Shareware - Geteilte Freude

Public Domain, Shareware, Crippleware - Wir bringen Licht ins Begriffsdunkel. Das ST-Magazin hat eine Umfrage unter Benutzern und Autoren von Sharewareprogrammen durchgeführt.

Carsten Guthardt-Schulz UND MICHAEL VONDUNG

Seit es Computer zu erschwinglichen Preisen gibt, existieren freikopierbare Programme. Freie Software für den heimischen und universitären Bereich gab es bereits vor kommerzieller Software. Während es vor einigen Jahren Freeware bzw. Public Domain einerseits und gewerblich vertriebene Software andererseits gab, wird heute mit unterschiedlichsten Bezeichnungen für Software jongliert. Mit Shareware können noch die meisten etwas anfangen, bei Crippleware und Fairware kratzt man sich schon eher am Kopf. In den Augen vieler Anwender ist dies alles dasselbe und wichtig ist sowieso nur, daß ein Programm frei kopiert werden darf. Es bestehen jedoch Unterschiede, die gar nicht so klein sind, wie mancher Anwender denkt. Mit diesem kleinen Exkurs möchten wir Licht ins Dunkel der Begriffsverwirrungen bringen. Zusätzlich hat uns interessiert, welche Meinungen unter den Anwendern herrschen und welche Kriterien sie an Shareware stellen.

Am Anfang der Software-Geschichte standen Freeware und Public Domain. Unter dieser Gattung werden Programme zusammengefaßt, die uneingeschränkt kopiert und weitergegeben werden dürfen. Der Unterschied zwischen Freeware und Public Domain besteht darin, daß in aller Regel bei Freeware Veränderungen am Programm erlaubt sind, während PD-Software nicht verändert werden darf. Freeware liegt häufig der Quellcode bei. Echte Vertreter dieser Spezies sind selten geworden, die meisten heutzutage als Freeware bezeichnen Programme fallen unter die Rubrik Public Domain. Autoren von PD-Software bitten nicht selten um einen kleinen Obolus, wenn jemand das Programm häufiger benutzt. Während dieses Prinzip in den USA einigermaßen funktioniert, haperts hier noch.

PD-Programme erfreuten sich seit jeher großer Beliebtheit und die Autoren von besonders guten Produkten können sich oft vor schriftlichen und telefonischen Anfragen kaum noch retten. Anfang der 80er Jahre — also lange vor dem Erscheinen des ersten STs — entwickelte sich in den USA eine neue Gattung der weichen Ware: Shareware. Diese Programme dürfen wie Public Domain beliebig weitergegeben werden, jedoch muß der Anwender bei regelmäßiger Benutzung eine festgelegte Gebühr (Kaufpreis) an den Programmierer entrichten. Der Anwender erhält durch Zahlung der Sharewaregebühr das Nutzungsrecht für die Software. Bei Shareware darf ein Programm eine bestimmte Zeitspanne benutzt werden (häufig 30 Tage), danach muß der Anwender bezahlen oder das Programm löschen. Diese Auflage ist rechtens, das heißt, Sie benutzen tatsächlich eine Raubkopie, wenn Sie das Programm länger als die vom Autor eingeräumte Testphase benutzen, ohne die Sharewaregebühr entrichtet zu haben.

Viele Anwender denken nicht daran, sich für ein Programm registrieren zu lassen. Schließlich besitzt man schon eine vollfunktionsfähige Version — weshalb also dafür noch bezahlen? Diese Einstellung war Auslöser einer weiteren Softwareart, der »Crippleware«. Solche Programme werden zwar häufig auch als Shareware bezeichnet, unterscheiden sich davon jedoch dadurch, daß wesentliche Einschränkungen in den öffentlichen Versionen enthalten sind. Nach Zahlung der Benutzungsgebühr erhält der Anwender dann eine Voll Version, die er jedoch nicht weitergeben darf. Beispiele für solche Programme sind ein Texteditor, bei dem die Länge des bearbeitbaren Textes begrenzt ist, ein Grafikprogramm, das nur wenige Formate laden kann oder das Programm, das sich nur mit einem Reset beendet läßt. Crippleware (engl, cripple = dt. Krüppel) fallen somit eher in die Rubrik »Demoversion«. Echte Shareware kennt keine Unterschiede zwischen registrierter und unregistrierter Version, es gibt nur eine Vollversion. Gelegentlich werden nach Registrierung noch einige Tools zugegeben.

