Impressionen: So beurteilen Softwarehäuser und Händler den TT

Hält Ataris neues Flaggschiff, was es verspricht?

Atari stellt seit der CeBIT die ersten Entwicklermaschinen des TT einigen Softwarehäusern und Händlern zur Verfügung. TOS befragte Application Systems Heidelberg, DMC und Ludwig Bürotechnik über ihren Eindruck von Ataris Flaggschiff.

TOS: Wie sind die ersten Erfahrungen mit dem TT ausgefallen und wie kompatibel ist die neue Betriebssystemversion TOS 030?

ASH: Der Eindruck war zwiespältig und gewöhnungsbedürftig. Wir arbeiten mit ihr seit zirka drei Wochen zufriedenstellend. Wir streben an, daß alle unsere Programme innerhalb kurzer Zeit auf TOS 030 laufen, zumindest im 640 x 400-Modus.

Die vorliegende Version von TOS 030 unterstützt noch die Line-A-Befehle, so daß eigentlich eine Vielzahl von Anwendungen auf Anhieb auf dem TT laufen sollten. Das war bei uns der Fall. Alle wichtigen Anwendungen wie Signum, Script, STAD, Creator laufen, Flexdisk ist angepaßt. Unsere Hauptprobleme resultieren nicht von TOS 030, sondern vom Prozessor. Wir mußten einige Sachen wegen des MC 68030 ändern.

DMC: Da wir den TT erst heute morgen bekommen haben, können wir noch keine näheren Aussagen über die Kompatibilität machen.

Ludwig: TOS 030 ist noch sehr inkompatibel. Ohne Probleme lief »Adimens« und »BS-Handel«.

TOS: Gibt es speziell mit Ihrer Software Probleme auf dem TT?

ASH: Außer den bereits erwähnten Anpassungen nicht.

DMC: Calamus lief nicht auf Anhieb, die Anpassung war nach etwa einer halben Stunde erledigt. Die Schuld lag nicht am TOS 030. Wir hatten am GEM vorbei programmiert, so daß etwa eine Änderung der Fontgröße einen Absturz zur Folge hatte.

TOS: Wie sieht es mit der Geschwindigkeit aus? Ist der TT viermal schneller als der ST?

ASH: Um wieviel schneller der TT ist, ermittelten wir nicht. Jedoch kann man mit eingeschaltetem Prozessor-Cache bei Signum von signifikanter Beschleunigung sprechen. Hier dürfte ein Faktor von 3 bis 4 zutreffen. Der reine Dateizugriff ist derzeit noch nicht so schnell. Aus unserer Erfahrung ist er in etwa vergleichbar mit der Geschwindigkeit des TOS 1.4. Der eingeschaltete Cache beschleunigt den TT wesentlich.

DMC: Schlüssige Tests konnten wir in der kurzen Zeit nicht durchführen. Die Arbeitsgeschwindigkeit dürfte tatsächlich drei- bis viermal schneller sein, als die des ST. Speziell bei Calamus ist zu berücksichtigen, daß die Zeiten eines Mega ST4 nicht ohne weiteres mit den Zeiten zu vergleichen sind, die ein TT mit 2 MByte RAM liefert: Calamus arbeitet durch sein Caching bei mehr freiem Speicher bedeutend schneller.

Geschwindigkeit ist Trumpf

Ludwig: Viermal schneller mag für bestimmte Routinen zutreffen. Es ist aber interessanter, wie schnell der Computer im Zusammenspiel mit der Peripherie, sprich Festplatte, arbeitet. Deshalb stoppten wir, wieviel Zeit der TT benötigt, Datensätze nach drei Kriterien aus einer Adimens-Datenbank zu selektieren. Der TT benötigt für diese Aufgabe fünf Minuten, ein Mega ST 14 Minuten, so daß der TT im Alltagseinsatz etwa dreimal schneller ist als der ST. Denselben Faktor stellten wir auch fest, wenn

Calamus ein Dokument zur Ausgabe auf den Laserdrucker vorbereitet. Der TT baut eine Seite etwa dreimal schneller auf als ein ST. Wie schnell die eingebaute Festplatte des TT ist, konnten wir leider nicht feststellen, da sich sämtliche Prüfprogramme bombig verabschiedeten.

TOS: Wie sehen Sie die Chancen des TT bei einem angenommenen Verkaufspreis von 6500 Mark? Wird er der ST-Nachfolger?

Ludwig: Heute kostet ein Apple Macintosh SE 30 mit 2,5 MByte RAM und 20 MByte Festplatte 5798 Mark, mit 4 MByte RAM 6338 Mark. Soll sich der TT als ST-Nachfolger etablieren und will Atari dem Slogan »Power without the price« treu bleiben, so darf der Verkaufspreis die 4000 Mark-Grenze nicht überschreiten. 6500 Mark sind für den TT in der getesteten Konfiguration ein deutlich zu hoch angesetzter Preis.

ASH: Wir glauben, daß der TT als Komplettlösung seinen Weg machen wird. Selbstverständlich sind die neuen Macintosh-Preise nicht zu verachten, aber die Mac SE-Reihe hat einen ganz entscheidenden Nachteil: das starre Bildschirmformat. Das ist nicht mehr akzeptabel. Wenn man diese Computer mit einer Grafikkarte und einem Großbildschirm nachrüstet, dann schlägt dies sehr schnell mit einigen tausend Mark zu Buche. Dieses Argument zählt nicht beim TT, denn hier bekommt der Kunde ein wirklich komplett ausgestattetes Gerät. Außerdem scheint beim Preis noch nicht das letzte Wort gesprochen zu sein. Bei uns wird es auf alle Fälle so sein, daß alle wichtigen Programme auf den TT laufen. Den Rest entscheidet der Käufer, indem er den Preis akzeptiert oder nicht.

DMC: Wir glauben, daß der TT mit Sicherheit ein Erfolg wird.


Ulrich Hofner
Aus: TOS 06 / 1990, Seite 12

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