Dateiauswahlbox Selectric: Rubiks neuer Coup?

Selectric ist keine kopfzerbrechende Knobelei, sondern ein Shareware-Programm, das die bekannt spartanische TOS-Dateiauswahlbox ersetzt. Wir haben die Version 1.01a auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft.

Ärgert es Sie auch, sich beim Auswählen von Dateien in der Dateiauswahlbox erst mühsam durch eine Vielzahl von Ordnerebenen hindurchklicken zu müssen, um dann festzustellen, daß die gesuchte Datei doch in einem ganz anderen Verzeichnis liegt?

Wollten Sie die Früchte Ihrer Arbeit nicht schon einmal in einem neu anzulegenden Ordner speichern, um anschließend noch weitere Dateien in diesen Ordner kopieren zu können?

»Selectric«, das die originale Dateiauswahlbox ersetzt, verhilft Ihnen zu einem sehr viel komfortableren Umgang mit Ihren Dateien. Auch die oben geschilderten Situationen werden für Sie zum Kinderspiel.

Die Autoren Stefan Radermacher und Oliver Scheel haben es geschafft, ihr Programm — trotz des großen Funktionsumfangs — übersichtlich und gut bedienbar zu gestalten. Dies erreichten die Programmierer durch den konsequenten Einsatz von PopUp-Menüs, wie sie z.B. von Ataris modularem Kontrollfeld »XCONTROL« her bekannt sind und einer fast vollständigen Tastaturbedienbarkeit.

Aller Anfang ist leicht

Um Selectric permanent zu installieren, müssen Sie nur die Datei »SELECTRIC. PRG« in Ihren AUTO-Ordner kopieren und Ihr System neu booten. Zu Testzwecken läßt sich das Programm jedoch auch direkt vom Desk-top starten.

Mit dem beiliegenden Accessory »CALLSLCT.ACC«, das sich durch Umbenennen der Extension auch als Programm starten läßt, können Sie Selectric direkt aufrufen oder auch (de-)installieren.

Die PopUp-Menüs im Überblick

Bei der ersten Benutzung der neuen Auswahlbox sollten Sie nun noch die Voreinstellungen unter »Optionen« Ihren eigenen Bedürfnissen anpassen und speichern.

Am neuen Outfit der Box fallt zunächst einmal auf, daß neben den Namen der Dateien nun auch deren Länge und Erstellungsdatum auf einen Blick abzulesen sind.

Weiterhin erkennen Sie sechs schattierte Buttons, hinter denen sich diverse PopUp-Menüs verbergen.

Zunächst ist da das Menü zur Auswahl des aktuellen Laufwerkes. Bei einem Doppelklick auf den Laufwerks-Button wird nach einer Sicherheitsabfrage ein sogenannter Forced-Media-Change durchgeführt Dies dürfte vor allem für die Wechselplattenbesitzer unter Ihnen interessant sein.

In einem weiteren PopUp-Menü können Sie eine von maximal zehn voreinstellbaren Dateimasken auswählen. Diese Wildcards gehorchen in Selectric den leistungsfähigeren Unix-Konventionen, wodurch eine selektive Anzeige der in einem Verzeichnis vorhandenen Dateien ermöglicht wird. Allerdings dürfen diese Masken nur maximal 16 Zeichen lang sein.

Selectric erlaubt es, wie Sie es von den Desktop-Fenstern her gewohnt sind, sich die Dateien in sortierter Reihenfolge darstellen zu lassen. Neben den üblichen bekannten Kriterien, wie Dateiname, -endung oder -datum, sortiert Selectric auch noch numerisch. Die jeweilige Sortierrichtung läßt sich außerdem auch noch umkehren.

Obendrein bietet Selectric die Möglichkeit, sehr schnell zwischen verschiedenen Pfaden zu wechseln, da das Programm in einem weiteren PopUp-Menü eine Liste von bis zu zehn Ihrer am häufigsten verwendeten Pfade verwaltet. Ein mühsames Klicken durch längere Ordnerhierarchien bleibt Ihnen somit öfters erspart.

