Digitalisiertablett Geniustray: Der Grafik-Flachmann

Eine Maus kann noch so grazil sein: Wenn sie zum zehnten Mal übers Mauspad hinausrutscht, muß ein Digitalisiertablett auf den Tisch. Vielleicht ein »Geniustray«…

Ein Grafiktablett eignet sich vor allem zum Digitalisieren linienorientierter Grafiken, also vor allem für technische Zeichnungen. Das geht nicht nur schneller, sondern auch meist präziser als mit dem Scanner und gleich objektorientiert. Wer dann noch ein so preiswertes Produkt wie das Geniustray einsetzt, kommt auch viel billiger davon.

»Crazy Bits«, ein junges Unternehmen aus dem Osten der Republik, hat sich über die Konkursbestände des ehemaligen VEB Robotron hergemacht und liefert mit dem Geniustray Grafiktablett ein elegantes Eingabesystem zum Niedrigpreis: Wer sich den Bausatz genehmigt, zahlt knapp 480 Mark, das fertige Gerät gibt’s für rund 600 Mark. Die beiden Varianten unterscheiden sich lediglich dadurch, daß dem Bausatz kein fertiges Netzteil beiliegt. Eine zusätzliche Anleitung beschreibt den Anschluß des Tabletts an ein beliebiges Netzteil in zwei Umbauvarianten (leichte Lötarbeiten erforderlich). So dürfte der Bausatz die preiswerte Alternative für Besitzer leistungsstarker PC-Gehäuse-Umbauten sein, die den Saft für das Geniustray gleich am großzügig dimensionierten Hauptnetzteil ihres Towers abzapfen können, beispielsweise über einen herausgeführten Stecker.

Beide Liefervarianten enthalten neben dem DIN-A4-Tablett einen Fadenkreuzcursor (Lupe) mit einer Taste und einen Stift (mit Stahl-und Kunststoffspitze). Die fertige Version schließt zusätzlich das externe Netzteil und alle Verbindungskabel ein. Auf der Diskette mit der Treibersoftware findet sich ein zusätzlicher Makro-Editor und diverse Beispielprogramme (in GFA-Basic).

Der Anschluß an den Computer erfolgt denkbar simpel über die serielle Schnittstelle. Allerdings funktioniert das Tablett bei Mega STE und TT nur am Modem-1-Port. Bei diesen Modellen müssen Sie außerdem ca. 25 Mark für einen Adapter D-Sub 25polig auf D-Sub 9polig zum Kaufpreis hinzurechnen. Den Adapter können Sie entweder gleich mitbestellen oder selbst im Fachhandel besorgen. 1040 STE-Besitzer können das Geniustray nur zusammen mit GDOS (GDOS/AMCGDOS, FMCGDOS oder NVDI) betreiben.

Oberfläche des Editors

Nachdem die Stromversorgung steht und der Fadenkreuzcursor mit der »Sensor-Buchse an der Rückseite des Tabletts verbunden ist, heißt es einschalten und loslegen. Bei der anschließenden Initialisierung müssen Sie die seriellen Übertragungsparameter des Tabletts an die Parameter der Treibersoftware anpassen. Anschließend geht’s an die Installation des eigentlichen Treibers. Bei Aufruf nach dem Booten aus dem Autoordner heraus funktioniert die ganze Prozedur umgekehrt: Erst Treiber abarbeiten, dann Initialisierung vornehmen, sonst wirft der Computer Bömbchen — etwas unglücklich gelöst.

Stattlicher Trümmer: Trotz der relativ kleinen Arbeitsfläche verschlingt das Tablett ordentlich Raum
# Technische Daten Geniustray
   
Abmessungen: 496 x 385 x 45 mm
Gewicht: 2,4 kg
Aktive Arbeitsfläche: 319 x 210 mm (3200 x 2100 Punkte)
Auflösung: 0,1 mm
Genauigkeit - Stift: ±0,8 mm
~ Lupe: ±0,4 mm
Schnittstelle: RS232 mit 9600 Baud

Zum Geniustray gehören zwei Treibervarianten, die sich im wesentlichen durch ihre Speicherkapazität von Makrodaten unterscheiden:

»GT16.prg« erlaubt 16 KByte Daten, also 4096 Tastatur-bzw. 2048 Mausaktionen, »GT64.prg« die vierfache Anzahl. Das hätte man auch in einem einzigen Programm unterbringen können — mit umschaltbarer Speicherkapazität per GEM-Button. Die Software liest die »GT.INS«-Datei aus, in der bis zu zehn fertige Makrodateien untergebracht werden können. Die Einträge in der Steuerdatei entstehen mit einem externen ASCII- oder dem mitgelieferten Makro-Editor.

