Per Tastendruck Maschinen zu bewegen ist faszinierend — Fischertechnik Computing schafft die Verbindung zum Rechner.
Schon längst nicht mehr ist der Computer elitäres Spielzeug für Wissenschaftler. Er findet sich auch immer häufiger in Kinderzimmern. So verwundert es auch nicht, daß sich der Konstruktionsbaukastenhersteller »Fischertechnik« diesem Thema angenommen hat. Neben diversen eigenständigen Elektronikbaukästen bietet die Firma unter dem Label »Profi Computing« auch ein System an, das in Verbindung mit einem Computer — DOS-kompatibel, Atari ST oder Amiga — gesteuert wird.
Die Bausteinfarbe der insgesamt knapp 900 Einzelteile hat inzwischen vom traditionellen Dübelgrau zu patriotischem schwarz, rot, gelb gewechselt. Trotzdem werden alle Teile wie gehabt zusammengesteckt und lassen sich mit anderen Kästen kombinieren. Um die Konstruktionen zum Leben zu erwecken, benötigt der Bastler außerdem ein spezielles Interface, ein Netzteil und die Steuerungssoftware »Lucky Logic«. Doch bevor es mit Experimentieren losgehen kann, müssen Sie zunächst die Kabel sowie einen 28poligen Verbindungsstecker zum Interface konfektionieren. Dazu wird zwar kein Lötkolben benötigt, aber die millimetergroßen Schräubchen fordern eine ruhige Hand und viel Geduld. Ferner empfiehlt es sich, eine genügend große und vor allem übersichtliche Arbeitsfläche zu schaffen, damit diverse Kleinteile nicht auf mysteriöse Weise verschwinden.
Das mitgelieferte Experimentierbuch steigt mit einer kurzen Einführung über das Computing System, Elektrotechnik und ein paar Tips zum Aufbau der Modelle ein. Anschließend werden anhand von Zeichnungen der Bau von einem Dutzend Anwendungen vom Reaktionstester über einen Kurvenschreiber bis zum Montageroboter erläutert. Jedem Arbeitsschritt ist eine Stückliste der benötigten Teile vorangestellt. Sind alle untergebracht, folgt der nächste Schritt, wobei dann die neuen Komponenten farbig und die vorhandenen nur in ihren Umrissen dargestellt werden. So hat man in den meisten Fällen eine gute Übersicht über das Projekt.
Leider wird das Modell stur immer aus derselben Perspektive gezeigt, so daß gelegentlich Bauteile verdeckt werden oder schlecht zu erkennen sind. Auch ist man mit Detailansichten äußerst sparsam. Darüber hinaus fehlt jeglicher erläuternde Text, der ggf. auf die Einbaureihenfolge oder Schwierigkeiten (Justieren einer Lichtschranke) hinweist. Schließlich fragt man sich, warum auf der Montagegrundplatte ein Koordinatensystem eingeprägt ist, wenn in der Anleitung kein einziges Mal von diesem Hilfsmittel die Rede ist. Unpraktisch auch, daß die Verkabelung erst am Schluß gezeigt wird, so daß manche Anschlüsse im fertigen Modell kaum noch erreichbar sind. — Erfahrene Fischertechniker haben diese Probleme sicherlich nicht, denn sie können natürlich auch ihre eigenen Ideen verwirklichen oder andere Konstruktionen ansteuern.
Abgeschlossen wird die Bauanleitung mit einem Erläuterungstext über die Funktionsweise des Modells, der Steuerungssoftware mit Ablaufplan sowie einem Schaltbild. Während die Anleitung von Beispielen in Basic, Pascal und Lucky Logic spricht, sucht man auf der Atari-Diskette danach vergebens. Hier finden sich nur einzelne Programme in Lucky Logic und C. Ihren Wissensdurst stillt in dieser Hinsicht nur die DOS-Dis-kette, wobei die Dateien aber in einem komprimierten Format vorliegen. Softwaremäßig scheint das gesamte Paket besser auf DOS-Rechner als auf Atari abgestimmt zu sein, denn die Beispiele und Erläuterungen in Turbo-Pascal sind besser ausgearbeitet.
Die »Process Control Software« Lucky Logic ermöglicht auch dem mit einer Programmiersprache nicht Vertrauten die Ansteuerung der Modelle. Dabei können Sie auf relativ einfache Art ein Ablaufschema zusammenstellen. Allerdings sollten Sie doch ein wenig mit der logischen Aufschlüsselung steuerungstechnischer Probleme vertraut sein, da das Handbuch zwar die grundsätzliche Funktionsweise erklärt, aber kein Lehrbuch ist, das Schritt für Schritt ins Thema einführt. Haben Sie die Klippen umschifft, ist es eine Herausforderung, möglichst komplexe Steuerungsprogramme zu entwickeln. Es empfiehlt sich dabei, zunächst ruhig mit einem etwas »langweiligerem«, da überschaubarem, Modell zu beginnen. Anschließend können Sie sich dann auch an einen komplexen Industrieroboter mit mehreren beweglichen Achsen und einem Greifer wagen, bei dem Sie mehrere Aktionen im Auge behalten müssen.
Enttäuschend, daß sich bei so einer renommierten Firma einige Fehler in die Bauanleitungen eingeschlichen haben. So konnten wir den Kurvenschreiber nicht richtig ausprobieren, da das dritte benötigte Ritzel auch auf der Stückliste nicht aufgeführt ist. In der Anleitung taucht es unvermittelt als weißes Teil auf. Zwar liegt bereits ein Korrekturblatt bei, aber selbst dort stolpert man über falsche Seitenangaben oder die beim Kopieren »abgesoffene« Schemazeichnung.
Der Computing-Baukasten hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck: einerseits läßt sich mit den bewährten Steckbauteilen der mechanische Anteil gut bewältigen, andererseits machen Bauanleitung und Software (für den Atari) noch einen unausgegorenen Eindruck. Dieser Konstruktions- und Experimentierkasten ist nichts für eine spontane Bastellaune am Nachmittag, denn er erfordert eine recht sorgfältige Vorbereitung und ein gewisses Durchhaltevermögen bis alles läuft. Da die Kontrolle der Modelle über den Rechner erfolgt, sind solide Programmierkenntnisse — möglichst in Pascal — nicht von Nachteil. Anders als bei »normalen« Experimentierkästen ist der Erfolg nicht vorprogrammiert, sondern muß sich erarbeitet werden. (thl)
Profi Computing
Hersteller: Fischertechnik
Stärken: interessante Modellvorschläge, einfache Montage, kombinationsfähig mit anderen Fischertechnikkästen
Schwächen: kleine Fehler im Handbuch, Programmbeispiele für Atari lückenhaft
Fazit: ein anspruchsvoller Baukasten mit kleinen Mängeln
Preis: ca. 550 Mark
Fischerwerke, Artur Fischer GmbH & Co. KG, Weinhalde 14-18, 7244 Tumlingen-Waldachtal
Schulprogramm:
Cornelsen-Experimenta GmbH & Co., Holzhäuser Str. 76, 1000 Berlin 76