Zaubermeister: Sound Merlin, Samplingprogramm von Tommy Software

Der gute alte Magier Merlin hätte sich auch nicht träumen lassen, daß er eines schönen Tages als Namenspatron für Software herhalten muß. Doch Merlin kann beruhigt sein: Das auserwählte Programm macht ihm Ehre und setzt Maßstäbe für fast alle Bereiche der Samplebearbeitung.

Fertige Sampler in der unterschiedlichsten Qualität und Preisklasse gibt es allerorts zu kaufen. Doch ohne Software geht, wie üblich beim Computer, gar nichts.

»Sound Merlin« wird auf zwei Disketten und mit gut 100-seitigem Handbuch im stabilen Ringordner geliefert. Auf den Disketten befinden sich neben dem Programm zahlreiche Samples, vollständige Sequenzen und Einbindungsprogramme für Basic und Assembler, komplett mit dokumentiertem Quellcode. Das Programm läuft in der hohen und mittleren Auflösung und unterstützt alle Speichermedien. Es arbeitet mit den gängigen Samplern zusammen, die entweder am ROM-Port oder an der Centronics-Schnittstelle des Atari angeschlossen sind. Nach dem Programmstart präsentiert sich Sound Merlin mit einer eigenen, Icon-orientierten Benutzeroberfläche. Sie hat den Vorteil, daß man alle aktiven Befehle direkt vor sich sieht. Praktisch ist diese Darstellung auch, weil die Tastatursteuerung den Icons logisch zugeordnet ist. Nebeneinander liegende Icons erreicht man durch benachbarte Tasten. Dem vollgepackten Bildschirm liegt eine sinnvolle Struktur zugrunde, anhand derer die Orientierung im Programm sehr leicht fällt. Der Bildschirm wird bestimmt durch das große und das kleine Anzeigefenster für die Samples, ein Hauptmenüfeld für die wichtigsten Aktionen des jeweiligen Programmteils und ein Parametermenü für die Anzeige der wichtigsten Daten. Am rechten und linken Bildschirmrand sind zwei Auswahl leisten für die grundsätzliche Programmsteuerung sowie allgemeine Einstellungen. Dazu gibt es eine Aussteuerungsanzeige, ein Eingabefenster und die Anzeige für den Puffer. Alle gezeigten Funktionen sind jederzeit aktiv. Für einen Wechsel vom Samplingteil zum Sequenzer ist also kein umständlicher »Weg zurück« durch mehrere Menüpunkte nötig. Für alle, die nicht auf vorgefertigte Samples zurückgreifen möchten, beginnt die Arbeit mit Sound Merlin im Sampleteil. Im großen Anzeigefenster ist ein Oszilloskop sichtbar, daß die ankommenden Signale aus der Samplehardware darstellt. Das Eingangssignal läßt sich entweder im Anzeigefenster oder auf dem gesamten Bildschirm darstellen. Die Aussteuerungsanzeige zeigt die Lautstärke des ankommenden Signals. Mit dem entsprechenden Icon starten Sie nach den Einstellungen die Aufnahme. Dabei überschreibt Sound Merlin immer ein vorhandenes Sample. Vor der ersten Aufnahme ist deshalb mit »Generate New« ein Leersample zu erzeugen. Die Funktion »Equalizer« zeigt leider nur die Steigungswerte des anliegenden Signals in Balkenform. Immerhin darf man gespannt sein, ob die Autoren in einer der nächsten Versionen tatsächlich einen Frequenzanalysator einbauen. Damit wäre Sound Merlin, weit über seinen eigentlichen Anwendungszweck hinaus, für viele Bereiche akustischer Untersuchungen und Messungen ein sehr günstiges Werkzeug.

Bild 1. So präsentiert sich Sound Merlin nach dem Start und dem Laden eines Samples. In der zunächst ungewohnten Benutzeroberfläche findet man sich bald gut zurecht.

Der nächste Schritt nach gelungener Aufnahme ist die Nachbearbeitung des Samples. Die Taste F9 führt in das »Manipulate«-Menü. Hier finden sich zunächst allgemeine Funktionen zur Veränderung des Samples. Dazu gehören Umkehrung, Spiegelung, Änderung der Gesamtlautstärke, Fade-In und Fade-Out. Über die Befehle »Digital Filters«, »Window Operations« und »Envelopes« gelangen Sie in drei Untermenüs. Hier stehen jeweils wieder zahlreiche Bearbeitungsfunktionen zur Verfügung. Bild 2 zeigt die Menüs, die meisten Befehle erklären sich selbst. Hat eine Manipulation nicht die gewünschte Wirkung, hilft Undo und holt den alten Zustand aus dem Puffer zurück.

Sehr hilfreich für die Manipulationsarbeit ist ein weiterer Hauptteil des Programms, der »Fine-Editor«. Hier positionieren Sie die Ausschnittgrenzen ganz exakt an die gewünschte Stelle und wechseln dann wieder in das Manipulationsmenü. Sind die Samples alle zur Zufriedenheit oder bis zur Unkenntlichkeit verarbeitet, steht der Wechsel in den Keyboard-, Drum- oder Sequenzerteil von Sound Merlin an.

Im Keyboardteil legen Sie die Samples zum Spielen auf einzelne Tasten der Computertastatur. Eine MIDI-Einbindung ist bisher nicht verwirklicht. Wünschenswert ist außerdem eine Aufnahmefunktion zum Einspielen von Sequenzen über die Tastatur. Dies würde auch die Verwendung des Sequenzers weiter vereinfachen, indem Sie verschiedene Samples in eine Reihenfolge bringen und diese Sequenz als Einheit spielen oder zur Einbindung in eigene Programme speichern. Die dazu benötigten Routinen in Basic oder Assembler sind im Lieferumfang enthalten. Weiterhin gibt das Handbuch ausreichende Erklärungen zu diesem Thema, so daß die Zeit der gräßlichen Pieps-Sounds sich wohl endgültig ihrem verdienten Ende zuneigt.

Bild 2. Das Hauptmenü und die drei Untermenüs im Manipulate Editor zeigen die Funktionsvielfalt. Kaum ein anderer Sampleeditor verfügt über digitale Filter, hier ist gleich ein ganzes Menü damit gefüllt.

Für besonders »treibende« Kräfte unter den Soundmagiern gibt es den »Drumcomputer«. Hier setzen Sie verschiedene Samples mit unterschiedlicher Lautstärke in ein Raster und erzeugen daraus ein »Drumkit«. Bis zu 16 dieser Kits verwaltet Sound Merlin gleichzeitig. Einige mitgelieferte Beispiele zeigen, wie durch geschickte Kombination von Schlagzeug- und Melodiesamples musikalisch reizvolle Patterns entstehen.

Insgesamt ist Sound Merlin bereits jetzt ein sehr ausgereiftes Werkzeug zum Samplen und zur Nachbearbeitung. Ich wünsche mir für die nächsten Versionen noch einige Erweiterungen in Richtung Klangsynthese und Resynthese von Samples.

WERTUNG

Name: Sound Merlin
Preis: 299 Mark
Hersteller: Tommy Software

Stärken: Unterstützt jede gängige Sample-Hardware □ verarbeitet verschiedene Sampleformate □ umfangreiches Funktionsangebot bei Aufnahme und Nachbearbeitung □ Drum-Editor □ leicht zu bedienen über Maus- und Tastatursteuerung □ gutes Handbuch

Schwächen: Keine Klangsynthese/Resynthese □ keine Recordfunktion über Tastatur

Fazit: Bereits in der jetzigen Version ein Programm, das durch seine vielfältigen Bearbeitungsfunktionen Maßstäbe setzt

Tommy Software, Selchower Str. 32, 1000 Berlin 44

Bild 3. Der Drumcomputer ist leider nur einen Takt lang. Abwechslung muß man im Sequenzerteil zusammenstellen. Positiv fallen die Kopierfunktionen innerhalb eines Drumkits auf.

Wolfgang Klemme
Aus: TOS 07 / 1990, Seite 46

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