Unbestritten ist Textverarbeitung eine der wichtigsten Anwendungen ,auf dem Atari ST. Zahlreiche Anbieter haben entsprechende Programme entwickelt. Doch wie durchschaut man diesen dichten Programmdschungel? Oft setzen Anwender zu große Erwartungen in das Programm ihrer Wahl und sind enttäuscht, wenn die Software später nicht die gestellten Ansprüche erfüllt. Einer solchen Enttäuschung beugen Sie am besten durch gezielte Planung vor dem
Kauf vor - ein trivialer Rat, der ebenso häufig zu hören ist, wie er mißachtet wird. Immerhin kaufen Sie eine Stereoanlage auch nicht, nur weil Ihr Nachbar den gleichen Typ hat. Es gibt eine Reihe von »Pflichtfächern«, die jede Textverarbeitung beherrschen muß. Dazu kommen Zusatzqualifikationen, die sich je nach Anwendung unterscheiden. Nehmen wir beispielsweise einen Studenten, der sich den Computer zulegt, um damit Referate, Studienarbeiten und die Examensarbeit zu schreiben. Er hat eine Reihe von Ansprüchen an das Programm und erwartet im Prinzip die erweiterte Form einer Schreibmaschine. Natürlich sind alle typischen Leistungsmerkmale wie Zeilenabstand, sauberes Schriftbild, verschiedene Schrifttypen und einfache Schriftattribute (Fett, Unterstreichen, Kursiv) gefordert. Dazu kommt etwas, das den meisten Anwendern nicht wirklich bewußt ist - die völlig freie Seiteneinteilung. Tatsächlich bietet die Schreibmaschine auf einfache Weise Gelegenheit zur nahezu beliebigen Seitengestaltung. Diese Freiheit ist bei einfachen Textverarbeitungen häufig nur durch erheblichen Arbeitsaufwand zu erreichen. Betrachten wir nur die Anforderungen einer Examensarbeit. Es bedarf selbstverständlich eines guten Schriftbildes und einer angenehm lesbaren Schrifttype, immerhin kommen bei solchen Werken leicht 100 bis 300 Seiten zusammen. Wünschenswert sind vielleicht zwei oder drei verschiedene Schriftarten zur besseren Unterscheidung von Abschnitten, unbedingt erforderlich jedoch sind Schriftattribute wie Fett, Unterstreichen und Kursiv. Für die meisten Arbeiten gibt es bestimmte Formvorschriften, die Zeilenabstand, Zeilenzahl pro Seite, linken und rechten Rand sowie die Seitennumerierung vorschreiben. Dazu kommen Einrückungen längerer Textpassagen, natürlich die unumgänglichen Fußnoten, Literaturverzeichnis, Anmerkungen, Inhaltsverzeichnis, evtl. ein Stichwortverzeichnis. Viele Arbeiten enthalten auch Illustrationen, Bilder und Zeichnungen, teilweise beschriftet, teilweise unbeschriftet. Die Beschriftung der Bilder sollte in der gleichen Schriftart stehen wie der restliche Text, denn auch das Erscheinungsbild der Arbeit zählt. Alle »echten« Textverarbeitungen erfüllen die meisten dieser gestellten Anforderungen. Spartanische Vertreter beschränken sich dabei auf Grundfunktionen, sind aber dennoch flexibler als eine Schreibmaschine (z.B. durch das Bearbeiten mehrerer Texte gleichzeitig). Luxuriöse Ausführungen bieten automatische Erzeugung eines Stichwort- oder Inhaltsverzeichnisses und Blocksatz mit automatischer oder halbautomatischer Trennung. Problematisch hingegen sind die Punkte »Zeilenabstand« und »Bildeinbindung«. Beim Zeilenabstand ist die Frage einfach: Beherrscht das Programm die geforderten Zeilenabstände - gut, falls nicht, ist das Programm für diesen Zweck ungeeignet. Die Notlösung, den Zeilenabstand mittels Steuerzeichen erst beim Ausdruck zu bestimmen, kostet zu viel Papier und Nerven.
Das Thema Bildeinbindung ist zweitrangig zu sehen. Da eine Examensarbeit immer mehrfach kopiert werden muß, ist es in den meisten Fällen einfacher, die benötigten Vorlagen, eventuell mit
Was die Universität von Ihnen verlangt, dürfen Sie auch von Ihrem Schreibassistenten fordern: hervorragende Leistungen in Pflichtfächern und überdurchschnittliche Zusatzqualifikationen in Bereichen, die den Erfolg Ihres Studiums entscheiden.
einem Zeichenprogramm ausgedruckt, per Kopierer auf die passende Größe zu bringen und danach in den Originalausdruck einzukleben. Mit der Schreibmaschine geht das nicht anders, und der Computer soll Arbeit sparen und nicht Arbeit beschaffen.
Neben den bisher genannten Leistungsmerkmalen gibt es eine Reihe weiterer, computertypischer Kriterien, die bei der Auswahl zu beachten sind. So ist die Arbeitsgeschwindigkeit ein wichtiges Merkmal. Suchen Sie im Text eine bestimmte Passage, und das Programm benötigt zum Blättern durch einen zehnseitigen Text eine halbe Minute, dann unterbricht das die Arbeit in unzumutbarer Weise. Die Anforderungen an das Arbeitstempo hängen vom Einsatzbereich ab. In einem Büro liegen selten Texte mit mehr als drei Seiten vor. Hier sind hohe Scrollgeschwindigkeiten und Tempo beim Speichern und Laden von Texten nicht so entscheidend wie für den Vielschreiber, der täglich seine 30-Seiten-Texte bearbeitet. Vom persönlichen Geschmack hängt die Benutzerführung und allgemeine Bedienung ab. In jedem Fall sinnvoll sind Tastaturkürzel (shortcuts) für die wichtigsten Befehle, denn der Griff zur Maus stört immer wieder unnötig den Schreibfluß. Auch die Ordnung der Befehle zu Funktionsgruppen in den Menüleisten ist wichtig. Nur in ein sinnvoll strukturiertes Programm arbeitet man sich schnell ein. Zuletzt entscheidet natürlich auch der Geldbeutel. Es ist unnötig, eine Funktion »Rechnen im Text« zu bezahlen, wenn man sie niemals verwendet. Zur Not helfen auch der Taschenrechner oder ein Accessory weiter. Beim Schreiben von Rechnungen, Angeboten oder Reisekostenabrechnungen ist diese Funktion allerdings sehr nützlich. Ähnlich sieht es mit Serienbrieffunktionen, einer integrierten Adressdatei oder der Anbindung an möglichst viele gängige Datei program me aus: für den Büroalltag unverzichtbar, für den privaten Schriftverkehr entbehrlich. Seien Sie sich im Klaren darüber, was Sie von einem Programm erwarten und wählen Sie erst dann aus. Fragen Sie Händler oder Bekannte nach Lösungen für Ihre speziellen Probleme. Anregungen finden Sie auch in unserer Rubrik »Anwender«, in der wir jeden Monat Praxistips von Lesern und Firmen veröffentlichen (und entsprechend honorieren).