Ebenso wie beim Verzeichniswechsel und der Dateianzeige, greift Ihnen Selectric auch bei der eigentlichen Dateiauswahl auf komfortable Weise unter die Arme.

Vorab sei kurz erwähnt, daß Selectric ausgewählte Dateien invers darstellt, um sie grafisch hervorzuheben. Unterhalb der Dateiliste wird in einem Button die Gesamtlänge der selektierten Dateien angezeigt. Über diesen Button können Sie darüber hinaus den restlichen Platz auf Ihrem Speichermedium in Erfahrung bringen.

Selectric in Aktion

Ein nützliches Hilfsmittel zum Auffinden von Dateien im aktuellen Verzeichnis stellt der implementierte Auto-Locator dar. Er sucht nach einer von der aufrufenden Applikation eventuell übergebenen Datei, um diese gegebenenfalls zu selektieren. Ist die Dateinamenmaske jedoch leer, so wird nach jeder weiteren Zeicheneingabe nach Dateien gesucht, die mit der angegebenen Zeichenfolge beginnen.

Die Funktionsweise der Fensterelemente in der Auswahlbox wurde durch die Auswertung von Doppelklicks stark erweitert. So können Sie nun über die Scrollpfeile direkt zum Anfang bzw. Ende der Dateiliste gelangen. Bei Verwendung der grauen Scrollbalken werden sofort die zur Mausposition gehörenden Dateien angezeigt. Das seitenweise Blättern ist damit nicht mehr erforderlich. Über den Closer-Button gelangen Sie direkt ins Wurzelverzeichnis des aktuellen Laufwerkes. Durch Verschieben des weißen Scrollbalkens »wandern« Sie einfach durch Ihre Dateiliste.

Da Selectric die Auswahl mehrerer Dateien erlaubt, wurde über den Fuller-Button die Funktion eingebaut, sämtliche Dateien eines Verzeichnisse zu (de Selektieren.

Von der Selektion mehrerer Dateien und Ordner zu weiteren Dateioperationen ist es nur ein kleiner Schritt.

Mit Selectric sind Sie nun nicht mehr auf viele Accessories angewiesen, wenn Sie mal eben einige Ihrer Dateien außerhalb des Desktops löschen, kopieren, umbenennen wollen, oder ihnen einfach nur die aktuelle Systemzeit geben möchten. Außerdem ist es nun möglich, neue Ordner und Dateien anzulegen. Allein eine rudimentäre Formatierfunktion für Disketten wünschen wir uns noch. Im Funktionen-Menü können Sie übrigens weiterführende Informationen über Ihre Dateien und Speichermedien in Erfahrung bringen.

Der große Bruder des Auto-Locators ist die eingebaute Suchfunktion, mit der Sie unter Verwendung von Unix-Wildcards Ihre vermißten Dateien aufspüren können.

Diese sucht wahlweise im aktuellen Verzeichnis mit all seinen Unterordnern, auf dem aktuellen Laufwerk, oder auf allen dem GEMDOS bekannten Laufwerken.

Zum Abschluß der Funktionsbeschreibungen möchten wir noch einmal hervorheben, daß sowohl die eigentliche Dateiauswahlbox, als auch die PopUp-Menüs vollständig per Tastatur bedienbar sind. Nur wenn Sie sich in einer der untergeordneten Dialogboxen befinden, z. B. beim Kopieren von Dateien, und Voreinstellungen ändern möchten, müssen Sie wieder zur Maus greifen.

Vielseitige Einstellungen

Diese kleine Lücke jedoch wird durch Unterstützung des residenten Programmes »Let ’em fly« geschlossen. Dieses Programm erweitert die originalen Dialogboxroutinen des AES und bringt diesen das »Fliegen« und Tastaturbedienbarkeit bei.

Selectric ist auflösungsunabhängig programmiert und läuft somit auf allen Rechnern der ST/TT-Familie.

Auch unter »AutoSwitch-OverScan« treten keinerlei Probleme auf.

Des weiteren ist Selectric auch der einzige uns bekannte Dateiauswahlbox-Ersatz, der mit den unter »MiNT« verfügbaren symbolischen Laufwerken Q:, U:, V: und X: zurechtkommt. Aufgrund der dynamischen Speicherverwaltung ist Selectric erfreulicherweise in der Lage, Verzeichnisse zu verarbeiten, die mehr als 1500 Dateien enthalten.

Bei der Installation hängt sich Selectric mittels des XBRA-Verfahrens in die Traps #2 und #13. Außerdem legt er einen »FSEL«-Cookie an, der die aufrufenden Applikationen darauf hinweisen soll, daß unter jedweder AES-Version nun die Funktion fsel_exinput() zur Verfügung steht.

Daß der Wert des Cookie-Eintrags keinen Konventionen unterliegt, haben sich die Autoren zunutze gemacht, indem sie hier kurzerhand die Adresse einer programminternen Struktur eingetragen haben. Über diese, in der ausführlichen Anleitung beschriebenen Struktur, ist es möglich, Selectric durch eine andere Applikation zu konfigurieren. Ebenso haben die Programmierer hierdurch die Möglichkeit geschaffen, einer Applikation mehrere Dateien auf einmal zu übergeben.

An dieser Stelle vermissen wir eigentlich nur noch eine Unterstützung des »VSCR«-Cookies [1], wie er beispielweise von »Big Screen2« angelegt wird. Dieses Programm installiert einen virtuell vergrößerten Bildschirm, in dessen Mitte nun Selectric seine Dateiauswahlbox zentriert. Dies hat zur Folge, daß die Box manchmal nur teilweise zu sehen ist. Über die VSCR-Struktur ist es jedoch möglich, die Box im Zentrum des wirklich sichtbaren Bildschirmausschnittes zu plazieren.

Ohne viele Worte zu verlieren, können wir Selectric jedem empfehlen. Das Programm spricht mit seiner Vielzahl von neuen Funktionen zur Dateiverarbeitung für sich selbst. Sie haben den großen Vorteil, daß Selectric nach dem Shareware-Prinzip verteilt wird. So können Sie das Programm in einem zeitlich angemessenen Rahmen ausgiebig testen, bevor Sie Ihren dem Programm angemessenen Obulus von 30 Mark an die Autoren entrichten. (uw)

WERTUNG

Selectric

Preis: 30 Mark Shareware-Gebühr

Stärken: auflösungsunabhängig, läuft auf allen Rechnern der ST/TT-Familie unter dem Betriebssystem TOS, verarbeitet auch umfangreiche Verzeichnisse, eingebaute Programmierschnittstelle

Schwächen: verbraucht ca. 60 KB Speicherplatz

Fazit: erlaubt komfortable und schnelle Dateiauswahl. Empfehlenswert

[1] Julian Reschke, Ein Haufen Vermischtes, ST-Magazin 7/1991

Shareware-Bezug

Durch eine Überweisung/Einzahlung von 30 Mark an Stefan Radermacher, Postgiroamt Köln, BLZ 37010050, Konto-Nr. 314062-503 können Sie sich registrieren lassen. Wenn Sie Ihre Anschrift angegeben haben, wird Ihnen eine aktuelle, auf Ihren Namen registrierte Version zugeschickt. Ein Update-Service, gegen Einsendung einer Diskette mit frankiertem Rückumschlag, wird ebenfalls angeboten. Bezugsadresse: Stefan Radermacher, Unter Krahnenbäumen 52-54, W-5000 Köln 1


Olaf Niermann
Aus: ST-Magazin 06 / 1992, Seite 42

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