränderten unser Weltbild. Immer jedoch beschränkten sich die Forscher auf das sichtbare Bild der Sterne am Himmel. Erst in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts entdeckte ein Ingenieur der amerikanischen Telefongesellschaft Bell Laboratories bei Versuchen mit Funkgeräten eine unsichtbare Strahlung aus dem Weltraum, die sich mit Radiogeräten nachweisen ließ. Nach anfangs sehr zögerlicher Aufnahme unter Physikern und Astronomen begann wiederum ein amerikanischer Ingenieur, den Weltraum systematisch nach solcher Radiostrahlung abzusuchen und die entsprechenden Ergebnisse zu kartieren. Ein neuer Zweig der Astronomie war geboren - die Radioastronomie. Seit den 50er Jahren nahm die junge Wissenschaft einen großen Aufschwung. Mit Hilfe von Geräten aus der Radar- und Funktechnik suchten Radioastronomen den Weltraum systematisch nach Radioquellen ab. Ihre Ergebnisse halfen wesentlich, die Kenntnisse über Galaxien und Planeten zu erweitern.
»Wir sind eine reine Beobachtungswissenschaft«, so Dr. Baars, »wir haben leider nicht die Möglichkeit, an unseren Experimenten' zu drehen, den Druck zu verändern etc. Wir müssen zufrieden sein, mit dem was wir finden und daraus unsere Ergebnisse ableiten.« Wichtigstes Hilfsmittel dabei sind die Radioteleskope, mit deren Hilfe die Astronomen jede Radiostrahlung aus dem Weltraum aufzeichnen. Sie orten je nach eingestellter Wellenlänge unterschiedliche Radioquellen. Es handelt sich um Rauschen, das Sie theoretisch über jeden Kurzwellenempfänger hören können. Allerdings sind die zahlreichen Kurzwellensender auf der Erde so stark, daß es schon besonderer Antennen, eben der Radioteleskope und leistungsfähiger Empfänger bedarf, um die »Radiosendung« aus dem Kosmos zu empfangen.
Zwei besonders leistungsfähige Geräte dieser Gattung stehen dem Bonner Institut zur Verfügung. Das Radioteleskop Effelsberg in der Eifel gehört zum Institut. Dieses größte voll bewegliche Radioteleskop der Welt hat einen Reflektordurchmesser von 100 Metern, einen Drehkreis von 360 Grad und einen einstellbaren Kippwinkel von 7 bis 94 Grad. Es empfängt Daten im Wellenbereich von 6 mm bis 6 cm. Das zweite Radioteleskop, an dem die Bonner beteiligt sind und bei dem Dr. Baars maßgeblich an der Planung und am Bau beteiligt war, steht 3000 Meter hoch auf dem Pico Veleta in Südspanien. Dieses 30 Meter-Teleskop ist vor allem für Beobachtungen im Millimeterbereich zuständig. Die Höhe ist unbedingt nötig, da die Erdatmosphäre einen großen Teil der Radiowellen verschluckt.