Es gibt noch eine namenlose Softwaregattung zwischen Share- und Crippleware: Nämlich solche Programme, die eine bestimmte Zeitspanne ohne Einschränkung benutzt werden können, nach dieser Frist aber automatisch Funktionen sperren oder sich gar ganz von der Festplatte löschen. Ein weiteres Mittelding sind solche Programme, die mit mehr oder weniger häufigen Meldungen oder Zeitschleifen den Benutzer einer unregistrierten Version zu nerven versuchen, damit er die fällige Nutzungsgebühr bezahlt. Diese Maßnahme geht meistens nach hinten los, denn viele Anwender löschen solche Nervensägen umgehend, ohne die Zeitspanne für den Test überhaupt auszuschöpfen.

Neben diesen Grundformen existieren noch einige Abkömmlinge: »Winware« kommt bei Spielen zum Tragen und bezeichnet frei-kopierbare Programme, bei denen die registrierten Anwender an einer Art Gewinnspielen teilnehmen. Meistens gewinnt derjenige, der ein Spiel als erster gelöst oder in einem vorgegebenen Zeitraum die höchste Punktzahl erreicht hat. Häufig benötigt man dazu ein Handbuch, das nur registrierte Anwender erhalten. Dies erinnert an »Dongleware«; dieser Begriff ist jedoch ein eingetragenes Warenzeichen von Meinolf Schneider (»Oxyd«) und wird somit nicht näher von uns erläutert. »Postcardware« ist eine Abwandlung von Public Domain. Der Autor erwartet von den Benutzern seines Programmes eine Postkarte des Heimatortes. Das Konzept der »Fairware« entspricht PD-Software. Den Vogel abgeschossen hat Philipp Oelwein, der sein Tool »Circle« als »Tafel-Schokolade-Software« deklariert hat. Hier sollen begeisterte Anwender dem Autor bei regelmäßiger Benutzung eine Tafel Schokolade zusenden. Mahlzeit!

Nachgefragt

Wenden wir uns nun der Shareware und ihrer direkten Abkömmlingen zu. Häufig hört man Autoren von Sharewareprogrammen über die schlechte Zahlungsmoral stöhnen, dem gegenüber stehen die Beschwerden von Anwendern über die zunehmende Zahl eingeschränkter Programme. Wir wollten wissen, wie es derzeit in der Szene aussieht. Dazu haben wir uns unter den Teilnehmern des »Fido«-und des »MausNets« umgehört. Dabei kamen Anwender ebenso wie Autoren zu Wort. Durch die Tatsache, daß wir die Umfrage in DFÜ-Netzen durchgeführt haben, sind die Antworten entsprechend geprägt.

•In der ersten Frage wollten wir wissen, weshalb nach Meinung der Anwender Shareware entwickelt wird. Nach den Gründen fragten wir auch die Entwickler von Shareware.

Sharewareprogramme werden nach Meinung der Anwender weitestgehend von Hobbyautoren geschrieben, die das Programm meistens für sich selbst benötigten und es teilweise erst später veröffentlichen. Diese Auffassung wird von einigen Programmierern bestätigt. Da sehr viel Mühe in Programmen steckt, wollen sie eine kleine Entschädigung, die den Anwender weniger kostet, als er für ein kommerzielles Programm hinblättern müßte. Die Kosten für Werbung und Vertrieb fallen weg und das Programm wirbt durch die uneingeschränkte Verbreitung für sich selbst. Die Gründe, ein Programm als Shareware zu veröffentlichen, sind ma-nigfaltig. Wichtig ist für den Autoren, daß sie keine Probleme mit Softwarehäusern haben, sie bekommen das Geld direkt und das Erscheinen des nächsten Updates bleibt dem Entwickler selbst überlassen. Der gute Ruf, den Sharewareentwickler durch leistungsfähige Programme erreichen können, ist auch nicht zu verachten. Idealismus und Unterstützung der Sharewareidee spielen auch eine gewichtige Rolle bei Autoren eines Sharewareproduktes. Ganz abgesehen davon mache das Programmieren ja auch Spaß und es ist eine zusätzliche Einnahmequelle

•Wir fragten die Benutzer von Shareware, ob sie mit dem Service der Entwicklern zufrieden sind

und wie sie sich diesen vorstellen.

