Per Atari im Filmstudio erspart zwar nicht den Techniker, aber er erleichtert die Arbeit doch erheblich. Sogar die Synchronisation amerikanischer Seifenopern ist mit dem Computer nicht mehr ganz so monoton wie zuvor.
Eines weiß Doris, die Cutterin aus dem Schneideraum 7 ganz genau: daß sie niemals aus freien Stücken im Fernsehen diese amerikanische Seifenoper anschauen wird, mit der sie nun schon über drei Jahre lang zu tun hat. Jeden Tag eine neue Folge der »Springfield-Story«. An einer 45-Minuten-Folge arbeitet sie bis zu sieben Stunden und heute ist es die eintausendunddreißigste!
Was sie mit der Serie macht? Nun die Sache ist so, vielmehr sie war bisher so: Bei den Originalfilmen aus den USA befinden sich sowohl die Dialoge, als auch Musik und Geräusche auf einem einzigen Band. Deshalb müssen bei der Synchronisation für das Deutsche Fernsehen wieder alle drei Komponenten neu produziert und eingespielt werden.
Doris ist für das Geräuschband zuständig. Das ist ein perforierter Magnetstreifen, der am Schneidetisch synchron zum Film hin und her bewegt wird. An der entsprechenden Stelle fügt die Cutterin dann alle Geräusche, die zuvor aus dem Archiv überspielt oder vom Geräuschmeister gesondert produziert wurden, in das Band ein. Pro Folge kann das bedeuten, daß sie für Standardgeräusche (knarzende Tür, kläffender Hund) zwanzig Mal ins Archiv rennt und die Sachen kopiert. Auf diese Weise entstehen auch die Bänder für Musik und Sprache, die letztendlich alle wieder zu einer gemeinsamen Tonspur zusammengemischt werden.
Bis vor ein paar Wochen hat Doris das auch noch so gemacht, doch dann zog der Atari in den Schneideraum ein. Nun muß sie nicht mehr in den Archiven herumsuchen, zwanzig Mal pro Folge einen Türknall oder eine Telefonklingel überspielen und haargenau ins Band einpassen. Sie faßt auch keine Schere mehr an, sondern arbeitet mit der Maus. Früher hätte sich Doris im Traum nicht vorstellen können, einmal Mäuse anzufassen.
Aber jetzt sieht das so aus: Die Standardgeräusche sind für fast jeden Film nötig. Statt diese aber erst auf den Bändern und Platten des Archives zu suchen und mühsam zu kopieren, bleiben sie auf einer Harddisk oder einem Sampler gespeichert. Über die MIDI-Informationen sind diese Events den entsprechenden Tasten zugeordnet und können jederzeit abgerufen werden. Belegt die Cutterin mehrere Tasten mit demselben Geräusch, etwa dem Hundegebell, so kann man den Bernhardiner — auf Tastendruck - ganz schnell zum Yorkshire-Terrier schrumpfen lassen.
Aber auch der Cubase-Drum-Editor, in dem in der Regel zahlreiche Rhythmusinstrumente untergebracht sind, läßt sich ganz einfach bedienen. Über die Tastatur oder per Drumstick, den Doris aus der Tool-Box holt, kann sie eine Markierung an der richtigen Stelle des Films setzen. Beim Ablauf des Sequenzers erfolgt dann das Triggern, also das Einsetzen, des Geräusch-Events ganz automatisch.
Hat man nun ein Instrument bzw. einen Speicher, in dem anstatt der Snare oder Hithat eine Türklingel oder ein Revolverschuß gespeichert ist, so läßt sich mit einer solchen Markierung auch bei laufendem Sequenzer das entsprechende Geräusch — auf das Bild genau - einpassen. In diesem Fall wird das Cubase-System beim Abspielen der Geräusch-Events nicht von der eigenen, internen Clock sondern von den SMPTE-Zeitangaben der Master-Maschine angetrieben. Dadurch ist gewährleistet, daß der Pistolenschuß nicht erst nach dem Umfallen des Bösewichts knallt.
In der Praxis sieht das dann so aus: Die Cutterin stellt anhand des Videobildes mit den SMPTE-Zeitangaben eine Liste zusammen, die besagt, an welcher Stelle welche Laute zu hören sein müssen. Im Verzeichnis des Drum-Editors sind statt der Rhythmusinstrumente die verschiedenen Geräusche eingetragen. An der entsprechenden Stelle, nämlich genau wenn der Gauner zusammenbricht, tippt die Cutterin die Position (z.B. 14-min-3-sec-7.-Bild) in das Eingabefeld der Song-Position ein. Sofort erscheint eine Markierungslinie im Fenster, die über alle Spuren hinweg sichtbar ist. Mit einem Drumstick-Klick kann Doris den richtigen Punkt für das Triggern in der entsprechenden Zeile markieren und der Schuß »sitzt«.
Darüber hinaus stehen auch noch andere, dem Programm eigene Editierhilfen zur Verfügung. Für exaktes Arbeiten lassen sich Bildausschnitte zoomen. Und wenn die Markierung nicht genau paßt, kann sie nochmals aktiviert und mit dem Maus-Cursor verschoben werden. Holt man die Bürste aus der Toolbox und streicht horizontal über die Markierung, wird der Bandit nicht mit einem Pistolenschuß, sondern gleich mit einer Maschinengewehrsalve zu Boden gestreckt. Dabei bestimmt der im Window eingestellte SNAP-Abstand die Folgezeiten der Schüsse. Die Lautstärke der einzelnen Geräusche kann die Cutterin über die Velocity einstellen und speichern. Auch die Volume-Werte lassen sich für jeden einzelnen Track programmieren.
Eine solche Speicherung aller Geräusch-Events muß dann nicht mehr auf einen anderen Tonträger, etwa ein Perfo-Band, übertragen werden. Das Sequenzerprogramm läßt sich während des Mischens verarbeiten; gleichzeitig mit anderen Bandaufzeichnungen. Alle MIDI-Arrangements, die im Cubase-Sequenzer bereits auf herkömmliche Art und Weise aufgezeichnet wurden, lassen sich in den Soundboxen und Synthesizern während des Mischens in Real Time einspielen. Das funktioniert natürlich auch mit den digital gespeicherten Musikpassagen oder Signets, die die Cutterin jederzeit synchron dazumischen kann.
Da die Markierungen im Drum-Edit-Window immer nur als kurze Trigger wirken, erfordern lang anhaltende Events oder auch das Speichern von Geräuschatmosphären entsprechende Note-on- sowie Note-off-Befehle. Dafür bietet sich das Arrange-Window an. Hier kann man die entsprechende Taste entweder beliebig lange drücken, oder das Geräusch grafisch einzeichnen. So wird zusätzlich zum eigentlichen Event ein entsprechend langer Part angelegt und das Geräusch gestreckt.
Die Cutterin kann jeden ihrer zahlreichen Arbeitsschritte am Bildschirm mitverfolgen. Dadurch wird der komplizierte Vorgang einer Filmsynchronisation überschaubar und gelingt mit Hilfe des Atari fast doppelt so schnell wie zuvor. Auch die Kosten für Überspielungen und Material sinken drastisch. Bleiben noch die Anschaffungskosten für einen Atari mit der Cubase-Software. Aber ob die in dem Gesamtkostenkomplex einer Filmsynchronisation überhaupt zu spüren sind?
(S. Steinberger/mn)
Studio Funk KG, Heinz Funk, Eimsbütteler Chaussee 69, 2000 Hamburg 20
Steinberg Soft- & Hardware GmbH, Eiffestr. 596,2000 Hamburg 26
Udo Weyers, »Das große Cubase Handbuch«, GC Carstensen Verlag München, ISBN 3-9802026-8-2