Außerdem sind die Teleskope in dieser Höhe viel geringeren Witterungseinflüssen, Gravitationsstörungen und erdeigenen Radiostrahlungen ausgesetzt. Ein drittes Instrument für den Submillimeterbereich ist, ebenfalls unter der Leitung von Dr. Baars, in der letzten Planungsphase und soll in den nächsten Jahren in Arizona installiert werden. Dr. Baars: »Diese riesigen Teleskopschüsseln sind schon faszinierend. Vor einiger Zeit fragte Rudi Carell an, ob er einem Zuschauer den Wunsch erfüllen könnte, im Effelsberg mit dem Fahrrad in der Teleskopschüssel zu fahren. Wir machen zwar Führungen und helfen gerne bei Interesse an der Astronomie, aber das ging leider nicht. Schließlich sind das absolute Präzisionsinstrumente.«
Die Verarbeitung der riesigen Datenmengen, die bei der Beobachtung anfallen, gelingt nur mit Hilfe leistungsfähiger Computer. Im Institut stehen mehrere VAX-Rech-ner, teilweise für ganz spezielle Aufgaben der Datenreduktion bzw. zur Berechnung komplexer Farbgrafiken. Als Terminals finden zahlreiche Atari STs Verwendung. Dr. Baars: »Wir haben diese Geräte vor etwa zweieinhalb Jahren gekauft, weil sie viel preiswerter waren als z. B. Tektronik-Sichtgeräte. Über ,Uniterm' funktioniert der Anschluß absolut problemlos. Wir besitzen sogar einige PCs als Endgeräte, nur die Apple Macintosh waren uns zu teuer. Die sind zwar unter amerikanischen Kollegen sehr stark verbreitet, aber nur, weil die ihre Geräte alle mit einem ungeheuren Hochschulrabatt erhalten. Der ST stellt die Daten auf dem Bildschirm genauso gut dar. Brauchen wir eine Ausdruck, geht das über die Hardcopy-Funktion ohne Schwierigkeiten.«
Hauptsächlich Mega ST2 und ST4 tun ihren Dienst, auch einige 1040er sind vorhanden. Fast jeder Arbeitsplatz ist mindestens noch mit einer Festplatte, einige mit einem zusätzlichen 5,25-Zoll-Lauf-werk ausgestattet. In diese Computer ist auch ein PC-Speed MS-DOS-Emulator eingebaut. Es gibt im Institut auch eine Reihe von PCs, so daß die Geräte auch direkt kompatibel sind. Dr. Baars: »Für den Betrieb an den Großrechnern wäre das alles nicht nötig, aber im Laufe der Zeit haben immer mehr Kollegen entdeckt, daß der Atari auch als Einzelplatz sehr leistungsfähig ist. Da ist beispielsweise die Textverarbeitung. Wir haben auf dem Großrechner das Satzsystem ,TEX' installiert. Einige Zeitschriften aus unserem Fachgebiet übernehmen für Publikationen gleich eine entsprechende Datei, damit keine Satzfehler Vorkommen. Aber eine Reihe von Kollegen verwenden für kleine Sachen ,1st Word Plus', weil es mit dabei war, als wir die Computer kauften. Inzwischen besitzen wir auch fünf oder sechs Exemplare von ,Signum'. Es hat wirklich eine tolle Schriftqualität, und man kann den Text gut plazieren. Jeder Arbeitsplatz ist mit einem 24-Nadel-Drucker ausgestattet, gerade haben wir einen Laserdrucker gekauft. Er steht zur Zeit bei mir, aber das weiß niemand.
Sehr wichtig für uns ist auch das Programm ,Sky-plot' von Frank Thielen. Es ist eines der besten Astronomie-Programme, die ich kenne. Wir verwenden es bei der Planung und Vorbereitung von Beobachtungsreihen. Zunächst überlegen wir uns mit Hilfe von Skyplot, was wir machen könnten, dann setzen wir die vorgeplante Beobachtungsreihe für die Steuerung der Teleskope um. Da das Programm ursprünglich nicht für Radioastronomie vorgesehen war, haben wir mit dem Programmautor einen besonderen Vertrag geschlossen. Wir besitzen eine Nutzungslizenz für die Teleskope in Effelsberg und in Spanien und können unsere Informationen über Radioquellen in die Daten des Programms einbringen. Ich glaube, in der neuesten Version sind jetzt auch Radioquellen enthalten. Wir dürfen sogar den Quellcode erweitern, haben aber davon bisher noch keinen Gebrauch gemacht.«
Im Institut sind etwa 200 Mitarbeiter beschäftigt, ca. 50 sind Radioastronomen, die anderen sind überwiegend Techniker, Elektroniker, Ingenieure und ein wenig Verwaltung. Es gibt keinen Markt für die Geräte, die ein Radioastronom benötigt, also hat jedes entsprechende Institut eine eigene Elektronikabteilung, die z. B. besonders rauscharme Verstärker entwickelt, sich um die Kontrolle der Teleskope und der gesamten Steuertechnik kümmert und ständig neue Geräte entwickelt. Eine Reihe von Geräten sind sogar von der Entwicklung für die Radioastronomie bis in die Massenproduktion der Elektronikindustrie gelangt. Ein bekanntes Beispiel sind leistungsfähige parametrischen Fil-ter/Verstärker, die zunächst für die genaue Begrenzung von Frequenzen beim Empfang der Radiowellen entwickelt wurden und heute mehr oder minder in jeder Stereoanlage sitzen. Dr. Baars nennt ein anderes Beispiel: »Vor einigen Jahren waren am Institut zwei Kollegen, die ein Gerät auf der Basis von Radiostrahlen entwickelten, das im medizinischen Bereich z. B. zur Behandlung von Rheuma bzw. zur tomographischen Untersuchung in den oberen Hautschichten geeignet wäre. Es war ein Abfallprodukt ihrer Forschung. Leider weiß ich nicht, was aus der Sache geworden ist. Immerhin gibt es einige Anwendungen, wo Radiostrahlen das gleiche Ergebnis liefern wie Röntgenstrahlen, aber die Radiostrahlen sind absolut ungefährlich.«
Dr. Baars führt mich in das Elektronik-Labor seiner Abteilung, wo Frank Lauter residiert, Chef des Elektroniklabors und absoluter Hardware-Freak. Er herrscht über einen Gerätepark, von dem jeder Amateurelektroniker nur träumen kann. Sein Aufgabenbereich ist z. B. die Entwicklung neuer leistungsfähiger Verstärker für die Teleskope. Frank Lauter sitzt gerade am Atari und räumt wieder einmal die Festplatte auf. Er zeigt mir einige Schaltpläne und Platinenentwürfe in bester Qualität. »Alles Atari, dann mit einem Plotter ausgegeben und fertig. Nach diesen Vorlagen fertigen wir unsere Platine, und die Sache läuft. Früher war das wesentlich umständlicher. Alles mit der Hand zeichnen und kleben. Heute machen wir fast alles mit dem ST.« Die bevorzugten Programme sind »Technobox CAD« und »Calamus«. Mit dem CAD-Programm entstehen fast alle Platinenlayouts. Die Ausgabe erfolgt über Drucker oder Mehrfarbplot-ter. Mehrere Geräte dieser Art stehen in dem Labor. Calamus hilft bei kleinen Drucksachen, vom Adressaufkleber bis zu Handzetteln. Nach Schwierigkeiten mit dem ST gefragt, bestätigt Lauter die Robustheit der Geräte. »Die laufen bei uns von morgens bis abends ohne Probleme«. Es kommen hauptsächlich Mega STs zum Einsatz.
Das Labor ist bis zum Digitizer mit Videokamera komplett ausgestattet. Dazu Lauter: »Sie glauben doch nicht, daß wir hier eine Vorlage abzeichnen? Wir digitalisieren!« Dann doch noch ein Kritikpunkt zum Computer. »Der Atari ist schwierig zu erweitern, eine offene Gehäusearchitektur wäre besser.« Immerhin ist das Gerät so brauchbar, daß praktisch alle Mitarbeiter auch privat einen ST besitzen. Diesen Trend bestätigt auch Dr. Baars: »Ich habe mir selbst einen Atari gekauft, weil ich dann zu Hause weiterarbeiten kann. Viele Kollegen machen das so.«
Dr. J.Baars, geb. 1937 in den Niederlanden, studierte Physik an der TH Delft und ging dann in die Radioastronomie. Er war drei Jahre in den USA und arbeitete danach in den Niederlanden an dem »Synthese Radioteleskop« in Westerbork. Dort stehen 14 Teleskope auf einer 3 km langen Ost-West-Achse für Interferenzmessungen. Seit 1975 ist er am Max-Plack-Institut für Radioastronomie Leiter der Abteilung Submillimetertechnologie.
Haben Sie Fragen zur Astronomie oder möchten Sie Informationen über das Institut, dann wenden Sie sich an folgende Adresse:
Max-Planck-Institut für Radioastronomie,
Abtl. Öffentlichkeit,
Auf dem Hügel 69,
5300 Bonn-Endenich