Comdex '92: Messe, Show und Entertainment

Die Comdex in Las Vegas gilt als eine der wichtigsten Computermessen der Welt. Auch dieses Jahr zog es wieder Hunderte von Ausstellern und Besuchern in die Stadt des Glückspiels.

Anders als man es von den heimischen Messen gewohnt ist, legt man in Las Vegas sehr viel Wert auf Unterhaltung und Show. So führten die meisten Stände mehrere Präsentationen im großen Stil durch, die wie die amerikanischen TV-Shows aufgebaut sind.

Unser erster Weg führt natürlich in das »Sand’s Convention Center« in dem auch Atari seine Zelte aufgeschlagen hatte. Der Stand mit dem Firmennamen in den neuen Falcon-Farben (Blau, Grün, Orange, Rot, Pink) war nicht zu übersehen.

Um es gleich vornweg zu nehmen, es wurden keine neuen Rechner präsentiert. Für den Falcon 030 war die Comdex allerdings auch die Amerika-Premiere. Auf mehr als 20 Falcon 030 und 10 TTs zeigten die Aussteller das Neueste an Hard- und Software. Die große Menge an Produkten für den Falcon zeigte, daß die Maschine von den Entwicklern akzeptiert wird.

Der Atari-Stand in Falcon-Farben

Falcon-Debüt

Als Blickfang hatte Atari einen 37-Zoll-Monitor aufgebaut, auf dem ein Falcon 030 eine atemberaubende Demo des Australiers Tony Barker laufen ließ. In diesem Demo werden videoähnliche Animationen aus Sport und Show mit Spezialeffekten gezeigt, während gleichzeitig Tina Turners »Simply the best« gespielt wurde. Die Qualität von Bild und Sound waren so gut, daß fast jeder der Betrachter erstmal nach dem Laserdisc-Spieler suchte.

Eine weitere Attraktion war ein TT, der auf einer Stickmaschine Marke Toyota, die Baseball-Kappen mit verschiedenen Atari-Motiven versah. Binnen weniger Minuten konnten mit der Software neue Logos digitalisiert und präpariert werden.

Zur Überraschung vieler zeigte Atari erste Applikationen die mit Kodaks Photo-CD Zusammenarbeiten. Drei Tage vor Comdex-Beginn haben Atari und Kodak einen Vertrag abgeschlossen, der es Atari erlaubt, den Entwicklern das Photo-CD-Tool-kit zur Verfügung zu stellen.

Ebenso dürfen die Applikationen mit dem Kodak-Logo beworben werden. Was es bedeutet, einen solch großen Namen wie Kodak vor den eigenen Karren zu spannen, kann sich ein jeder selbst ausmalen.

Die Firma Color Concept, die auch die Umsetzung des Photo-CD-Toolkits vornimmt, konnte bereits verschiedene Anwendungen vorstellen. Auf einem TT wurden Bilder von CD geladen, dargestellt und in verschiedenen Formaten wie TIFF oder Targa gespeichert.

Auf einem Falcon 030 war eine Dia-Show in Fernsehqualität zu sehen. Man glaubt kaum, wie realistisch eine Auflösung von 768 x 480 mit 65 536 Farben Fotos darstellen kann.

Als dritte Anwendung zeigte die amerikanische Vertretung von DMC ein Importmodul zu Calamus SL das Bilder direkt von Photo CD importierte. Auf allen drei Systemen war »Multi-TOS« mit einem neuen CD-ROM-Treiber installiert, der sowohl HighSierra und ISO9660 als Single- und Multisession verarbeitet. Der Treiber ist sowohl auf TT als auch auf dem Falcon lauffähig.

Ebenfalls bei DMC Publishing Inc. war »Cybercube« zu sehen, eine True-Color-Grafikkarte, die es in sich hat. Cybercube basiert auf einem »Inmos G300« und ist mit 2 MByte RAM bestückt. Bis zu 800 x 600 Bildpunkte in 24 Bit kann die Karte darstellen. Höhere Auflösungen sollen mit mehr Speicher möglich sein. Das Bild war absolut flimmerfrei.

Mit einer Zusatzkarte kann die Cybercube zu einer Genlockmaschine erweitert werden und Videosignale beliebig mischen. Insgesamt ist die Cybercube sehr schnell, wenn sie auch noch nicht die Geschwindigkeit einer »Matrix TC1208« erreicht. Mit 2000 kanadischen Dollar (ca. 2400 Mark) liegt die Karte aber auch in einer anderen Preisklasse.

Eine echte DSP-Anwendung für den Falcon 030 zeigte die amerikanische Firma Digital-Optical-Analog (kurz DOA) mit »Blackmail«. Blackmail ist eine Anrufbeantworter-Software die auf Mac und NeXT läuft. Blackmail kann Anrufe entgegennehmen, komprimieren, archivieren und an eine beliebige Telefonnummer weiterleiten.

Unter MultiTOS kann Blackmail im Hintergrund laufen und blockiert somit nicht den Rechner. Derzeit gibt es leider nur eine Touchtone-Version.

Compo zeigte auf der Comdex zwei neue Produkte. Zum einen gab es eine Falcon-Variante des »AT-Speed« zu sehen. AT-Speed für Falcon wird einfach auf den Expansionbus gesteckt. Ein 80286 verrichtet auf der Karte seinen Dienst und schafft einen Norton-Faktor von über 12. Auf der Comdex war leider nur eine monochrome Darstellung zu sehen, aber eine VGA-Emulation in Farbe soll bei der Auslieferung vorhanden sein.