Der Service eines Sharewareautors hat einige Vorteile gegenüber dem eines Softwarehauses, denn die Programmierer stehen für Anfragen direkt zur Verfügung. Briefe werden in der Regel umgehend beantwortet, besonders via DFÜ sind die Anwender mit der Wartezeit sehr zufrieden. Bei den meisten Programmen geht der Versand der registrierten Versionen bzw. Updates sehr schnell, besonders das Terminalprogramm »CoNnect« von Wolfgang Wander und das Z-Modem-Übertragungsprogramm »GSZRZ« von Michael Ziegler wurden hier gelobt, da bei dieser Software die versprochene Leistung (die registrierte Version, Handbuch u. ä.) fast immer innerhalb weniger Tage eintraf. »Höhere Gewalt« wie Urlaub oder Studienstreß läßt den postwendenden Service nicht garantieren, aber die Anwender haben für solche Verzögerungen Verständnis.

Kritik am Service äußerten die Teilnehmer der Umfrage hingegen häufiger beim Terminalprogramm »Rufus« von Michael Bernards und bei dem Fileselektor »Selectric« von Stefan Radermacher. Dort mußte oft monatelang auf die registrierte Version gewartet werden. Bei Selectric wurde dieses Problem jedoch mitlerweile behoben. Bei der aktuellen Version 1.03 bekommen zahlende Benutzer einen Code, mit dem Sie die Registrierung selbst durchführen können. Zur Ehrenrettung von Rufus-Autor Michael Bernards muß erwähnt werden, daß dieser durch Veränderungen im persönlichen Bereich unter akutem Zeitmangel leidet. Außerdem fehlt ihm derzeit der Zugang zur DFÜ. Festzuhalten bleibt, daß die Mehrheit der Anwender mit dem Service der Sharewareautoren zufrieden ist.

•Wir haben uns bei den Autoren erkundigt, wie auf Wünsche der Anwender eingegangen wird. Einer der größten Vorteile der Sharewareprogramme ist, daß die Benutzer die Entwicklung des Programmes beeinflussen können, indem Vorschläge und Kritik direkt an den Programmierer gerichtet werden können. Dies ist bei kommerziell vertriebener Software

Für welche Programme haben sich die Teilnehmer der Umfrage registrieren lassen? Cat 48 Rufus 46 GSZRZ 40 Connect 29 Gemini 26 Selectric 18 Virendetektor 9 The Dot 8 Sysmon 8 Gemview 5 Die Dominanz von DFÜ-Programmen, ergibt sich dar- aus, daß sich an der Umfrage nur DFÜler beteiligt haben.

Gründe für die Registrierung Grund Anzahl Das Programm ist gut, also zahle ich 53 Unterstützung der Autoren und des Prinzips 26 Öffentliche Version ist eingeschränkt 19 Gute, beeinflußbare Updatemöglichkeiten 16 Unterstützung des ATARI-Marktes 1

Benutzen Sie unregistrierte Shareware? Warum? Aussage Anzahl Ich benutze nichts unregistriertes 19 Ich benutze unregistriertes nur sehr selten 25 Ich benutze unregistrierte Sharewareprogramme aus folgenden Gründen: Der Shareware-Betrag ist für das Programm zu hoch 7 Das Programm hat noch Mängel 3 Keine Lust, da das Programm ja nicht eingeschränkt ist 7 Ich habe kein/nicht genug Geld 11 Das Programm ist nicht deutschsprachig 2 Ich dehne häufig die Testphase aus 3

selten möglich. Die Autoren berücksichtigen diese Wünsche, die aber mit der Verbesserung des Programmes immer seltener werden, in der Regel umgehend. Bei ausgereifter Software erscheinen im Laufe der Zeit weniger Updates.

