Cäsar: Ave Cäsar!

Ein Bonbon für Computerstrategen ist »Cäsar«, das den Heim-Feldherren ins Altertum zurückversetzt.

Ballerspiele üben meist nur einen kurzzeitigen Reiz aus und landen dann auf Nimmerwiedersehen in der Diskettensammlung. Ganz anders dagegen Strategiespiele: Hier kann man sich kaum vom Computer losreißen. Ein neues Spiel dieses Genres ist »Cäsar« von der Programmierercrew »Members of good Taste« um Heiko Hartmann. In diesem Spiel gehen sechs Feldherren daran, Herrscher der damals bekannten Welt zu werden. Wie der Name des Programmes schon vermuten läßt: es spielt etwa zur Zeit Cäsars. Das Ziel des Spieles läßt sich selbst bestimmen: die Eroberung des ganzen Mittelmeerraumes oder auch nur das Erreichen einer bestimmten Punktezahl; je nachdem, wieviel Zeit man investieren möchte.

Der Mittelmeerraum ist Ihr Zuhause

Eroberungszüge

Alle Mitspieler bekommen ein Herrschaftsgebiet, Goldmünzen sowie ein Heer zugewiesen. Eine Runde entspricht einem Quartal, in dem der Spieler maximal vier Aktionen ausführen kann. Standardmäßig kann in jeder Runde das Heer bzw. die Flotte in Bewegung gesetzt werden. Einige Aktionen sind jedoch nur zu einer bestimmten Jahreszeit (=Spielzug) möglich. Andere Länder werden erobert, indem man seine gut ausgerüsteten Mannen per Mausklick dorthin in Marsch setzt. Gibt es zu dem begehrten Land keine Landverbindung, liegt es aber am Meer, kann man sein Heer auch mit Hilfe der Flotte dorthin befördern — vorausgesetzt, Sie haben Schiffe. Ob der Eroberungsversuch schließlich erfolgreich ist, hängt von mehreren Faktoren ab: Entscheidend ist natürlich die Anzahl der angreifenden Soldaten im Vergleich zu den abwehrenden. Bei Ländern im Norden und im Süden spielt die Jahreszeit eine Rolle, in der der Angriff stattfindet. Ist im Frühling bzw. Herbst die Eroberungschance noch 50 Prozent, sinkt sie im Winter oder Sommer auf etwa 38 Prozent. Länder können auch über Abwehranlagen verfügen, was Expansionspläne dämpft. Besitzt das Land eine Stadt? — Schließlich sind befestigte Hauptstädte noch schwerer zu erobern. Bei Angriffen muß bedacht werden, in den eigenen Ländern genügend Soldaten zurückzulassen, die die eigenen Gebiete schützen. Hat es ein anderer Spieler auf Ihr Refugium abgesehen, wird es sonst brenzlig für Sie.

Neue Soldaten müssen auch rekrutiert werden. Dies ist in Cäsar auf zweierlei Arten möglich: Zum einen können einmal im Jahr — also jeden vierten Spielzug — Söldner angeworben werden, deren Preis sich nach Ihrer Bevölkerung richtet. Zum anderen lassen sich bei den übrigen drei Spielzügen eines Jahres Soldaten aus der eigenen Bevölkerung rekrutieren. Dies verringert ebenfalls die Finanzmittel und die Zahl der neuen Streiter ist von der Bevölkerungszahl in den eigenen Ländern abhängig — schließlich kann nicht jeder Bürger Soldat werden.

Finanzmittel sind überlebenswichtig, will man nicht bereits nach dem vierten Spieljahr aus dem Rennen sein, weil die eigenen Ländereien in Feindeshand gefallen sind (was das Aus für den Spieler bedeutet). Geld bekommt man aus den eigenen Ländern. Jedes Land besitzt einen variablen »Wirtschafts-Level«, nach dem sich die finanziellen Abgaben richten. Nicht zuletzt ist dies auch von der Bevölkerungszahl abhängig. Außerdem sind die Spieler Konjunkturzyklen unterworfen, die ebenfalls die Finanzlage des Feldherrn mitbestimmen. Das eingenommene Gold kann aber nicht nur für die Finanzierung von Kriegen verwendet, vielmehr müssen Teile der Einnahmen über einen »Haushaltsplan« an das Volk zurückgegeben werden. Wie hoch diese Unterstützung ist, läßt sich festlegen — sind die Rückführungen jedoch zu gering, droht Aufruhr in der Bevölkerung.

Getreidemarkt

Als Herrscher über eines oder mehrere Länder haben Sie auch die Aufgabe, die Ernährung Ihres Volkes sicherzustellen. Neben eigener Kornproduktion — abhängig vom Kornanbau und der Bevölkerungszahl — muß unter Umständen auf dem alle zwei Runden stattfindenden Kornmarkt nachgekauft werden. Ist zu wenig Getreide — das stellvertretend für sämtliche Nahrungsmittel steht — in den Lagern, drohen Hungersnot und Aufstand Ihrer Untertanen. Von der Versorgung ist wiederum das Wachstum der Bevölkerung abhängig. Das hat Folgen auf die Steuereinnahmen. Sie merken: In Cäsar müssen Sie neben strategischem Können auch wirtschaftliches Geschick haben und dürfen keinen einzigen Wirtschaftsbereich vernachlässigen: Haben Sie kein Kapital mehr, können Sie keine Nahrungsmittel kaufen und nehmen keine Steuern ein...

