Chemplot: Strukturformeln ins Bild gerückt

Molekülstrukturen auf dem Bildschirm darzustellen ist nicht ganz einfach. Mit »Chemplot« wird Ihnen viel Arbeit abgenommen.

Programme zur Darstellung von Molekülstrukturen müssen nicht unbedingt nur dem PC oder Macintosh Vorbehalten sein. Auch mit dem Atari können Sie schon seit einiger Zeit aussagekräftige Molekülstrukturen zu Papier bringen, ohne jedoch zu tief in den Geldbeutel greifen zu müssen. »Chemplot« von Wilfried Cordes liegt jetzt in der neuesten Version 2.1 vor und ist bei Chemo-Soft in Oldenburg für 148 Mark zu beziehen.

Früher oder später wird so mancher Naturwissenschaftler — aber besonders der Chemiker — vor dem Problem stehen, komplizierte Strukturformeln für Publikationen zu kreieren und in sein Textverarbeitungsprogramm einzubinden. Tuschestift oder Zeichenschablone haben schon lange ausgedient. Ob Chemplot den hohen Anforderungen gerecht wird, soll dieser Test zeigen.

Die Funktionen von Chemplot sind übersichtlich in einer Piktogrammleiste angeordnet. Hinter manchen Piktogrammen verbirgt sich zusätzlich noch ein Pop-up-Menü. So können Sie beispielsweise zwischen 17 unterschiedlichen Reaktionspfeilen auswählen. Tautomeriepfeile sind ebenso vorhanden, wie Mesomerie- und Gleichgewichtspfeile. Alle Pop-up-Menüs sind auf dem Bildschirm frei plazierbar. Einmal an den Rand verschoben, erscheinen sie immer wieder dort und überdecken somit nicht die Molekülstrukturen. Individuelle Einstellungen werden in einer INF-Datei von Chemplot gesichert, so daß sie auch beim nächsten Mal am gewohnten Platz erscheinen.

Arbeitsfläche von Chemplot
Kugelfischgift Tetrodotoxin

Zur Darstellung von Reaktionsgleichungen ist es sinnvoll, wenn alle Bindungen der Strukturen gleiche Längen haben. Durch Einstellen von »Festen Längen« und Definition der Längen entweder in Zentimeter, Millimeter, Zoll oder Pixel, haben alle gezeichneten Bindungen, egal ob Einfach-, Doppel- oder Keilbindungen, immer dieselbe Länge. Natürlich ist auch eine manuelle Längeneinstellung möglich.

Bindungswinkel, Doppelbindungsabstände, Keilfußbreiten und weitere Parameter können komfortabel in Untermenüs mittels Rollbalken eingestellt werden. Blattgrößen und Ränder lassen sich ebenfalls definieren. Allen Auswahlboxen gemeinsam ist eine On-line-Hilfe, die durch einen Klick auf eine Glühbirne die Erleuchtung bringt: Blättern im 70seitigen Handbuch wird dadurch fast überflüssig, da bei jeder Erklärung zu einer Funktion verwandte Begriffe genannt werden, über die weitere Informationen zur Verfügung stehen. An diesem Punkt sind Festplattenbesitzer im Vorteil, da die On-line-Hilfe beim Aufruf automatisch geladen wird. Die gleiche Funktion ist außerdem über den Menüpunkt »Extras« zu erreichen, bei der die Begriffe in alphabetischer Reihenfolge sortiert sind.

Da nur die wenigsten Moleküle wirklich eine zweidimensionale Struktur besitzen, verfügt Chemplot über zahlreiche Funktionen, um der Struktur eines Moleküls räumliche Gestalt zu verleihen. An einem Isomer des Dioncophyllin A — welches aus zwei Molekülteilen besteht, die gegeneinander verdreht jeweils in einer anderen Ebene liegen — kann dies erläutert werden. Durch unterschiedliche Bindungsverstärkung und durch Kippen des an sich flachen Naphthalin-Derivats entsteht die räumliche Struktur des Dioncophyllin A. Ausgefüllte und gestrichelte Keilbindungen vermitteln ebenfalls Räumlichkeit, die zur Beschreibung eines Moleküls durch die absolute Konfiguration bedeutsam ist.

Chemplot 2.1 bietet außerdem eine Unmenge nützlicher Details:

Neben dem Standardzeichensatz und einem griechischen Zeichensatz sind bis zu sieben weitere Fonts gleichzeitig verwendbar, wobei es sich um Chemplot-interne Vektor-Fonts handelt. Die Größe der Buchstaben kann sowohl in der Höhe als auch in der Breite verändert werden. Die Atomsymbole in einer Struktur sind durch die gleiche Schrift darstellbar, wie beispielsweise Molekülname oder Reaktionsbedingungen, was das optische Bild einer Reaktionsgleichung perfektioniert. Zum Programmpaket gehört außerdem ein Font-Editor, der auch Signum-2-Zeichensätze für den Gebrauch in Chemplot konvertieren kann.

Energiediagramm einer Reaktion

Insbesondere bei Diplomoder Doktorarbeiten kann man beim Atari auf leistungsstarke Textverarbeitungs- und Layoutprogramme zurückgreifen, bei denen es selbstverständlich ist, daß sie Grafiken einbinden können. Alle mit Chemplot erzeugten Bilder lassen sich in drei Pixelgrafikformaten speichern: Stad-PAC, Screen-PIC und als GEM-Image-Datei, wobei das letztere vor allem bei größeren Strukturen oder Reaktionen zu empfehlen ist, da es nicht an die 640 x 400 Pixel der hohen ST-Auflösung gebunden ist. Obwohl Chemplot objektorientiert arbeitet, kann das Programm selbst keine Vektorgrafiken erzeugen. Dazu benötigen Sie ein mitgeliefertes Zusatzprogramm, welches die Chemplot-eigenen Strukturformeln in GEM-Metafiles umrechnet. Auch beim Drucken verwendet Chemplot ein externes Programm, das 9-Nadel-, 24-Nadel- und Laserdrucker unterstützt.

Mit der neuesten Version von Chemplot demonstriert der Vertrieb von Chemo-Soft, daß auch der Atari für spezielle Einsätze in den Naturwissenschaften bzw. in der Chemie tauglich ist. Das Programm kann sicherlich seinen oft viel zu teuren Konkurrenten auf dem PC oder Macintosh das Wasser reichen, da es strukturell klar aufgebaut ist, leicht zu handhaben und obendrein noch erschwinglich ist. Alle registrierten Anwender mit älteren Versionen können Updates zwischen 40 und 60 Mark beziehen.

Zum Lieferumfang gehört nicht nur der Strukturformeleditor, sondern Zeichensatzeditor, Vektorkonvertierungs- und Druckprogramm sowie auch ein paar nützliche Accessorys, die mit chemischen Daten und Konstanten jedem Chemiker das Leben erleichtern. (thl)

WERTUNG

Chemplot 2.1

Vertrieb: Chemo-Soft
Preis: 148 Mark, Update 40 bis 60 Mark
Stärken: klar durchdachter Programmaufbau, umfangreiche Funktionen, Online-Hilfe, breite Einbindung in Textprogramme
Schwächen: GEM-Metafiles und Druckroutinen nur extern
Fazit: sehr empfehlenswert

Chemo-Soft Computersysteme, Lindenhofsgarten 1, 2900 Oldenburg 17


Ralf Elsner
Aus: ST-Magazin 01 / 1993, Seite 32

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