»Musicom« von Compo kann Tondaten auf einem Falcon lesen, ändern, abspielen und sichern. Dabei werden natürlich die Soundfähigkeiten des Falcon voll ausgenutzt. Verschiedene Effekte wie Hall, Flange, oder auch Karaoke runden das Programm ab. Der Preis soll in Deutschland unter 100 Mark liegen.

Mit »TruePaint« zeigte Hisoft das erste Malprogramm, das die Grafikfähigkeiten des Falcon 030 voll ausnutzt. Bis zu 768 x 480 Pixel bei 65536 Farben kann True-paint darstellen. Die einzelnen Bilder können natürlich größer sein. Truepaint arbeitet vollständig in GEM-Fen-stern und kann viele Dateiformate, wie z. B. TIFF, IFF und JPEG laden und speichern.

Auch Atari hatte ein paar neue Softwarehäppchen anzubieten. So wurde das neue GDOS mit Bitstream-Speedo-Scaler präsentiert. »Speedo-GDOS« soll endlich dem leidigen Thema »FSM-GDOS« den Garaus machen. Speedo-GDOS kann Bitstream-Schriften im Speedo-Format lesen.

Mit »Concierge« zeigte Atari auch gleich die erste Applikation, die das neue Speedo-GDOS voll unterstützt. Concierge wurde in der Beta-Phase als »ST-Sutra« bekannt und ist ein integriertes Softwarepaket wie z.B. Microsofts »Works«. Textverarbeitung, Datenbank und Tabellenkalkulation sind vereint in einem Programm und können untereinander Daten austauschen.

Die Textverarbeitung ist mit einem Thesaurus und einer Rechtschreibungskorrektur versehen. Einfache Grafikfunktionen für Balken- und Tortendiagramme runden das Paket ab.

Auf einem Rechner zeigte Atari ein Genlock-Interface mit einem Video-Titler. Falcon-Computergrafik und Videosignale können beliebig gemischt und auf dem Monitor ausgegeben werden.

Wer die großen Firmen der Computerbranche suchte, mußte sich ins mehrere Meilen entfernte »Las Vegas Convention Center« begeben.

Was im letzten Jahr noch wie eine Modeerscheinung aussah, wurde diesesmal dem Besucher als reale Gegenwart präsentiert: Multimedia. Es gab kaum einen Stand, an dem einem nicht mit Videocamera und Soundblaster-Karten die Sinnesorgane verdreht wurden.

Geschafft: die Photo-CD-Anbindung für Falcon und TT

Unser Hauptinteresse galt aber der Peripherie, besonders den Massenspeichern. Syquest zeigte erstmals produktionsreife Geräte vom Typ »SQ3105«. Dabei handelt es sich um ein 3,5-Zoll-Wechselplattenlaufwerk mit einer Kapazität von 105 MByte. Mit einer mittleren Positionierzeit von 14,5 ms und einer maximalen Transferrate von 2,3 MByte/s (4,0 MByte aus dem Puffer) dürfte die SQ3105 das derzeit schnellste Wechselplattenlaufwerk auf dem Markt sein. Leider gibt es derzeit nur die AT-Bus-Variante. Ein SCSI-Laufwerk soll aber im Frühjahr folgen.

Aus zuverlässiger Quelle erhielten wir auf dem Syquest-Stand die Information, daß im Januar-Heft der amerikanischen Zeitschrift »MacWorld« ein Artikel alle Modifikationen beschreiben soll, die nötig sind, um einem 88er Laufwerk das Schreiben einer 44er Cartridge beizubringen.

Die Gigantomanie bei den 3,5-Zoll-Festplatten findet scheinbar kein Ende. So waren auf dem Seagate-Stand die ersten Exemplare von 2-GByte-Laufwerken im 3,5-Zoll-Format zu sehen. Bei der Frage nach der Verfügbarkeit überraschte uns das Standpersonal: »Wir können sofort liefern.«

IBM präsentierte eine 3,5-Zoll-Festplatte mit 3 GByte Kapazität. Mit mehr als 6 MByte/s Datentransfer und unter 10 ms mittlerer Positionierzeit ist dieses Laufwerk kaum noch zu überbieten. Über Verfügbarkeit und Preis konnte uns allerdings niemand Auskunft geben.

Ansonsten ist der Massenspeicher der Saison das CD-ROM. Dank Multimedia und Photo CD wurde das bisherige Aschenputtel der Massenspeicher zu einem der meistgefragtesten Peripheriegeräte. Transferraten bis zu 600 MByte/s und Positionierzeit unter 200 ms sprechen für sich.

ZyXEL zeigte auf der Comdex erstmal ihren 19200-Baud-Modus für ihre Modems. Derzeit ist leider noch unklar, ob alle Modems der Klasse »U-1496« aufgerüstet werden können. (uw)

Compo Software, Ritzstr. 13, 5540 Prüm

Color Concept, Satz- und Layoutsysteme, Im alten Breidt 4, 5204 Lohmar-Breidt

Digital Optical Analog, PO Box 58413, Houston, Texas, 77258, USA

Syquest Deutschland, München

DMC Publishing Inc. 2800 John Street, Suite 10 Markham, Ontario Canada L3R OE2

Dinologics, Wilhelmstr. 51, 5000 Köln 60

Atari GmbH Deutschland, Am Kronberger Hang, 6231 Schwalbach/Taunus

Hisoft, The old school, Greenfields, Bedford


Michael Bernards
Aus: ST-Magazin 01 / 1993, Seite 6

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