Ihre Provinzen, falls Sie über welche verfügen, erwarten ebenfalls finanzielle Unterstützung. Die einzelnen Länder werben von diesen Abgaben eigenständig Soldaten an, was Ihnen zugute kommt.

Haben Sie sich mit einem anderen Computerfeldherren verfeindet, arbeiten Sie mit der Funktion »Verhandlungen«. Führen Ihre Gespräche zum Erfolg, werden z. B. feindliche Truppen an Ihren Grenzen abgezogen. Scheitern die Verhandlungen, ist die Wahrscheinlichkeit eines gegnerischen Angriffes wesentlich größer. Führen Ihre Gespräche nicht zum Erfolg: eine andere — teurere — Möglichkeit, solche Probleme zu lösen ist Sabotage! Vorausgesetzt, Sie verfügen über genügend Finanzmittel, können Sie ein Land eines Mitspielers sabotieren. Ihre Möglichkeiten reichen von Bestechung der Truppen bis hin zum Putschversuch. Die Erfolgschancen hängen vom investierten Gold ab. Sie können aber auch Piraten anwerben, die selbständig andere Ländereien angreifen. Haben die Männer mit der Totenkopfflagge Erfolg, lassen sie einige Besatzungsmitglieder in diesem Land zurück. Es gehört nun Ihnen!

Eine unblutige Möglichkeit, Land zu bekommen sind Bündnisse. Sie können — gegen Gold — mit freien, d.h. nicht von anderen Spielern besetzten, Ländern ein Bündnis eingehen. Diese Länder führen regelmäßig Steuern an Sie ab und gestatten es auch, daß Sie dort Truppen stationieren. Uber das Heer der Bundesgenossen haben Sie jedoch keine »Befehlsgewalt«. Bündnis-Partner können sich unter Umständen Ihnen anschließen, so daß das Land zu einem Teil Ihres Reiches wird. Haben Sie Pech und löst das Land die Verbindung mit Ihnen, sind eventuell dort stationierte Truppen und Schiffe verloren.

Außerdem ist Kooperation mit anderen Spielern möglich: egal ob Mensch oder Computer, Sie können ihm Gold, Korn, Truppen und Schiffe schicken. Von Zeit zu Zeit bekommen auch Sie etwas Unterstützung.

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Mystik

Wer möchte, kann in Cäsar auch mit »mystischen Gegenständen« spielen. Helm, Kelch, Schwert, Schild, Ring und Kugel werden zu Beginn des Spieles nach dem Zufallsprinzip in unterschiedliche Länder verteilt. Erobert ein Spieler ein solches Land, kann er die Kraft des jeweiligen mystischen Gegenstandes nutzen. Hat man z. B. den Kelch in einer seiner Ländereien, kann man dort, unabhängig von der Konjunktur, immer die maximalen Einnahmen (Gold, Korn) und das optimale Bevölkerungswachstum verzeichnen. Allerdings nur in dem Land, in dem sich der Kelch befindet. Verschiebt man aus diesem Land Truppen, wird man explizit gefragt, ob man den Kelch mit in das andere Land nehmen möchte. Die anderen Gegenstände haben andere, nicht weniger nützliche Wirkungen. Doch Vorsicht: Kommen in einem Land zwei der mystischen Utensilien zusammen, lösen sich beide auf und sind für den weiteren Spielablauf unwiederbringlich verloren. Ob in einem Land einer dieser Gegenstände vorhanden ist, läßt sich durch Spionage herausfinden. Gegen Gold erfahrt man so auch die Stärke der dort stationierten Truppen, den jeweiligen Wirtschaftslevel und die Bevölkerungszahl.

Vermeiden Sie Hungersnöte und Unruhen

Außer der Standard-Karte können in Caesar auch andere Szenarien geladen und gespielt werden. So z. B. in der Kolonialzeit, als sich europäische Mächte um afrikanische Gebiete stritten. Der Spielablauf ist derselbe, jedoch wird mit anderen Karten gespielt. Wer sich für 20 Mark beim Autor registrieren läßt, erhält außerdem noch ein Szenario aus der Zeit Karl des Großen sowie sämtliche Karten zu allen Szenarien in gedruckter Form (erleichtert das Spielen ungemein1).

Fazit

Cäsar ist eine komplexe Simulation, die man nicht an einem Nachmittag durchspielt. Am Anfang stehen viele Niederlagen und Pleiten, bis man ein leistungsfähiges Reich aufgebaut hat, es zu halten und auszubauen vermag. Wer Wirtschaftssimulationen und Strategiespiele mag, ist mit Cäsar bestens beraten.

Ein kleines Manko: Cäsar läuft nur auf Farbmonitoren. Als Kompromiß bietet sich SM-124-Besitzern der Farbemulator »Panda« an. Cäsar ist ab der Version 1.4 Poolware und kann somit ausschließlich über den Autor bzw. IDL-Software bezogen werden, (thl)

Heiko Hartmann, Sonnenbergstr. 41, 7015 Korntal

PD-Pool 2354, IDL-Software Lagerstr. 11,

6100 Darmstadt 13

Panda (Maxon Sonderdiskette SD 18)

Maxon Computer GmbH, Schwalbacher Str. 52,6236 Eschborn


Michael Vondung
Aus: ST-Magazin 12 / 1992, Seite 116

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