•Generell zur Shareware befragt, äußerten sich Anwender und Entwickler von Shareware recht unterschiedlich.

Allgemein läßt sich sagen, daß gute Programme auch entsprechend gewürdigt werden. Zwar werden die öffentlichen Versionen häufig etwas eingeschränkt, die Anwender sind aber froh, zu einem günstigen Preis an hervorragende Programme, die häufig ihren kommerziellen Verwandten um Längen voraus sind, zu kommen. Die Autoren der bekannteren Programme sind aber durchaus zufrieden, da sie neben dem eingenommenen Geld sich auch einen Namen gemacht haben, der nicht selten Aufträge nach sich zieht. Sehr positiv ist die Tatsache, daß viele Anwender es selbstverständlich halten, sich für ein gutes Programm, das sie häufig benutzen, registrieren zu lassen. Viele Shareware-Anwender wollen damit auch das benutzerfreundliche Sharewareprinzip und die Autoren unterstützen. Nicht zuletzt ist nach Aussagen der Umfrageteilnehmer eine Einschränkung der öffentlichen Version für eine Registrierung ausschlaggebend. Die mangelnde Motivation, sich bei Vollversionen registrieren zu lassen, gaben viele Anwender bei Umfrage ehrlich zu. Es kommt dabei aber auch auf die Art der Einschränkung an.

Wird Shareware in einer unregistrierten Version benutzt, hat dies mehrere Gründe. Zum einen sind es tatsächlich fehlende Einschränkungen, die die Zahlungsmoral sinken läßt, man möchte sich die Mühe nicht machen. Gründe für eine Nicht-Registrierung sind außerdem Nutzungsgebühren, die den Anwendern für die gebotene Leistung zu hoch erscheinen. Häufig wird die Testphase, sofern diese kurz ist, übertreten und User lassen sich erst nach ein bis zwei Monaten registrieren. Dies ist ein deutliches Signal an die Entwickler, die Testphase nicht zu kurz festzulegen.

Die Frage nach der Zukunft des deutschen Sharewaremarktes beantworteten Anwender und Programmierer ähnlich. Wenn auch die Zahlungsbereitschaft in Deutschland geringer sei als z. B. in den USA, so sehen die meisten Autoren die Zukunft der Shareware doch positiv. Allgemein wird aber angenommen, daß die Tendenz eher zur Crippleware geht, um der Ehrlichkeit ein bißchen auf die Beine zu helfen. Da sich gerade jetzt mit dem Falcon 030 und MultiTOS neue Möglichkeiten für die Entwickler eröffnen, wird der Zukunft überwiegend positiv entgegen gesehen. Dennoch werden Programme teilweise auf MS-DOS oder Windows portiert, da sich auf diesen Märkten mit guter Sharewaresoftware »richtig Geld verdienen läßt«.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Shareware in den Augen der Umfrageteilnehmer eine hervorragende und leistungsstarke Alternative zu kommerzieller Software ist. Programme erfahren meistens dann eine positive Resonanz, wenn sie sich an die anerkannten Standards halten. Dazu gehört saubere GEM-Einbindung, Lauffähigkeit auf allen ST/ STE/TT/Falcon sowie problemloses Funktionieren in allen Auflösungen ab 640 x 400 Pixel. Die meisten Programmierer bieten nach Ansicht der Anwender einen guten Support. Trotz einiger schwarzer Schafe genießt die Idee der Shareware ein hohes Ansehen. Abschließend bleibt festzuhalten: Der Shareware gehört die Zukunft! Auf der anderen Seite räumen große Softwarehäuser in der DOS-Welt ihren Kunden bereits immer öfter ein Rückgaberecht ein.

Unsere Befragung ist natürlich nicht repräsentativ, jedoch zeigt sie einige Tendenzen deutlich auf. Wir bedanken uns bei allen Usern des Fido- und des MausNets für ihre Beteiligung an der Umfrage, (thl)


Carsten Guthardt-Schulz
Aus: ST-Magazin 08 / 1993, Seite 36

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