Wenn der Treiber korrekt arbeitet, wird im nächsten Schritt mit Lupe oder Stift die aktive Arbeitsfläche definiert. Dabei ist wichtig, daß das Verhältnis zwischen Höhe und Breite der gewünschten Fläche 1:1 in Abhängigkeit zur Monitorauflösung (ST Gering, ST Hoch, TT Mittel und TT Hoch) beträgt, damit der Treiber die Fläche verzerrungsfrei und korrekt berechnet. Dadurch ergibt sich auf dem Digitalisiertablett eine ca. DIN A5 große Arbeitsfläche, auf der das Grafiktablett alle Mausfunktionen übernimmt und an den Monitor weitergibt.

Vier etwas kümmerliche Klemmen halten Papiervorlage und Schutzfolie. Die Lupentaste simuliert dann die linke Maustaste, ebenso wie der heruntergedrückte Stift und der Druckknopf am linken Tablettrand. Das Feld rechts daneben übernimmt entsprechend die Funktion der rechten Maustaste. Die übrigen Tasten dienen zum Ein-/Abschalten bzw. zum Einstellen der aktiven Arbeitsfläche.

Das Geniustray kennt zwei Betriebsmodi: Menü- und A4-Modus. Im Menümodus ist die Arbeitsfläche kleiner (entspricht in etwa der Monitorfläche), dafür bietet das Tablett Zugriff auf alle Funktionen des Makro-Arbeitsblatts. Der A4-Modus stellt stattdessen eine größere Arbeitsfläche zur Verfügung. Beim Umschalten muß die Fläche jeweils neu definiert werden.

Wie bereits erwähnt, speichert das Tablett Makrodateien, die sich mit einzelnen Makrofeldern verknüpfen lassen. Beim Aufruf eines Feldes arbeitet das Tablett dann die vorgegebenen Arbeitsschritte nacheinander ab. Makrodateien, die in der »GT.INS« eingetragen sind, stehen nach dem Systemstart sofort zur Verfügung. Mit dem Editor lassen sich die aufgezeichneten Arbeitsschritte nacharbeiten und optimieren. Außerdem lassen sich ganze Makroblöcke vertauschen, verschieben, kopieren und löschen. Neben dem Makro-Arbeitsblatt als Calamus-Dokument liefert Crazy-Bits ein Demoprogramm mit, das das Einbinden des Treibers in GFA-Basic-Listings erläutert. Weiterführende technische Dokumentation liefert die Firma gegen eine Bearbeitungsgebühr von 5 Mark.

Das Digitalisiertablett macht — abgesehen von der etwas mickrigen Papierhalterung — einen soliden Eindruck, wenn wir auch ein wenig über den Kleber schmunzeln mußten, der verschämt das Signet des einstigen DDR-Musterbetriebs verdeckt.

Mit dem Geniustray erhält der Käufer ein sehr günstiges makrofähiges Grafiktablett, standardmäßig mit Fadenkreuzcursor und Stift ausgerüstet. Das Gerät verträgt sich problemlos mit allen entsprechenden kommerziellen Softwarepaketen.

Vielleicht noch ein Tip für die Zukunft: Da das Tablett schon einmal so toll programmierbar und makrofa-hig ist — wie wäre es, bereits vorgefertigte Arbeitsblätter für die wichtigsten CAD-Pro-dukte beizulegen (z. B. »Dy-naCADD« und »Technobox CAD«)? (hu)

WERTUNG

Geniustray

Hersteller: Crazy Bits/ Robotron
Preis fertig: 599 Mark
Preis Bausatz: 479 Mark

Stärken: preiswert, Fadenkreuzcursor und Stift im Lieferumfang, sehr präzise, makrofähig, auch MS-DOS-Treiber verfügbar (u. a. »AutoCAD«), voll kompatibel

Schwächen: relativ zur Arbeitsfläche sperrig, Betrieb an 1040er nur mit GDOS mögl., nach Einschalten Initialisierung nötig, reagiert empfindlich auf wechselnde äußere Magnetfelder, schwache Papierhalteklammern

Fazit: echte Alternative, weil sehr preiswert

Crazy Bits GbR, Uhlandallee 3, O-1603 Eichwalde

Literaturhinweise:

Robotron Betriebsvorschrift K 6405 EC 7945.13 = CM6422 = Robotron K 6405

Eigenwillig: Der Makro-Editor präsentiert sich zweckmäßig aber nicht im GEM eingebunden

Guido Stumpe
Aus: ST-Magazin 03 / 1992, Seite 32

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite